Groß und selten: der SsangYong Rexton im Alltagstest
Dass Menschen um ein geparktes Auto herum laufen, es an der Ampel länger ansehen oder beim Tankstopp auch mal Fragen fragen, gehört zum Testeralltag fast schon dazu und ist auch immer gerne gesehen. Schön, wenn Interesse besteht. Motiv eines Handyfotos im Straßenverkehr zu werden, ist dem Autor dieser Zeilen aber erst einmal zuvor passiert, auf Tour mit einem noch getarnten Prototyp des VW Touareg. Und jetzt wieder. Das Objekt in der Linse eines iPhones, das aus dem Fenster eines VW Caddy gehalten wird: der SsangYong Rexton.
Selten ist er in der Tat. Die koreanische Marke verkauft mit ungefähr 2.500 Autos im Jahr so viele Einheiten in Deutschland wie VW vom Gold montags bis mittwochs. Neu ist er auch. Der SsangYong Rexton kam nach der Premiere auf der IAA 2017 zum Jahreswechsel 2017/2018 auf den Markt. Und schick ist er sogar. Nach diversen Designkapriolen hat SsangYong mit dem kleinen Tivoli und vor allem jetzt mit dem Rexton eine stimmige Formensprache gefunden. Klar und mit dem richtigen Einsatz verchromter Elemente an Front und Heck wirkt der neue Rexton, die massive D-Säule fällt auf – und mindert die Rundumsicht auch nicht mehr als in anderen modernen Autos.
Auch die schiere Größe des SsangYong Rexton fällt natürlich auf. 4,85 Meter Länge sind noch gutes Mittelklassemaß, die Breite von 1,96 Metern und die Höhe von knapp 1,83 Metern sorgen aber durchaus für Präsenz. Zudem ist die Motorhaube fast so hoch wie die Dachpartie manches Kompaktmodells. Die hochglanzpolierten 20-Zoll-Leichtmetallfelgen des Testwagens in der höchsten Ausstattungslinie namens Sapphire tragen zum gekonnten Auftritt bei.
Im Innenraum setzten sich die wohlwollenden Blicke fort. Die Ära der tristen Plastikwüsten wird mit moderner Cockpitarchitektur, großen Displays und einem optionalen Nappalederpaket abgelöst. Der zentrale Monitor misst 9,2 Zoll im Durchmesser. „Think Big“ ist auch hier die Devise. Wie beim Platzangebot. In beiden Sitzreihen gibt es viel Bewegungsraum, hinten passen auch lange Beine entspannt hinter die Sitzlehnen. Der Kofferraum des Fünfsitzers ist mehr eine Lagerhalle mit 785 Litern Volumen. Optional gibt es zwei weitere Sitze.
An heißen Tagen hat die Klimaautomatik des SsangYong Rexton sichtlich Mühe, den schier unendlichen Innenraum herunter zu kühlen. Mit dem Gebläse auf voller Geschwindigkeit zieht es auf den Plätzen in der ersten Reihe ständig und man muss per Hand nachregulieren. Auch die Sitzbelüftung wirkt schlapp.
Schade, zumal man beim Rexton in bestimmten Situationen nämlich ganz schön ins Schwitzen kommt. Es reicht ein beherztes Anfahren an der roten Ampel für einen Abbiegevorgang, um das Heck querkommen zu lassen. Natürlich greift das ESP stotternd ein, aber der Schreckmoment ist da und der Vortrieb dahin. Grundsätzlich ist der SsangYong Rexton nämlich mit Hinterradantrieb unterwegs. Der optionale Allradantrieb ist zuschaltbar, eine automatische Regelung findet leider nicht statt.
Im Straßenverkehr verzichtet man schnell auf die Einstellung für permanenten Allradantrieb. Der Rexton verspannt sich in diesem Modus merklich, Rangieren und Kurvenfahren wird umständlich. Außerdem raubt die angetriebene Vorderachse dem Motor gefühlt 30 PS.
Der 2,2 Liter große Turbodiesel produziert maximal 181 PS. Das geschieht mit guten Manieren, erst über 3.500 Umdrehungen pro Minute wird er vorlaut. Ein Bereich, in dem sich der Vierzylinder selten aufhält, denn sogleich schaltet die noch immer als Lizenz von Mercedes-Benz gebaute 7-Gang-Wandlerautomatik einen Gang nach oben.
Längere Autobahnetappen in höheren Geschwindigkeitsregionen (für das Protokoll: der Rexton erreicht maximal 185 km/h) will man sich dann eh nicht antun. Bis ungefähr Tempo 120 ist alles weitgehend prima, gefällt die gute Übersicht aus der ersten Etage und überrascht die vollständige Abstinenz von Windgeräuschen. Wenn man dann weiter beschleunigt, wird es unlustig. Aus dem Fahrwerk heraus – der Rexton mit Hinterradantrieb hat eine Starrachse hinten, die Allradversionen Einzelradaufhängung rundum – beginnt das ganze Auto zu vibrieren, bis in die Sitze und das Lenkrad hinein. Länger entspannt geradeaus zu fahren, gelingt so nicht. Bei stärkeren Bremsmanövern rubbeln zudem die Bremsen extrem, das Heck des Autos wird extrem leicht und nervös. Auch bei niedrigem Tempo spürt man das harte Überfahren von Querfugen und Unebenheiten, bis hin zum Erzittern der ganzen Karosserie.
Zum unausgewogenen Fahrwerk passt auch die ein oder andere weitere Schrulligkeit. Der Spurverlassenswarner, der ohne Lenkeingriff arbeitet, piept auch gerne mal munter, obwohl man den Blinker gesetzt hat. Die digitalen Geschwindigkeitsanzeigen im Kombiinstrument und dem von TomTom zugelieferten Navigationsgerät zeigen unterschiedliche Werte an, bei höheren Geschwindigkeiten eilt die SsangYong-eigene Anzeige um bis zu zwölf km/h voraus. Der Frontkollisionswarner ist hypernervös und mahnt teils ohne drohende Gefahr, zum Beispiel weil man selber fast steht. „Macht alles nicht“, denken sich vielleicht Spielkinder, die davor mit großer Freude die Töne von Blinker oder Einparkhilfe in verschiedenen Klangrichtungen und Lautstärken konfiguriert haben. So wie man früher einen halben Tag die Klingeltöne bei einem neuen Mobiltelefon ausprobiert hat.
Die Anzeigen selber gefallen mit glasklarer Auflösung und gut definierten Grafiken. Auch mit der Smartphone-Integration über Apple CarPlay und Android Auto zeigt sich der SsangYong Rexton auf der Höhe der Zeit.
Der SsangYong Rexton bietet also eine schöne Schale mit einem harten Kern. Der wird nicht jedem schmecken und ist zudem schwer verdaulich. Als einer der letzten ehrlichen Geländewagen mit Leiterrahmen empfiehlt er sich für Menschen, die damit wirklich durch Wälder und über unwegsames Gelände fahren. Da reicht dann eine niedrigere Ausstattungsvariante, damit man sich nicht die schicken 20-Zöller kaputt macht. Gegenüber dem einzigen wirklichen Mitbewerber (die letzten Mitsubishi Pajero Final Edition mal außen vor gelassen), dem Toyota Land Cruiser, spart der Kauf eines SsangYong Rexton je nach Ausstattungswunsch weit über 10.000 Euro.
Ein empfehlenswertes Reiseauto ist der SsangYong Rexton leider nicht. Noch nicht. Eine künftige Überarbeitung sollte es richten. Denn der Quantensprung, den das aktuelle Modell im Vergleich zum Vorgänger bei Optik, Haptik und Verarbeitung darstellt, darf durch die Hardware nicht verspielt werden. Und die Marke lernt schnell, daher stirbt die Hoffnung zuletzt. Vorher dürfte der SsangYong Rexton Diesel (Es gibt auch einen Benziner mit 225 PS) aber einen SCR-Katalysator zur Erfüllung der Abgasnorm Euro 6d-TEMP bekommen.
Der Alltag des Autotesters, der eingangs beschrieben wurde, führt bei vielen Fahrzeugwechseln zu einer gewissen Distanz zum Auto (ohne die eine objektive Beurteilung auch gar nicht möglich wäre). Beim SsangYong Rexton erlaube ich es mir aber, persönlich zu werden. Selten ist meine Erwartungshaltung so enttäuscht worden. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich bin sicher, Du bekommst Deine Macken in den Griff, lieber Rexton. Und dann komm´ wieder! Und es gibt einen neuen Artikel und ein weiteres Video.
Technische Daten
SsangYong Rexton E-XDI 220 4WD Sappihre |
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Hubraum | 2.157 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 133 kW / 181 PS bei 4.000 U/min |
Max. Drehmoment | 420 Nm bei 1.600 - 2.600 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Automatik |
Höchstgeschwindigkeit | 185 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 8,1 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,6 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Nexen N Priz 255/50 R20 |
Leergewicht | 2.180 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.850 / 1.960 / 1.825 mm |
Grundpreis | 43.690 Euro (mit Allrad und Automatik) |
Testwagenpreis | 49.190 Euro |