Der Kia Stinger GT bekommt für das Modelljahr 2022 ein minimales Update. Grund für einen Alltagstest? Nicht nur einer, sondern 366!
Spätestens 2017 war allen klar, dass Kia nicht mehr nur der asiatische Underdog ist. Mit der Vorstellung und dem Verkaufsstart des Kia Stinger fuhren die Koreaner ganz weit vorn im Rennen um Begehrlichkeiten mit. Obwohl es nach der GT-Studie sechs Jahre bis zur Serienreife dauerte, hatte das Konzept nichts von seinem Charme verloren.
Für das Image der Marke war der Kia Stinger also ein „Game Changer“. Vor allem als 370 PS starker V6 mit doppelter Turboaufladung und Allradantrieb. Er sollte als Leuchtturm auch auf die Vierzylinder-Stinger mit Benziner und Diesel abstrahlen. Ein großer Held im Flottengeschäft wurde der Stinger aber auch damit nicht, er blieb ein Nischenangebote für Menschen mit gutem Geschmack und dem Mut, nicht nur in Konventionen zu denken.
Der Kia Stinger im Video
Folglich flogen die kleinen Motoren aus dem Programm, 2020 wurde der Stinger zudem mit einem sanften Facelift aufgefrischt. Dass der 3,3 Liter-V6 seit der Umstellung auf neueste Abgasnormen mit jetzt 366 PS vier Pferdestärken weniger leistet als früher, darf als Nebensächlichkeit abgestempelt werden. Dass auch der Klang reduziert wurde, kommt nicht bei allen Kunden gut an. Macht aber nichts, nach wie vor bietet Kia über das Zubehörprogramm eine Abgasanlage von Bastuck an.
424-mal wurden an einen Kia Stinger im Jahr 2021 erstmals deutsche Kennzeichen geschraubt. Der erst im Herbst eingeführte, elektrische EV6 verzeichnete bereits über 1.000 Neuzulassungen. Spätestens der für 2022 geplante Kia EV6 GT mit dann 430 kW (585 PS) dürfte als neues Topmodell der Marke dem Kia Stinger das Leben schwerer machen.
Neues Make-up für 2022
Der letzte Sommer für den V6 also? Wenn es so ist, startet der Kia Stinger frisch herausgeputzt in ihn hinein. Zum Modelljahr 2022 trägt auch der das neue Markenlogo an Front, Heck und Lenkrad. Außerdem gibt es jetzt mit „Ascot Green Metallic“ eine neue Option bei den aufpreisfreien (!) Farben. Merke: Es gibt immer einen Grund für eine Ausfahrt!
In einer Zeit, in der mehr und mehr Elektroautos mit großen Displays uns in die digitale Welt zoomen, wirkt der Kia Stinger auf eigene Art und Weise traditionell. Auch er hat mittlerweile einen größeren Monitor (10,25 Zoll) auf dem Armaturenbrett geparkt. Hinter dem Dreispeichenlenkrad blickt man aber auch weiterhin auf klar ablesbare, analoge Rundinstrumente.
Trotz der flachen Karosserie findet man als großer Mensch, zumindest vorne, sehr gute Platzverhältnisse vor. Hinten wird es dann in Sachen Kopffreiheit ein wenig enger. Mit physischen Tasten zur direkten Anwahl von Menüpunkten wird die Bedienung erleichtert, die umschaltbare Bedienleiste aus EV6 und Sportage hat der Kia Stinger noch nicht. Das bedeutet: Auch die Klimaautomatik wird über ein eigenes Bauteil gesteuert.
Der aufgeladene V6-Benziner wird mit Druck auf den Startknopf aufgeweckt, bleibt sofort akustisch (zu sehr?) im Hintergrund. Im Stadtverkehr erleichtert der Totwinkelassistent mit Monitoranzeige den Spurwechsel und das Abbiegen. Im Gegensatz zu neueren Markenkollegen und Modellen von Hyundai und Genesis blendet er das Bild zentral zwischen den Rundinstrumenten ein. Auch das passt prima.
No devil inside?
Im Speckgürtel der Großstadt sowie auf entspannten Autobahn- und Landstraßenfahrten beweist sich der Kia Stinger als kompetentes Reiseauto. Einstellbare Dämpfer sind nicht an Bord. Na und? Vermisst werden sie nicht. Über den „Smart“-Fahrmodus passt die Software das Ansprechverhalten von Motor und Getriebe den aktuellen Fahrzuständen an.
„No devil inside?“ mag man sich fragen. Bis eines frühen Sonntagmorgens haufenweise leere Landstraßen in der Hügellandschaft herumliegen. Im Sport-Modus pressen sich die Wangen des Fahrersitzes fester an Deinen Rücken. Und los geht es, natürlich stets unter Einhaltung der Verkehrsvorschriften.
Die zwei Tonnen schwere Limousine wirft sich zielgenau in jede Kehre, der hecklastige Allradantrieb – im Sportmodus ändert sich das Vorne-zu-hinten-Verhältnis von 40:60 auf 20:80, bei Sport+ gar auf 7:93 – lässt das Heck spürbar mitschieben. Großes Kino, bei dem man aber stets die volle Kontrolle behält.
Auch wenn man dem Kia Stinger hier die Sporen gibt, so bleibt er doch stets latent unterfordert. Das wissen Menschen mit der Ehre, beruflich Autos zu testen. Denn wer den Stinger schon mal auf einer abgesperrten Rennstrecke erlebt hat, kann erst begreifen, was wirklich in ihm steckt.
Ein VW Arteon R ist braver. Und teurer.
Dass der Koreaner auf der Autobahn bis auf eine Höchstgeschwindigkeit von 270 km/h beschleunigt, mag am Stammtisch zählen. Immerhin: VW verlangt beim Arteon R für die „Öffnung“ von Zwofuffzig auf dieses Tempo einen Aufpreis von 1.500 Euro.
Der Wolfsburger dürfte, obwohl der nur vier Zylinder hat und mit 280 PS auch schwächer ist, wohl auch als ärgster Konkurrent der Kia Stinger zählen. Vergleichbar ausgestattet kostet der Arteon R (auch ohne 270 km/h-Freischaltung) etwa 12.000 Euro mehr als der Koreaner. Was nicht bedeutet, dass der Kia Stinger ein billiges Vergnügen ist: 59.620 Euro stehen in der Preisliste des GT. Dann aber mit „voller Hütte“ inklusive Soundsystem und Nappalederbezügen, außerdem mit einer Garantie für sieben Jahre (bis 150.000 Kilometer).
Im Alltag belastet der Stinger dann mit einem Realverbrauch von 12,5 Liter das Budget. Vorsicht vor langen Vollgaseskapaden: Auf der leeren Autobahn steigt der Verbrauch problemlos auf 18 Liter je 100 Kilometer oder mehr.
Fazit
Der Kia Stinger wirkt im Zeitalter der immer stärkeren Elektroautos mit großen Displays wie ein Relikt. Aber nicht von gestern. Eigentlich ist seit seinem Debut klar: Mit der fahrdynamischen Sportlimousine hat Kia ohne Umwege einen Klassiker von morgen geschaffen. Auch 2022 machen Ausfahrten mit dem Stinger noch großen Spaß. Klar ist aber auch: Zweistellige Verbrauchswerte machen ihn angesichts der aktuellen Spritpreise zu einem teuren Vergnügen.
Technische Daten
Kia Stinger GT |
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Antrieb | permanenter Allradantrieb |
Hubraum | 3.342 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V6 |
Maximale Leistung kW / PS | 269 kW / 366 PS bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 510 Nm bei 1.300 - 4.500 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Tankinhalt | 60 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 270 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 10,6 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 12,5 Liter |
Leergewicht | 1.980 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.000 kg, Stützlast 75 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.830 / 1.870 / 1.400 mm |
Grundpreis | 59.620 Euro |
Testwagenpreis | 59.620 Euro |