Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest "Oh Lord, won´t you buy me..."

Mercedes mal anders: Alltagstest des Infiniti Q30 2.2d Sport.

„…a Mercedes-Benz“. Darum bittet Janis Joplin im gleichnamigen Song, der nach ihrem frühen Tod 1971 auf dem Album „Pearl“ veröffentlicht wurde den Mann an Ihrer Seite. Ihre Freunde fuhren alle Porsche, da wollte sie mithalten. Außerdem wünschte sie sich einen Farbfernseher.

Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest

Die Welt hat sich seitdem verändert und somit auch die potenziellen Wünsche der Menschen. Statt des Farbfernsehers reichen vielen ein Netflix- oder Amazon Prime-Abo. Die Porschefahrenden Freunde dürften, wenn sie nicht mittlerweile Zahnarzt sind, heutzutage eher im Tesla durch die Gegend stromern. Und auch für Janis Joplin müsste es nicht mehr unbedingt ein Mercedes sein, wenn die dessen Vorzüge genießen will. Zumindest im Kompaktformat.

Damit kommen wir zum Infiniti Q30. Das Kompaktmodell von Nissans Nobelmarke erinnert in seinen Proportionen nicht von ungefähr an den Mercedes GLA. Der Q30 baut auf der schwäbischen Kompaktplattform auf und teilt sich mehr als nur Fahrwerkselemente mit A-Klasse und GLA.

Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest

Im Infiniti Q30 2.2d werkelt der Mercedes-Dieselmotor (OM651) unter der Haube. Gefühlt aber weit weg hinter dem Horizont. Denn die Infiniti-Ingenieure legten viel Wert auf Ruhe und Entspannung. Zusätzliche Dämmung und in Verbindung mit dem 170 PS starken Selbstzünder eine Gegenschallfunktion des Soundsystems lassen den Antrieb Flüsterpost spielen.

Das ist vor allem auf langen Autobahnetappen eine Wohltat. Kaum Motorbrummen und trotz großer und breiter 19-Zoll-Rädermit Runflat-Reifen in der getesteten Sport-Ausstattung keine hörbaren Abrollgeräusche dringen an die Ohren von Fahrer und Passagieren. Wenn man dann noch der Versuchung widersteht, auf das 650 Euro teure, optional Glasdach – das man eh nicht öffnen kann – zu verzichten, dürften auch keine Windgeräusche nerven, denn die kamen beim Testwagen nur von dort.

Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest

Die hervorragenden Reisequalitäten des Infiniti Q30 sind vor allem das Resultat der Nacharbeit, die Nissan / Infiniti an der Mercedes-Basis geleistet hat. Ein ähnliches Upgrade bekamen auch die Materialien im Innenraum. Im teuren Q30 Sport schmeicheln ein Alcantara-Dachhimmel, (Kunst-)Leder am Armaturenbrett und sauber platzierte Kontrastnähte Augen und Fingern. Die Sitze sind sehr bequem und lassen sich über die Benz-Bedienlogik in der Fahrertür elektrisch verstellen.

Ein Loblied auf den Infiniti Q30 also? Leider nicht. Denn trotz allem muss man zumindest als großer Fahrer öfter mal aus. Sich strecken und die Beine ausschütteln. Denn an der Grundbeschaffenheit der deutschen Ausgangsbasis konnten die Japaner nichts ändern. Das niedrige Dach mit den flachen A-Säulen drückt von oben und schadet der Sicht, z.B. auf Ampeln. Zusammen mit der breiten D-Säule sorgt es zudem dafür, dass der Q30 ein extrem unübersichtliches Auto ist. Beim Vorwärtsfahren aber viel dramatischer: der reichlich kurze Fußraum vorne sorgt bei Hünen (der Autor ist 1,92m groß) für eine froschartige Beinhaltung, die dafür sorgt, dass eine ziemlich ungünstig platzierte Kante in der Mittelkonsole fleißig knapp unter das Knie drückt. Das schmerzt auf Dauer.

Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest

Statt dem „Color TV“ auf Frau Joplin´s Wunschliste trägt der Infiniti das InTouch Infotainmentsystem von Mama Nissan in sich. Es lässt sich per Fingerdruck auf den kleinen Monitor oder mit einem zentralen Bedienteil zwischen den Vordersitzen, das sehr stark an BMWs iDrive erinnert, verwalten.

Die Menüführung lässt viel Raum für Verbesserungen. Die teilweise unlogische Sortierung von Unterpunkten sorgt für den ein oder anderen Klick-Umweg. Der Monitor strahlt auch im Nachtmodus zu hell, als ob er damit seine kompakte Größe kompensieren will. Alles hinnehmbar, was aber wirklich nervt ist eine Eigenart des Systems, die mutmaßlich als Einzelfall im Testwagen gilt: Nach jedem Start des Systems, wenn man gerade Musik vom Smartphone oder klassische von CD (ja, das kann er noch!) abspielt, meldet sich ein Nachrichtensender. Die „Nachrichten-Unterbrechung“ im Display muss man erst wegklicken, bevor es medial weitergehen kann. Weder in den Tiefen des Systemmenus noch in der Bedienungsanleitung war hierüber etwas zu finden, weshalb ich vom genannten Einzelfall ausgehe.

Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest

Für mehr Unterhaltung sorgt die Hardware des Autos. Der Motor ist nicht nur leise, er bringt denn mit Extras vollgestopften sicherlich ca. 1.650 kg schweren (Basis: 1.545 kg) Infiniti Q30 2.2d Sport flott voran. Egal aus welcher Geschwindigkeit man auf das Gaspedal tritt, es steht stets genügend Leistung an. Mühelos erreicht der Q30 auch seine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h, ohne dass er davor deutlich gegen den Fahrtwind zu kämpfen hat. Das ebenfalls von Mercedes übernommene 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe schaltet stets sanft und passend. Hektische Schaltrucke wie man sie vom Volkswagen-DSG kennt, treten nicht auf. Infiniti hat das Mercedes-Getriebe softwaremäßig auf mehr Komfort getrimmt, was gut zum Charakter des Q30 passt.

Infiniti Q30 2.2d im Alltagstest

„Oh Lord, won´t you buy me an Infiniti“ könnte eine moderne Interpretation des Songs durchaus heißen. Zumindest, wenn man sich schon für eines der kompakten Mercedes-Modelle entschieden hat. Wenn man sich also mit dem zu flachen Innenraum, der schlechten Übersicht und dem kaum vorhandenen Beinraum – vorne und im Fond – arrangieren kann. Denn wenn man sich dann traut, dass dem Stern im Grill das Infiniti-Logo mit der Straße Richtung Horizont spazieren zu fahren, bekommt man im Zweifel den besseren GLA: hochwertiger ausgestattet und verarbeitet, mit drei Jahren Garantie gesegnet und exzentrischer, dabei zumindest in meinen Augen, interessanter gestaltet.

Außerdem bekommt man mit dem Infiniti Q30 einen Kompaktwagen, der nicht an jeder Ecke herumsteht. Was in Gegenden, wo „friends all drive Porsches“ durchaus auch eine Rolle spielen kann.

Technische Daten

Infiniti Q30 2.2d Sport 7-DCT

Hubraum 2.143 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 125 kW / 170 PS bei 3.400 - 4.000 U/min
Max. Drehmoment 350 Nm bei 1.400 - 3.400 U/min
Getriebe 7-Gang-Doppelkupplung
Beschleuningung 0-100 km/h 8,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 220 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 4,2 Liter
Verbrauch real auf 100km 7,2 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Good Year Efficient Grip Run On Flat 235/45 R19
Leergewicht 1.545 kg
Länge / Breite / Höhe 4.425 / 1.805 / 1.490 mm
Grundpreis 37.640 Euro
Testwagenpreis 42.880 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad