Nach dem Stromstoß am Defibrillator lebt der Seat Mii als Elektroauto weiter. Eine Probefahrt.
Warum in die Ferne schweifen, wenn auch das Offensichtliche so nah liegt? Nicht der x-te Elektro-SUV wird die Zulassungszahlen für E-Autos befeuern, die für die CO2-Flottenverbräuche der Hersteller ab 2020 so wichtig sind. Bezahlbare Autos fehlen. Modelle, die dem Kerngedanken einer lokal emissionsfreien Mobilität entsprechen, für den Kurz- und Mittelstreckenverkehr konzipiert wurden.
Das zweite Leben des Mii
Der Renault Zoe macht seit Jahren erfolgreich vor, was Start-up wie E.Go und Sono Motors versuchen. Die Chance für letztgenannte, zu scheitern, steigen mit der Wiedergeburt des Dreigespanns aus Seat Mii, Skoda Citigo und VW Up. Der Volkswagen-Konzern hielt sich nicht allzu lange mit der Frage auf, wie man die mittlerweile acht Jahre Kleinwagenkonstruktion für kommende Umweltstandards fit macht. Die Lösung lag nahe: Verbrenner raus, Elektroantrieb rein. Statt "die können weg" bekommen die 3,55 langen Fünftürer also ein zweites Leben geschenkt.
Einen VW e-Up gab es schon länger, mit überschaubarem Erfolg. Nach den Fortschritten in der Batterietechnologie und dem Package der Zellen. Statt einst 18,7 sind jetzt 32,3 kWh netto bzw. 36,8 kWh brutto nutzbar, was für eine Reichweite von 260 Kilometern nach WLTP-Norm genügen soll. Reicht das, um Kunden zu überzeugen.
Video-Review zum Seat Mii Electric
Für eine erste Ausfahrt stand der günstigste der Drillinge in Form des „neuen“ Seat Mii Electric bereit. Optisch hat sich am kleinen Spanier, der wie seine Brüder im slowakischen Bratislava gebaut wird, nichts getan. Neue Schriftzüge an den Flanken und am Heck genügen, dazu wurden neue Farbeimer in die Lackiererei gestellt und das Cockpit mit einer anderen Dekorfolie bezogen. Das bedeutet auch, dass sich Ergonomie und Komforteinstellungen eher an jungen Gebrauchtwagen orientieren.
Innen nicht mehr taufrisch
Das Lenkrad lässt sich nur in der Höhe verstellen, eine induktive Ladeschale für das Smartphone fehlt. Das gilt auch für einen Touchscreen, für den im flach bauenden Cockpit schlicht kein Platz wäre. Wie bisher besorgt das Smartphone des Fahrers in einer Halterung auf dem Armaturenbrett die Wünsche nach Connectivity. Das gilt auch für das erste Modell mit Seat Connect. Die entsprechende App zeigt die Parkposition und den Batteriefüllstand im Auto, der Ladevorgang lässt sich aus der Ferne starten oder für eine spätere Zeit managen. Auch kann ein Navigationsziel zu Hause eingegeben werden, bei Bedarf auch mit der ersten und letzten Meile zu Fuß.
So fährt sich der Seat Mii Electric
Wie fährt er sich denn nun, der elektrische Seat Mii? Überraschend unspektakulär. So, als ob nie etwas anderes gewesen wäre. Und das ist durchaus positiv gemeint. Der flüsterleise Elektroantrieb passt gut zum wuseligen Kleinwagen, die Akkupakete im Fahrzeugboden sorgen für einen tiefen Schwerpunkt und damit für brauchbares…nennen wir es mal Handling.
Fahrwerks- oder Abrollgeräusche bleiben weitgehend abwesend. Entweder war der Mii (und damit der Citigo und Up) schon vorher so gut gedämmt, oder die Ingenieure haben für das zweite Leben der Baureihe als Elektroauto gehörig viel Arbeit in die Geräuschdämmung gesteckt.
Wenn die Ampel auf Grün schaltet, pest der elektrische Seat Mii fidel davon, die Werksangaben versprechen 3,9 Sekunden für die Beschleunigung von null auf 50 und 12,3 Sekunden auf 100 km/h. Der Punsch größerer Elektroautos fehlt, die 212 Nm Drehmoment des Antriebs sammeln sich ganz kurz, bevor sie über das Eingang-Reduktionsgetriebe herfallen. In vier Stufen lässt sich die Energie beim Fahren rekuperieren. Das erledigt eine Kombination aus Zug- und Seitwärtsbewegungen des Wählhebels. Paddels am Lenkrad wären feiner, sind aber nicht zu haben.
Neben dem Normalprogramm stehen mit Eco und Eco+ zwei weitere Fahrmodi zur Verfügung. Eco+ schränkt das Temperament des Mii Electric spürbar ein, dafür steigt die Reichweite auch um 30 Kilometer. Zumindest der Bordcomputer verspricht bei vollem Akku über 290 Kilometer, bevor der Akku leergesaugt ist. Beim Fahrtest im Verkehr der spanischen Hauptstadt Madrid verbrauchte der Seat laut Bordcomputer um 14 kWh auf 100 Kilometer und blieb damit unter dem WLTP-Wert von 14,9 kWh. Im Stadtverkehr wird mehr rekuperiert und damit der Verbrauch gesenkt, laut Hersteller soll die Reichweite in diesem Umfeld auf maximal 358 Kilometer gesteigert werden
Die Ladezeiten
Wie lange muss man den Seat Mii Electric dann laden? Ein 7,2 kwW Onboard-Lader mit Kabel für Wallboxen und Ladesäulen ist Serie, ein CCS-Anschluss mit entsprechendem Kabel und 40 kW maximaler Ladeleistung kostet 600 Euro Aufpreis. Das dürften potenzielle Kunden verschmerzen. Schade ist es vielmehr, dass ein Ladekabel für die heimische Steckdose 175 Euro Aufpreis kostet. Da lädt der Mii zwar 13 Stunden und mehr vor sich hin, was wenig fahrenden Privatkunden aber völlig ausreichen dürfte. An der Wallbox soll die Batterie in knapp vier Stunden zu 80 Prozent geladen, am Schnelllader mit CCS in einer Stunde.
Fazit zum Seat Mii Electric
20.650 Euro kostet der Seat Mii Electric in der Basisausstattung, die getestete Plug-Variante mit 16-Zoll-Leichtmetallfelgen und weiterem optischen Zierrat steht mit 21.775 Euro in der Preisliste. Nach Abzug der Umweltprämie ist die Basis schon für 16.270 Euro zu haben, aktuelle Leasingangebote ermöglichen Raten ab 145 Euro im Monat.
Und plötzlich kommt das Elektroauto im Hier und Jetzt an. Als vollwertiger, ausgereifter Kleinwagen vom Händler um die Ecke. Mit anständiger Verarbeitung und für viele Kunden ausreichender Reichweite. Damit erfüllen Mii, Citigo und e-Up nicht nur Grundbedürfnisse. Viel besser aber: sie erfordern kaum Kompromisse. Wer pragmatisch denkt, greift dann auch nach dem Vergleich der unterschiedlichen Ausstattungen zum Seat Mii Electric. Denn er ist etwas günstiger als Skoda Citigo (ab 20.950 Euro) und VW e-Up (ab 21.775 Euro).
Kann das also weg? Mitnichten!
Technische Daten
Seat Mii Electric Plus |
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Elektromotor: Maximale Leistung kW | 61 kW (83 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 212 Nm |
Batterie | 36,8 (32,3 netto) kWh Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 12,3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 130 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 12,9 (NEFZ) / 14,9 kWh (WLTP) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental EcoContact 185/50 R16 |
Leergewicht | 1.235 kg |
Länge / Breite / Höhe | 3.556 / 1.645 / 1.481 mm |
Grundpreis | 21.775 Euro |
Testwagenpreis | 22.330 Euro |