Im Alltagstest überzeugen die praktischen Vorzüge des Vans Seat Alhambra.
Spätestens mit Kindern im Haushalt spielt der Wunschzettel wieder eine Rolle. Man(n) lernt nämlich, dass der nicht nur zu Weihnachten dringend abgeschickt werden muss. Sondern auch vor Ostern und im regelmäßigen Abstand zur Zahnfee. Anlass genug, sich mal über den eigenen automobilen Wunschzettel Gedanken zu machen. Zeitgemäß steht da zum Beispiel eine hohe Sitzposition drauf. Viel Platz für Familie, Hobbies, Möbelmarkt und Bauhof. Allradantrieb mit Anhängerkupplung für Wohnwagen und Co. Dazu ein hohes Drehmoment.
Der Alhambra im Video-Review
Wer hat jetzt vor dem inneren Auge ein SUV gezeichnet? Wohl alle, denen nicht das Wort „Multivan“ durch den Kopf geschossen ist. Beides funktioniert mit Kompromissen. Der SUV ist oft zu eng, wenn es doch mal auf eine optionale Siebensitzigkeit ankommt, Multivan oder Mercedes V-Klasse sind, vor allem auf innerstädtischen Supermarktparkplätzen, dann doch arg sperrig.
Wenn also nicht mal die Zahnfee weiterhelfen kann, dann immerhin noch freundliche Verkaufsberater von Ford, VW und Seat. Die bieten nämlich mit Galaxy/S-Max, Sharan und Alhambra die letzten Überlebenden des einst bestaunten Segments der großen Vans an. Die baugleichen Brüder von VW und Seat haben den Ford-Geschwistern den Vorteil der hinteren Schiebetüren voraus.
Seit dem Jahr 2010 werden VW Sharan und Seat Alhambra in der aktuellen Generation in Portugal gebaut. Trotz des hohen Alters sind aktuell keine Nachfolger geplant, ein Ende der Produktion scheint absehbar. Zurecht? Spoiler-Alarm: Nein! Das beweist der Seat Alhambra, der zum Alltagstest antrat.
Unter den fahrenden Wohnzimmern kommt der Testwagen als All-Inclusive-Version. Die sportliche FR-Line mit 18-Zoll-Leichtmetallfelgen und speziellem Kühlergrilldesign steht dem Van ebenso gut wie die aufpreispflichtige Lackierung in „White Silber“. Der Farbmantel hat auch einen praktischen Vorteil, er erweist sich nämlich nach der zwangsläufigen Berieselung mit Blütenstaub und Pollen, Regentropfen und Straßenschlodder als überraschend unempfindlich gegen Schmutz.
Der 2.0 TDI mit 177 PS lädt nämlich lieber zum Reisen ein, also zur Warteschlange vor der Waschanlage. 380 Newtonmeter maximales Drehmoment sorgen stets für guten Durchzug. Am kleinen Turboloch merkt man aber, dass es sich nicht um den neuesten Diesel des Konzerns handelt. Im Allradmodell, bei Seat 4Drive genannt, ist ein 7-Gang-DSG für die passenden Übersetzungen zuständig. Die Variante mit Vorderradantrieb hat, ebenso wie die 150 PS-Alhambras als Benziner und Diesel, sechs Vorwärtsgänge.
2.400 kg Anhängelast
9,1 Sekunden nennt das Datenblatt für den Sturm auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit mit 208 km/h. Greifbarer als die nackten Zahlen ist die Eile, die man mit dem Alhambra bei Bedarf an den Tag legen kann. Auch aus einem Autobahn-Reisetempo um 130 km/h heraus zieht er bei Überholvorgängen druckvoll nach vorne, hinterlässt auch nach Ortsausfahrten oder bergauf keinen untermotorisierten Eindruck.
Hinter der weit vom Fahrer entfernten, großen Windschutzscheibe wähnt man als Zugführer eines ICE, der Wagon mit dem Bordrestaurant hängt bei Bedarf hintendran: Maximal 2400 Kilogramm Anhängelast sind möglich.
Im Triebwagen bietet der Seat Alhambra als Siebensitzer (optional) den unbestreitbaren Vorteil von fünf je gleich großen Sitzen im Fond mit Isofix-Verankerungen. Außerdem lässt sich der Nachwuchs durch die großen, gegen Aufpreis elektrisch betätigten, Schiebetüren ohne Verrenkungen anschnallen. Sehr clever sind die integrierten Kindersitze in der ersten Fond-Reihe mit speziellen Kopfstützen. Somit entfällt das ständige Herumräumen von Kindersitzen zwischen Erst- und Zweitwagen.
Die Kehrseite der drei Einzelsitze: Größere Jugendliche oder Erwachsene sitzen, vor allem auf den äußeren Plätzen, recht beengt und zu nah an der Türverkleidung. Mit wenigen Handgriffen lässt sich das Mobiliar im Fond teilweise oder ganz in den oben falten und klappen, dann stehen bis zu 2.297 Liter für Gepäck und sonstige Ladung zur Verfügung.
Große, steil stehende Fenster und dünne Dachpfosten rundum sorgen für eine gute Rundumsicht., das optionale Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern auf Knopfdruck für sänftenartigen Komfort. Beim Blick auf die Navigationskarte muss man die Augen aber dann doch zusammenkneifen. Hier merkt man das Alter des Seat Alhambra.
Während die neueren MQB-Modelle immer online und voll digital sind, sorgt im Seat Alhambra weiterhin das einst bei VW als „RNS 510“ bekannte Infotainmentsystem mit 6,5 Zoll Bildschirmdiagonale für Unterhaltung und Information. Der Bauraum im Cockpit sieht keinen größeren Monitor vor. Immerhin haben die Entwickler Full Link für Apple CarPlay und Android Auto integriert.
Auch die Fahrassistenten wurden 2019 aufgefrischt. Eine Verkehrszeichenerkennung (auf Basis von Navigationsdaten) ist serienmäßig, ebenso Funktionen zum Halten der Fahrspur und zur Überwachung des toten Winkels. Gegen Aufpreis hält der Seat Alhambra jetzt mit der adaptiven Geschwindigkeitsregelanlage (ACC) bis 210 km/h auch den Abstand zum Vordermann.
Zurück in die 10-er Jahre gelangt man dann wieder mit dem Lichtkegel der Bi-Xenon-Scheinwerfer, deren Tagfahrlicht auf Halogen setzt. LED-Licht ist nicht lieferbar, ebenso wenig eine ergonomische Einfüllmöglichkeit für AdBlue hinter dem Tankdeckel. Die Harnstofflösung für den SCR-Katalysator muss im (aber nicht in den!) Kofferraum nachgekippt werden.
Immerhin erfüllt der Diesel damit die Abgasnorm Euro 6d-Temp. Acht Liter Sprit genehmigte sich der Seat Alhambra 2.0 TDI 4Drive im Testalltag. Angesichts der Größe und Variabilität des Autos mit Allradantrieb ein fairer Wert. Auf dem Niveau modernerer Diesel-SUV und unter dem eines Großraumvans.
Fazit zum Seat Alhambra
Auch wenn man als Erwachsener nicht mehr an Weihnachtsmann oder Christkind glaubt, die Zahnfee hoffentlich nicht mehr vorbeischauen muss und der Osterhase nur noch Legende ist – so ein Seat Alhambra gehört zurecht auf einen Wunschzettel. Mit viel Platz trotz alltagstauglichem Format, ausreichend Kraft und modernen Optionen behauptet er sich tapfer gegen die SUV-Welle.
Mit Preisen ab 35.670 Euro ist er zwar günstiger als VW Bus und Co., liegt aber doch fast 5.000 Euro über dem SUV Seat Tarraco. So „günstig“ ist der Testwagen übrigens nicht. Mit dem starken Diesel, Allradantrieb und fast allen Optionen der langen Liste kostet er über 61.000 Euro.
Vielleicht passt noch „Geldregen“ auf den Wunschzettel…
Technische Daten
Seat Alhambra 2.0 TDI 4Drive FR-Line |
|
---|---|
Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
Hubraum | 1.968 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 120 kW / 177 PS bei 3.500 - 4.000 U/min |
Max. Drehmoment | 380 Nm bei 1.750 - 2500 U/min |
Getriebe | Siebengang-Doppelkupplung |
Beschleuningung 0-100 km/h | 9,1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 208 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 7,6 Liter (WLTP) |
Verbrauch real auf 100km | 8,0 Liter |
Leergewicht | 1.915 kg |
Anhängelast (gebremst) | 2.400 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.854 / 1.904 / 1.740 mm |
Grundpreis | 48.465 Euro |
Testwagenpreis | 61.389 Euro |