Der Maserati Ghibli Hybrid ist mit Vierzylinder-Benziner das neue Basismodell für Marke und Baureihe. Alltagstest mit Video-Review.
Krawall beherrschen sie bei Maserati. Egal, ob es sich um aktuelle Sechs- oder Achtzylindermodelle handelt. Laut sind sie. Das galt auch für das Marketingfeuerwerk zur Ankündigung des Ghibli Hybrid, dem ersten elektrifizierten Maserati. Was genau geplant war, blieb offen. Ein Vollhybrid? Ein Plug-in Hybrid? Nein, was dann kam war und ist ein Mildhybrid.
Setzen müssen sich traditionelle Maserati-Fans und Fahrer aber wohl eher bei der Information, dass unter der flachen Motorhaube (und auch unter der des Levante Hybrid) ein zwei Liter großer Vierzylindermotor steckt. Der stammt aus dem Familienfundus und arbeitet mit 280 PS auch in den Alfa Romeo – Modellen Giulia und Stelvio.
Das Video
Mit einer maximalen Leistung von 243 kW / 330 PS wurde der Turbo für den Einsatz bei Maserati auf neue Höchstleistungen gebracht. Ein Riemenstartergenerator steuert als E-Boost bis zu 10 kW (14 PS) bei. Umgekehrt kann das Mildhybridsystem Energie bis 12 kW rekuperieren und sie in einer kleinen Batterie unter dem Kofferraumboden zwischenspeichern.
„Segeln“, also Gleiten mit ausgeschaltetem Motor kann der Maserati Ghibli Hybrid aber nicht, außerdem ist die keine erweiterte Start-Stopp-Automatik an Bord, die schon beim Heranrollen an der Ampel für Stille sorgt. Alles sinnlos?
Der Verbrauch
Nein, denn spätestens zur Absenkung des Flottenverbrauchs macht der Hybrid in Europa Sinn. Mit dem auf zwei Liter reduzierten Hubraum kann man zudem in einigen Ländern, darunter auch im großen Abatzmarkt China, Steuern sparen.
Knapp zehn Liter Sprit je 100 Kilometer hat der Italiener im Testalltag verbraucht. Nicht unbedingt wenig für eine Vierzylinder-Limousine. Aber deutlich weniger, als wir mit dem 350 PS starken V6 nachtanken mussten: Er genehmigte sich 16 Liter im Durchschnitt.
Der Fahreindruck
Die Effizienzkarte hat Ghibli Hybrid also ausgespielt. Und wie fährt er sich so? Nach dem Druck auf den Startknopf ist keine nachbarschaftsweckende Fanfare aus den vier Endrohren zu hören. Beim Kaltstart wirkt der Sound kurz heiser, aber ansonsten hört man vor allem innen eigentlich nichts.
Dank elektrischem Verdichter reagiert der Antrieb hellwach auf kleine Bewegungen des Gaspedals, wirkt agil und stellt schon bei niedrigen Drehzahlen viel Drehmoment bereit. Das von ZF zugelieferte Achtgang-Automatikgetriebe wechselt dabei stets kompetent die Übersetzungen. Wenn sie nicht so lecker aussehen würden, könnte man die feststehenden Metall-Schaltwippen in die Ecke der überflüssigen Optionen stecken.
255 km/h Höchstgeschwindigkeit gibt Maserati für sein neues Basismodell an. Dieses Tempo ist auf freier Strecke auch recht zügig erreicht, ein großer Abfall beim Vortrieb ist nicht zu spüren.
Das Skyhook genannte Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern sorgt auf der Autobahn und Landstraßen für guten Komfort, gibt aber dennoch ausreichend Rückmeldung von der Fahrbahnoberfläche. Bei langsamem Tempo wirkt die Abstimmung aber manchmal eher ungelenk.
Das Ambiente
Der Innenraum entspricht dem bekannten Ghibli-Muster. Erstaunlich ist einmal mehr, wie ein so großes Auto derart wenig Platz im Fond bieten kann. Fahrer und Beifahrer haben jedoch keinerlei Grund zur Klage. Das Infotainmentsystem gefällt mittlerweile mit großem, hochauflösendem Touchscreen, klarer Menüstruktur und schneller Reaktion. Auch die kabellose Integration von Apple CarPlay funktioniert stets reibungslos (viele Grüße nach Wolfsburg, schaut Euch das mal an!). Das Smartphone ruht derweil in einer hochwertigen Schublade mit Teppichbelag, in der es induktiv lädt.
Der Preis
Unser Testwagen war ein Maserati Ghibli Hybrid in der Ausstattungslinie GranLusso des Modelljahres 2021. Im jetzt bestellbaren 2022er-Jahr gibt es diese Version nicht mehr. Der Ghilbi Hybrid heißt fortan GT und startet bei 74.434 Euro. Damit ist er über 13.000 Euro günstiger als der Ghibli Modena mit 350 PS. Gleichwohl wird der Viertürer aber auch damit nicht zum Schnäppchen.
Die Zielgruppe
Zum Konkurrenten von etablierten Business-Limousinen in Form des Audi A6, des BMW 5er oder der Mercedes-Benz E-Klasse wird der Ghibli auch im achten Jahr seines Bestehens also nicht mehr. Dafür ist er zu teuer, zu speziell.
Der Vierzylinder kommt vielmehr für solvente Kunden in Frage, die schon den ein oder anderen Sportwagen in der Garage haben. Und die einfach ein stilvolles Auto für die Fahrten ins Büro (die Kanzlei, die Praxis) suchen, bei denen man auf Sound bewusst verzichten will. Die Verkaufszahlen des Maserati Ghibli dürften aber auch mit der Hybrid-Version nicht in die Höhe schnellen.
Das Fazit
Auf den ersten Moment wirkt der Vierzylinder-Maserati emotionslos. Man muss sich auf ihn einlassen, ohne Vorurteile. Dann ist er einfach eine ausreichend kräftige, schnelle Limousine. Gleichzeitig fühlt er sich keiner Welt richtig zugehörig. Denn er ist in den Augen vieler wohl kein echter Maserati. Ein richtiger Hybrid, wie es der Name vermuten lässt, aber auch nicht. Das enge Interieur im Fond und der hohe Preis stehen aber einem größeren Erfolg im Weg.
Technische Daten
Maserati Ghibli GT Hybrid (Modelljahr 2022) |
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Hubraum | 1.998 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 243 kW / 330 PS bei 5.750 U/min |
Max. Drehmoment | 450 Nm bei 2.250 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 10 kW |
Tankinhalt | 70 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 255 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 7,2-7,5 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,8 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Pirelli P Zero 245/45 R20 vorne / 285/35 R20 hinten |
Leergewicht | 1.878 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.971 / 1.945 / 1.461 mm |
Grundpreis | 74.434 Euro |