Hyundai Tucson Hybrid 2021 Liebe Nachbarn, wir müssen reden

Vom Verfolger zur Benchmark? Erste Fahrt im neuen Hyundai Tucson Hybrid.

Viele Jahre lang wurde der Aufstieg von Hyundai nebst der Schwestermarke Kia mit Erstaunen beobachtet. Etablierte Mitbewerber blickten nervös nach Südkorea, Kunden auf der ganzen Welt freuten und freuen sich über solide Autos zu einigermaßen fairen Preisen.

Der Erfolg kommt nicht von ungefähr, sondern ist das Resultat von Disziplin und Umsicht. Entwicklungs- und Designbüros in Europa und den USA analysieren die Konkurrenz genau. Also setzte man genau an den Punkten an, die Produkte von VW und Co. begehrlich machen. Der Hyundai Tucson ist ein gutes Beispiel dafür. Die jetzt auslaufende Modellgeneration des kompakten SUV ist ein klar gezeichnetes Auto, dass in den USA genauso gut „funktioniert“ wie in Europa. Der VW Tiguan lässt grüßen.

Der neue Tucson im Video

So ein Tucson bietet ordentliche Platzverhältnisse, ausreichend Leistung und sorgt im Carport nicht für Gesprächsstoff bei den Nachbarn. So viel zur Vergangenheit, die ist aber spätestens jetzt vorbei.

Hyundai scheint die Phase der Gefälligkeit auch in Europa für beendet zu erklären. Schon der Kleinwagen i20 eckt mit spitzen Linien und großen Leuchten bewusst an. Jetzt wagt die Marke auch beim Tucson, ebenfalls einer ihrer Bestseller, Ecken und Kanten.

Großer Sprung im Design

Hyundai Tucson Hybrid 2021 Test Fahrbericht Video Review

Das Design des Hyundai Tucson überrascht. Schon viel ist über Kanten, Sicken und die scheinbar im Kühlergrill versteckten LED-Tagfahrlichter geschrieben worden. Daher nur so viel: Auch in der Realität wirkt der Tucson erfrischend anders. Dunkle Farben stehen im besonders gut. Die Markenrevolution ruft er übrigens nicht aus. In Europa nicht angebotene Welt-Modelle wie die Mittelklasselimousine Sonata haben die vom Hersteller „Sensuous Sportiness“ (dt.: sinnliche Sportlichkeit) genannte Linienführung schon vorher eingeführt.

Dazu zählt auch der große Kühlergrill, der sich scheinbar über die ganze Breite des Autos zieht. Erst nach dem Anlassen zeigen sich hier die einzelnen LED-Punkte des Tagfahrlichts. Die Hauptscheinwerfer liegen weiter außen im Stoßfänger – und damit leider wie Blinker und Rückfahrlicht am Heck im gefährdeten Bereich bei Parplatzremplern von anderen Autos oder Einkaufswagen. Was wohl die Versicherer bei der Vollkasko-Einstufung dazu sagen?

In Deutschland kommt der neue Hyundai Tucson zum Jahreswechsel 2020/2021 auf den Markt. Wir durften von vorab hinter das Steuer eines Vorserienautos. Der Testwagen stand als 1.6 T-GDI Hybrid mit 230 PS Systemleistung und Allradantrieb bereit.

Breites Motorenangebot

Der Vollhybrid-Antrieb, der schon im Alltagstest des neuen Kia Sorento überzeugen konnte, stellt nur eine von vielen Motorisierungsalternativen des Tucson da. Je nach Ausstattung gibt es Diesel und Benziner mit und ohne 48-Volt-Mildhybridsystem, ab 2021 auch den (in Deutschland förderfähigen) Plug-in Hybrid mit größerer 13,4 kWh-Batterie und 265 PS Systemleistung. 1,6 Liter große Vierzylindermotoren stecken immer unter der vorderen Haube. Eine vollelektrische Version des Tucson ist nicht geplant, 2021 startet die neue Hyundai-Marke Ioniq mit eigenen E-Modellen.

Der Hyundai Tucson wächst mit dem Modellwechsel kaum, bleibt mit 4,50 Metern Länge ein relatives kompaktes SUV. Trotzdem bietet der Innenraum Platz in Hülle und Fülle. Hinter der Heckklappe schluckt der Gepäckraum bei Bedarf 616 Liter (beim Hybrid, Benziner und Diesel 620 Liter). Die Lehne der Fondsitzbank lässt sich dreigeteilt umlegen. Das kann man auch per Zug am Hebel im Kofferraum aus erledigen. Ein Herumlaufen ums Auto, um lange Gegenstände zu verstauen, entfällt also.

Viel Platz für die Familie

Hyundai Tucson Hybrid 2021 Test Fahrbericht Video Review

Der gleiche Verstell-Mechanismus sorgt für eine variable Lehnenneigung. Nicht nur damit bietet der Hyundai Tucson hohen Reisekomfort in der zweiten Reihe. Knie, Füße und der Kopf haben ausreichend Freiraum, selbst bei großen Mitfahrern. Mit einer Dreizonen-Klimaautomatik, serienmäßig in der höchsten Ausstattungsline Prime, und zwei USB-Ports zur Stromversorgung lässt es sich hier gut aushalten. Schade: Kindersitze mit Isofix-Verankerungen müssen zielsicher zwischen Sitzfläche und Lehne gestopft werden, Klappen oder Kappen vor den Bügeln fehlen. Wer öfter Sitze ein- und ausbaut, verkratzt sich mittelfristig die Sitzbezüge.

Vorne sitzt man auf sehr bequemen Sesseln, aber gefühlt etwas zu hoch. Mehr auf dem Sitz als im Auto. Sofort fällt der flache Armaturenträger auf, der für ein luftiges Raumgefühl und eine gute Rundumsicht sorgt. Das 10,25 Zoll große Infotainmentdisplay steht nämlich nicht, anders wie es der aktuelle Auto-Standard vorzuschreiben scheint, auf dem Cockpit. Es ist, leicht zum Fahrer orientiert und damit gut erreichbar, weiter unten integriert. Damit liegt es aber leider weniger optimal in der Sichtachse des Fahrers, der den Blick in Richtung Monitor spürbar senken muss.

Die Menüstruktur und das Connectivity-Angebot des Bluelink-Telematiksystems sind bekannt. Mit der passenden Smartphone-App kann man Navigationsziele ans Auto senden oder die Routenführung auf der „letzten Meile“ zu Fuß beenden (sofern das Ziel zwischen 200 und 2.000 Meter vom Parkplatz entfernt ist).

Digitales Cockpit, tiefe Displays

Hyundai Tucson Hybrid 2021 Test Fahrbericht Video Review

Hinter dem Lenkrad blickt man auf ein weiteres Display, das die fahrrelevanten Instrumente und Anzeigen in sich versammelt. Diese Anzeige wirkt auf den ersten Eindruck etwas klein. Das liegt aber weniger an der tatsächlichen Größe des Monitors, sondern an der fehlenden Hutze darüber. Auch ohne Mütze lassen sich die Anzeigen blendfrei ablesen.

Die Sechsgang-Wandlerautomatik des Tucson Hybrid wird über Tasten anstelle eines Wählhebels bedient. Die Anordnung der Knöpfe in der Mittelkonsole kennt man vom Brennstoffzellen-SUV Hyundai Nexo ebenso wie im Kona Elektro. Wir wechseln von P auf D und die Probefahrt beginnt.

Der Fahreindruck

Hyundai Tucson Hybrid 2021 Test Fahrbericht Video Review

Ein paar hundert Meter rein elektrische Fahrt schafft der Vollhybrid, bevor der Benziner einspringt. Das geschieht ruckfrei und oft auch kaum hörbar. Lediglich bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn oder beim eiligen Bezwingen steiler Bergstraßen hebt der Vierzylinder seine Stimme.
Der Vollhybrid hat in Deutschland einen schweren Stand, viele Kunden dürften die Umweltprämie ausnutzen und zum Plug-in Hybriden greifen. Aber auch die geringe Elektrifizierungsstufe mit 1,49 kWh großer Lithium-Ionen-Polymer-Batterie weiß zu gefallen.

Selbst ohne vorsichtigen Fuß auf dem Gaspedal wechselt das System möglichst oft in den elektrischen Fahrmodus. Damit kommt man locker durchs Wohngebiet. Unsere Testfahrten fanden bei kalten Temperaturen auf hügeligen Straßen statt, weswegen (noch) kein aussagekräftiger Wert für den Realverbrauch getroffen werden kann. 5,6 Liter verspricht die Norm. Nach den Erfahrungen mit dem größeren Kia Sorento Hybrid (7,3 Liter Testverbrauch) erscheinen knapp unter sieben Liter Sprit je 100 Kilometer als realistisch.

Über eine Wippe auf der Mittelkonsole lassen sich neben drei verschiedenen Allrad-Programmen (Matsch, Schnee, Sand) auch die Fahrmodi einstellen. In „Eco“ wird der Vortrieb etwas zäher, „Sport“ passt mal wieder nicht so recht zum Hybridauto. Die „Normal“-Stellung erledigt einen guten Job. Mit dem optionalen ESC-Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern liegt der Hyundai Tucson, als Prime mit 19 Zoll großen Felgen ausgestattet, sehr komfortabel. Die Federung gibt ausreichend Rückmeldung von der Straßenoberfläche, sorgt aber gleichzeitig für bestmöglichen Komfort.

Auch die Lenkung ist ausgewogen. Der Hyundai Tucson lässt sich, vor allem angesichts des Gewichts von knapp über 1,8 Tonnen, ziemlich engagiert in die Kurve werfen, bleibt dabei stets zielsicher auf Kurs. Das erkauft man sich aber nicht mit einer nervösen Mittellage am Lenkrad. Vor allem auf der Autobahn gefällt der ruhige Geradeauslauf.

Dort kann man den, optionalen, Autobahnassistenten (HDA, Highway Driving Assist) aktivieren. Dann hält der Hyundai Tucson die Fahrspur, den Abstand zum Vordermann und die eingestellte Geschwindigkeit. Wird von der Kamera ein Tempolimit erkannt, passt die Software automatisch die Geschwindigkeit ein. Außerdem blickt das System anhand von Navigationsdaten voraus, bremst vor Kurven oder dauerhaften Tempolimits (z.B. bei einer Ortseinfahrt) vorzeitig sanft ab.

Das kostet der neue Tucson

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Derart komplett ausgestattet ist der neue Hyundai Tucson 1.6 T-GDI Hybrid 4WD Prime, so der offizielle Geburtsname des Testwagens, preislich natürlich in höheren Sphären unterwegs. Zu den 44.255,46 Euro Grundpreis (mit 16 Prozent Mehrwertsteuer, ab 1. Januar 2021 mit 19 Prozent dann 45.400 Euro) addieren sich die Aufpreise für Metalliclackierung und Dach in Kontrastfarbe, die adaptiven Dämpfer den Highway Driving Assist und ein weiteres Assistenzpaket, u.a. mit der gelungenen Totwinkelanzeige im Kombiinstrument und einer verzichtbaren Park-Fernbedienung. Am Ende stehen 47.491,75 (48.720) Euro unter dem Summenstrich.

Zur Einordnung innerhalb der Modellpalette dient der Blick zum größeren, ebenfalls neu aufgelegten Santa Fe. Der kostet mit dem gleichen Hybridantrieb und ähnlicher Ausstattung knapp 9.000 Euro mehr.

Etwas teurer als der Vorgänger

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Das Tucson-Basismodell, die Ausstattungsline Pure mit 150 PS starkem Benziner und Schaltgetriebe, startet bei 26.124,37 (26.800) Euro. Damit liegt die neue Generation etwa 1.900 Euro über der bisherigen Basis mit 132 PS-Saugmotor. Neben einer 180 PS-Variante des 1.6 T-GDI gibt es auch Dieselmotoren mit 115 und 136 PS. Je nach Version kann man auch Mildhybride mit 48-Volt-Bordnetz und elektronisch gesteuertem Schaltgetriebe (iMT, intelligent Manual Transmission) oder 7-Gang-Doppelkupplung bestellen.

Das neue Selbstbewusstsein, dass der Hyundai Tucson also im Karosseriedesign und mit seiner modernen Ausstattung mitbringt, zeigt sich ganz klar auch in der Preisgestaltung.

Fazit

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Was bin ich? Diese Frage dürfte sich der neue Hyundai kaum stellen. Er macht keinen Hehl aus seiner Mission. Die neue Modellgeneration einer weltweit etablierten SUV-Baureihe will Benchmark statt gefälliger Mitläufer sein. Die Verarbeitung passt schon beim Vorserienauto sehr gut, die Ausstattung ist auf hohem Niveau.

Ecken und Kanten dürften vielleicht nicht jedem gefallen, dafür aber auch neue Kunden erschließen, die Hyundai als Marke bislang nicht in ihrem „relevant set“ hatten. Wie auch immer: Parkt der neue Hyundai Tucson im Carport oder vor der Einfahrt, kommt man zumindest mal wieder mit den Nachbarn ins Gespräch.

Technische Daten

Hyundai Tucson 1.6 T-GDI Hybrid AWD Prime

Abgasnorm Euro 6d
Hubraum 1.598 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 132 kW / 180 PS bei 5.500 U/min
Max. Drehmoment 265 Nm bei 1.500 - 4.500 U/min
Getriebe Sechsgang-Automatik
Elektromotor: Maximale Leistung kW 44 kW (60 PS)
Systemleistung: kW / PS 169 kW / 230 PS, 350 Nm
Batterie 1,49 kWh Lithium-Ion-Polymer
Tankinhalt 52 Liter
Beschleuningung 0-100 km/h 8,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 193 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 5,6 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Michelin, 235/50 R19
Leergewicht ca 1.800 kg
Anhängelast (gebremst) 1.650 kg, 100 kg Stützlast
Länge / Breite / Höhe 4.500 / 1.865 / 1.650 mm
Grundpreis 44.255,46 Euro (mit 19% MwSt. 45.400 Euro)
Testwagenpreis 47.491,75 Euro (mit 19% MwSt. 48.720 Euro)
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad