MG Cyberster (2025)

MG Cyberster (2025) Das emotionalste Elektroauto?

9:19 Min.

Beeindruckende Leistung, nicht nur wegen seiner 375 kW: Der MG Cyberster im Alltagstest.

Du passierst den Scheitelpunkt der Kurve, öffnest die Lenkung und dein rechter Fuß wird schwer. Die Lamellen der Hinterreifen arbeiten auf dem Asphalt. Dabei kannst du ihnen zuhören, während das Heck sanft nach außen drückt. Dazu den Vögeln in den Bäumen. Eine ungewohnt intensive Erfahrung mit scheinbaren Nebensächlichkeiten. Sie rücken in den Fokus, weil du in einem offenen Sportwagen unterwegs bist, der ohne Motorsound und Auspuffklappen den Akustik-Teil des Fahrspaß-Kapitels umschreiben will. Und kann. Damit sind wir schon mittendrin, herzlich willkommen zum Test des MG Cyberster.

Einzigartig trotz Baukasten

Der nur 1,33 Meter hohe Roadster nutzt, wie die kompakten Modelle MG4 und MGS 5 EV die MSP-Plattform des Herstellers.

Zum 100. Geburtstag beschenkte sich die einst britische Marke, die nach der Pleite von MG Rover unter das Dach des chinesischen SAIC-Konzerns (Shanghai Automotive Industry Corporation) schlüpfte, mit dem Cyberster selbst. 2024 feierte die Serienversion ihre Premiere. Nach all den Elektro-SUV und Kompaktmodellen soll er die Marke nicht nur emotional aufladen, sondern auch die lange Roadster-Tradition von MG fortsetzen.

Das Rezept für den Cyberster klingt erstmal nach einer unangenehmen Streckübung für Designer und Ingenieure. Als Basis dient dem offenen Sportwagen die MSP-Architektur (Modular Scalable Platform), die auch den MG4 Electric und das SUV MGS5 EV trägt. Also mit Akku im Fahrzeugboden, der trotz nur elf Zentimeter Höhe Bauraum beansprucht. Kann das etwas werden?

Life-Heck

Spätestens, wenn du in natura vor dem MG Cyberster steht, setzt der Nick-Reflex ein. Und wie! Ein Westentaschen-Cabrio wie der Mazda MX-5 ist der Chinese freilich nicht. Aber das mit einer Länge von 4,54 Metern, einer Breite von 1,91 Metern und einer Höhe von nur 1,33 Metern noch voll Nebenstraßen-taugliche Format überrascht dann doch positiv. Dazu passt das unaufgeregte, aber dennoch emotionale Design. Die Front mit der langen Haube wirkt klassisch. Über den 275 Millimeter breiten Hinterrädern spannt sich die Blechhaut, bevor das Kammback-Heck (benannt nach der Arbeit des deutschen Aerodynamikers Wunibald Kamm in den 1930er-Jahren) mit Abrisskante und negativ abfallender Linie für eine weitere Schokoladenseite des Autos sorgt. Die Heckansicht wird von Rückleuchten mit LED-Rahmen und großen Pfeilen geprägt. Alles wirkt stimmig, bis hin zum dezent geschwungenen Modellschriftzug auf dem Kofferraumdeckel. Unter ihm steckt ein Kofferraum, der mit 249 Litern Volumen auch mehr als nur Wochenendgepäck wegsteckt – egal, ob bei offenem oder geschlossenem Stoffverdeck.

Der mit den Scherentüren

Die beiden Türen öffnen und schließen elektrisch.

Geht da noch mehr! MG sagt ja! Vor dem Zustieg klappen die beiden Scherentüren (keine Flügeltüren, klar!) elektrisch nach oben. Entweder per Schlüssel-Fernbedienung (die manchmal zickt) oder per Tastendruck. In engen Parklücken macht das Sinn. Die Sensoren, die auch niedrige Garagendecken im Blick haben, verweigern aber manchmal auch beim Parken am Straßenrand die automatische Türöffnung, wohl weil der Totwinkelwarner den mit Abstand vorbeiziehenden Verkehr bemerkt. Man kann aber jederzeit per Hand eingreifen und die Tür manuell weiter öffnen oder schließen. Der Zustieg gelingt, dank des großen Öffnungswinkels, prima.

Zwei Personen finden ordentliche Platzverhältnisse auf großen Sitzen vor. Dahinter steht weiterer Stauraum zur Verfügung. Große Menschen würden sich eine tiefere Position wünschen. Hier wird die Einbaulage des Akkus im Fahrzeugboden spürbar.

Das Cockpit orientiert sich vollständig um den Fahrer. Drei Displays sind um das Lenkrad versammelt. In der Mitte sind alle fahrrelevanten Informationen ablesbar. Der linke Monitor zeigt Informationen des Navigationssystems, der Smartphone-Integration via Apple CarPlay oder Android Auto (nur per Kabelverbindung in der Mittelkonsole nutzbar) oder das Radioprogramm an. Rechts kann man nähere Angaben zum Energiemanagement aufrufen, aber auch eine MG-Händlerliste oder personalisierte Informationen auf den Bildschirm konfigurieren. Die Touchscreen-Funktion auf beiden Seiten ist manchmal arg widerspenstig, da helfen beim Wechsel der Ansichten die dafür vorgesehenen Lenkrad-Tasten. Sie können aber nichts aber der suboptimalen Anordnung der Displays ändern. Der Lenkradkranz verdeckt jeweils etwa die Hälfte. Weiter unten in der Mittelkonsole gibt es einen weiteren Touchscreen. Hier lassen sich die Klimaautomatik und Fahreinstellungen bedienen. Genaues Hinsehen lohnt sich, denn vor allem bei offenem Verdeck ist die Anzeige arg verspiegelt. Große Kippschalter darunter schließen (und öffnen) die Scherentüren, außerdem lässt sich hier das Verdeck in rund zehn Sekunden und bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h öffnen und wieder schließen.

Da die hohe Sitzposition (siehe oben, also… im Text) unter dem Textildach für eine leichte Schräglage des Kopfes sorgt, und weil man es bei einem Roadster ohnehin machen sollte, legen wir das Dach hinter die Überrollbügel. So kann der MG Cyberster in den kommenden Tagen, an denen sich die Frühsommer 2025 seinen Weg durch das abziehende Tiefdruckgebiet bahnt, seinen ganzen Reiz entfalten.

375 kW (510 PS) im XPower

Das Cockpit versammelt vier Displays um den Fahrerplatz.

Zwei Varianten werden angeboten. Das Grundmodell folgt der klassischen Sportwagen-Lehre und bietet waschechten Heckantrieb. Das heißt: Motor und Antrieb stecken hinten. Der schwere NMC-Akku mit 77 kWh Speicherkapazität (davon netto nutzbar sind 74,4 kWh) sorgt für eine optimale Gewichtsverteilung von 50:50 (vorne:hinten). 250 kW (340 PS) leistet der Elektromotor, dessen Solo-Aufritt wir heute nur theoretisch abhandeln können.

Der Testwagen ist ein MG Cyberster XPower. Er bringt einen zusätzlichen Motor mit 150 kW (204 PS) an der Vorderachse mit. Die Systemleistung beträgt 375 kW (510 PS), das Drehmoment liegt bei üppigen 725 Newtonmetern. Nach Druck auf die „Super Sport“-Taste am Lenkrad liegen Kraft und Leistung vollumfänglich an. In 3,2 Sekunden schnalzt der über zwei Tonnen schwere Cyberster dann aus dem Stand auf 100 km/h. Wer glaubt, das liest sich dramatisch: Es fühlt sich noch wilder an. Im offenen Auto bist Du deinem Umfeld und den Elementen näher als unter einem Blechkleid. Es mag also ein Porsche Taycan, je nach Konfiguration, noch extremer davonstürmen – im offenen MG fühlt es sich direkter, roher an. Gleichzeitig bleibt alles wohl dosierbar. Auch ohne Rückmeldung von Getriebe und Abgasanlage (beides ist nicht vorhanden) wirst du schnell eins mit dem offenen Sportwagen.

Beim Fahrwerk verzichtet der MG Cyberster auf adaptive und einstellbare Dämpfer. Nötig hätte er sie nicht, denn trotz sauberer Rückmeldung vom Asphalt bietet der Roadster guten Federungs- und Dämpfer-Komfort, auch auf langen Strecken. Wenn die sich kurvig durch die Landschaft werfen, fällt die um die Mittellage etwas träge Lenkung auf. Erst nach der Viertel-Gedenk-Sekunden ändert sie direkt und willig die Richtung. Nichts, was eine Modellpflege nicht beheben könnte.

Verbrauch und Reichweite

Solist zwischen all den SUV und Limousinen: Ein offener Sportwagen am Schnelllader.

Leichte Windgeräusche kann sich der Chinese bei geschlossenem Verdeck nicht verkneifen, sie treten ab rund 100 km/h auf. Trotzdem zeigt der Cyberster auch Autobahnkompetenz. Trotz des Zirpens über den Seitenfenstern kann man sich bei hohem Tempo noch entspannt unterhalten oder Musik hören. 200 km/h ist die Höchstgeschwindigkeit des XPower-Modells, bei Vollstrom stehen bis zu 213 km/h auf der großen Digitalanzeige. Dabei flattert weder die Motorhaube im Fahrtwind noch das Lenkrad in den Händen. Der Geradeauslauf ist auch bei Top Speed sehr gut, das Auto ruht in sich.

Der Stromverbrauch steigt dann, wenig überraschend, stark an. Im Roadster-typischen Kurvengewusel über Landstraßen mit der ein oder anderen Beschleunigungsorgie, aber auch mit entspannter Offenfahrt über die städtischen Ein- und Ausfallstraßen (man muss ja irgendwie rauskommen zum Wochenendausflug) pendelt sich der Verbrauch im Testzeitraum bei 21 kWh je 100 Kilometern ein, damit liegt er nur knapp über dem WLTP-Normwert von 19,1 kWh / 100 km. Die Prüfstand-Reichweite von 443 Kilometern mit einer Akkuladung ist also nicht nur Theorie, auch im Alltag dürfte man über 400 Kilometer schaffen. Geladen wird dann an der heimischen Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule mit 11 kW (dreiphasig) oder mit bis zu 144 kW über den CCS-Anschluss am Hyper Charger. Nach rund einer halben Stunde ist der Stromspeicher wieder auf 80 Prozent seines Elektronenvolumens gefüllt – nicht nur im Datenblatt, sondern auch im echten Leben.

Preise ab 64.990 Euro

Diamond Red ist eine der optionalen Metallic-Lackierungen.

Die Entscheidung für einen zweisitzigen Sportwagen dürfte in den seltensten Fällen auch rein rationalen Gründen getroffen werden. Meist sind schon andere Fahrzeuge im Haushalt vorhanden, die Kundschaft dürfte also nicht jeden Euro zweimal umdrehen müssen. Trotzdem darf man sich über verhältnismäßig günstige Angebote freuen.

Ab 64.990 Euro wird der MG Cyberster angeboten. Damit liegt er deutlich unter anderen offenen Sportwagen in einer ähnlichen Leistungs-Liga, die mit Verbrennungsmotor gerne um 150.000 Euro kosten. Der Cyberster XPower kostet 69.990 Euro. Die hier gezeigte Fabre in „Diamond Red“ kommt mit 1.000 Euro extra dazu, ein leuchtendes Uni-Gelb ist Serie. Wie bei den braveren Autos der Modellpalette gibt MG auch dem Cyberster eine Neuwagengarantie über sieben Jahre bis zu einer Laufleistung von 150.000 Kilometern mit auf den Weg.

Fazit

Erfrischend: Ausflüge mit dem fast lautlosen Elektro-Roadster machen großen Spaß.

Während die Idee eines Spaßautos für das Elektro-Zeitalter bei vielen anderen Herstellern über den Status einer Studie nicht hinauskommt, hat die chinesiche Marke MG Fakten geschaffen. Der Cyberster ist ein kompetenter Roadster, bei dem die Nutzung eines Baukastens, bis auf die hohe Sitzposition, keine Kompromisse einfordert. Kraft und Leistung sind im Überfluss vorhanden. Die Stille der Fortbewegung schafft neue Reize beim Offenfahren, die man nicht mehr missen möchte. Ganz klar: Der MG Cyberster ist ein vielversprechender Anwärter bei der imaginären Wahl zum Auto-Highlight des Jahres.

Technische Daten
MG Cbyerster XPower

Antriebsart
Elektro
Antrieb
Allradantrieb
Getriebe
Eingang-Reduktionsgetriebe
Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW
150 kW (204 PS)
Elektromotor vorn: Nennleistung KW
75 kW (102 PS)
Elektromotor vorn: Maximales Drehmoment
250 Nm
Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW
250 kw (340 PS)
Elektromotor hinten: Nennleistung KW
160 kW (218 PS)
Elektromotor hinten: Maximales Drehmoment
475 Nm
Systemleistung: kW / PS
375 kW (510 PS), 725 Nm
Batterie
77 kWh brutto (74,4 kWh netto)
Batterie: Typ
NMC (Nickel-Mangan-Kobalt)
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC)
144 kW
Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test
140 kW
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC)
11 kW (dreiphasig)
Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test
11 kW
Beschleunigung 0-100 km/h
3,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit
200 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km
19,1 kWh
Reichweite nach Norm
443 km
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km
21,0 kWh
Reichweite im Alltag
ca 400 km
Kofferraumvolumen
249 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens
245/40 R20 vorne // 275/35 R20 hinten
Leergewicht
2.060 kg
Länge / Breite / Höhe
4.535 / 1.913 / 1.329 mm
Basispreis Baureihe
64.990 Euro
Basispreis Modellvariante
69.990 Euro
Testwagenpreis
70.990 Euro
Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad