Im neuen Toyota Land Cruiser durch Marokko. Der Fahrbericht mit Video-Review.
„Wir haben alles bei der Erprobung so lange getestet, bis es kaputt ging. Dann haben wir uns die Komponenten angesehen, sie verbessert und weitergetestet.“ Das Wort dafür ist „Kowashkiri“. Kohai Nohara, Assistant Chief Engineer bei der Toyota Motor Corporation in Japan, ist davon überzeugt, dass der neue Land Cruiser unerschütterlich ist.
Video: Land Cruiser in Marokko
Wir haben die Möglichkeit, diesem Anspruch nachzuspüren. Die neue Generation des Offroaders, intern mit der Bezeichnung J250 einer von drei global angebotenen Land-Cruiser-Linien zugeordnet (es gibt noch J70 für Nutzfahrzeuge und J300 für mehr Luxus und Leistung), soll zeigen, dass sie nicht nur ein Schickimicki-SUV ist. Der Fahrtermin sieht mehr als Feldwege und nasse Ackerfurchen vor. Wir arbeiten uns in Marokko das Gebirge des "Mittleren Atlas" hinauf. Dorthin, wo das Verständnis einer Straße an Rillen im Steinboden endet und Esel als hauptsächliches Verkehrs- und Transportmittel gelten.
Groß, geräumig, voller Tatendrang
Im Tal ist das Auto noch sauber. Zeit, sich den neuen Toyota Land Cruiser genauer anzusehen. Der Fünftürer ist 4,93 Meter lang, 1,98 Meter breit und 1,94 Meter hoch. Mit geraden Linien verabschiedet sich das Design zum leicht barocken Zeichentrick des Vorgängers, wirkt entschlossener. Schon optisch sind Land Rover Defender und Mercedes G-Klasse als Mitbewerber auszumachen, dabei zeigt der Toyota dennoch eine eigenständige Linienführung. Nach der schnurstracks ausverkauften First Edition mit Rundscheinwerfern blickt der Japaner mit rechteckigen LED-Leuchten nach vorne, ausstattungsabhängig auch mit adaptiven Lichtfunktionen versehen. Auf ein am Heck angebrachtes Reserverad wird verzichtet (es steckt unter dem Heck am Fahrzeugboden). Diese Entscheidung erlaubt eine nach oben öffnende Heckklappe für den Zugang in den 1.000 bis 2.000 Liter großen Laderaum beim Fünfsitzer ohne bzw. mit umgeklappten Rücksitzlehnen. Mit der 7-Sitzer-Option schrumpfen diese Werte.
Auch als großer Mensch hat man in beiden Reihen viel Platz, in der TEC-Edition lassen sich auch die äußeren Sitzplätze im Fond beheizen und lüften. Das Cockpit hält mit zwei 12,3-Zoll-Displays auch zeitgeistigen Ansprüchen stand, koppelt Smartphones via Apple CarPlay oder Android Auto und bietet die nötige Stromversorgung auch über eine induktive Ladeschale.
Alle Bedienschritte, die man für das Fahren benötigt, lassen sich intuitiv über physische Regler und Tasten vollziehen. Vor allem für das Fahren abseits befestigter Straßen hält der neue Toyota Land Cruiser viele Leckereien vor.
Volle Offroad-Kompetenz
Der Geländewagen mit klassischem Leiterrahmen hat selbstredend permanenten Allradantrieb. Im Normaltzustand werden 40 Prozent der Kraft nach vorne und 60 Prozent an die Hinterachse geleitet. Die variable Steuerung erlaubt maximal 70 Prozent hinten oder bei Bedarf eine 50/50-Verteilung. Doppelquerlenker und Einzelradaufhängung vorne sollen auch für Komfort sorgen, hinten gibt es eine Starrachse mit Schraubenfedern. Ein Zentral-Differenzial gleicht die Drehzahlunterschiede zwischen den Achsen aus, beispielsweise bei Kurvenfahrten. Hydraulikzylinder und Stabilisatoren reduzieren die Seitenneigung.
Auf Landstraßen fährt sich der Toyota Land Cruiser in der Tat überraschend komfortabel. Nur auf welligem Untergrund sind Leiterrahmen-typische Karosseriebewegungen zu vernehmen. Ansonsten herrscht Ruhe, auch aufgrund einer sehr guten Geräuschdämmung.
Diesel jetzt, Mildhybrid später
Der, prinzipiell bekannte, 2,8-Liter-Dieselmotor mit vier Zylindern leistet 150 kW / 204 PS und bringt es auf ein maximales Drehmoment von 500 Newtonmetern. Das neue Automatikgetriebe hält jetzt acht statt bisher sechs Vorwärtsgänge vor. Im Lauf des Jahres 2025 wird der Selbstzünder von einem Mildhybrid-Modul unterstützt werden. Die sanfte Elektrifizierung soll dann den Norm-Verbrauch nach WLTP auf unter zehn Liter je 100 Kilometer bringen. Aktuell stehen 10,3 bis 10,7 Liter im Datenblatt des über 2,3 Tonnen schweren Allradlers.
Wir verlassen die Ausbaustrecke und wählen per Hebel auf der Mittelkonsole die Geländeuntersetzung (4L für „Low“). Zum Warm-Up geht es auf geführte Geländepassagen, dann türmen sich die marokkanischen Berge vor uns auf. Schnell wird die 360-Grad-Kamera ein guter Freund. Sie erlaubt eine scheinbar durchsichtige Motorhaube. Zusammen mit den beiden Seitensicht-Kameras kann man zentimetergenau an Felsvorsprüngen vorbeischleichen und übersieht große Steine vor und unter dem Auto nicht. Mit 21,5 Zentimetern Bodenfreiheit läuft der Land Cruiser aber selten Gefahr, irgendwo aufzusetzen.
Per „Crawl“-Funktion fährt der Offroader nicht nur per Bergabfahrhilfe mit konstanter Geschwindigkeit bergab, sondern lässt sich auch ohne Missverständnisse am Gaspedal bergauf drücken. In einer stoischen Gelassenheit krabbelt der Land Cruiser über Geröll, auch die Dunlop-All-Terrain-Reifen stecken mehr spitze Steine weg als man glaubt. Nichts knarzt oder klappert im Innenraum. Die Karosserie wirkt steif wie ein Stein. Das gilt auch bei maximaler Achsverschränkung. Der vordere Stabilisator lässt sich auf Knopfdruck entkoppeln, damit verlieren wir auch bei maximal unebenen Stellen nicht den Bodenkontakt. Die Steuerungssoftware des Allradantriebs kann damit die Kraft perfekt verteilen. Die unterschiedlichen Offroad-Programme müssen nicht probiert werden. Die „Auto“-Stellung kümmert sich auf diesem Trip und das Vorankommen.
Welten-Wanderer
Die lokale Baumgrenze liegt weit hinter uns. Stabile Haltegriffe freuen den Beifahrer, beide Insassen klagen dank gut gepolsterter Mittelkonsole auch nach einer Stunde Dauergewackel nicht über Schmerzen am Knie. In zweieinhalb Stunden legen wir rund 95 Kilometer zurück, klettern dabei immerhin bis auf eine Höhe von mehr als 2.200 Meter über dem Meeresspiegel.
Hier oben ist die Welt eine andere. Vor der zartrosa angestrichenen Schule sind einige Esel angebunden. Fahrräder gibt es hier keine. Als wir mit dem „Sand Metallic“ lackierten Land Cruiser vorbeikommen, wirken wir auf die Kinder mutmaßlich wie Wesen aus einer anderen Welt. Freundlich winkend verabschiedet der Nachwuchs uns wieder. Wir halten mehrmals inmitten von Schafherden oder vor bellenden Hunden.
Nachmittags sieht das Auto aus, als ob die eigentlich schwarzen Stoßfänger, Radläufe und Schweller in Wagenfarbe lackiert worden wären, ebenso Felgen nebst Bereifung. Ein leichter Sandteppich legt sich auf das Cockpit. Der Funktionalität im Toyota Land Cruiser tut all das keinen Abbruch, lediglich die elektrischen Fensterheber sollten wir jetzt lieber nicht allzu oft bedienen. Irgendwann sind wir wieder im Tal, Schotter und Matsch werden von Asphalt abgelöst. Die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage, eingestellt auf das in Marokko erlaubte Landstraßentempo von 90 km/h, arbeitet zuverlässig und bremst auch vor Kurven sanft ab.
Zeit, einen Blick auf den Bordcomputer zu werden. Das gestaltet sich etwas kompliziert. Wie in anderen Toyotas auch empfiehlt es sich, für die zielsichere Konfiguration der digitalen Instrumente Zeit für eine Trockenübung vor dem Losfahren einzulegen. 14,4 Liter Diesel haben wir, über den Tag verteilt, je 100 Kilometer verbraucht. Angesichts der vielen Stunden im harten Offroad-Einsatz hätten wir mit einem deutlich höheren Wert gerechnet. Die Bandbreite zeigt sich am nächsten Tag. Im Flachlandverehr mit Landstraßen und einigen Ortsdurchfahrten sinkt der Wert – laut Bordcomputer – auf 6,8 Liter je 100 Kilometer.
Man wäre versucht, jetzt einen Alltagstest zur Langzeit-Verbrauchsmessung in Aussicht zu stellen. Nur: Was ist Alltag für den Toyota Land Cruiser? Für den Pendelverkehr zwischen Kita, Supermarkt und Arbeitsstelle ist der große Geländewagen ganz klar überqualifiziert. Wer öfter seine Pferde, einen großen Wohnwagen oder ein Boot von A nach B bringt, freut sich über 3,5 Tonnen Anhängelast und die hohe Stützlast von 120 Kilogramm. Einsatzzwecke wie diese wären ein Argument für die Nutzung des Land Cruiser. Sonst ist er vor allem für Menschen gedacht, die auf Baustellen, in der Waldwirtschaft oder sonstigen Berufen die Allradkompetenz regelmäßig auslosten. Nicht umsonst wurden seit Anfang der 1950er Jahre über 10 Millionen Land Cruiser weltweit verkauft, vor allem auch in Regionen die dem Mittleren Osten und in Afrika.
Preise und Mitbewerber
Nach dem Auslaufen der teuren First Edition, die in 17 Minuten ausverkauft war, bietet Toyota den Land Cruiser in vier verschiedenen Ausstattungslinien zu üppigen Preisen ab 67.990 Euro an. Zum Vergleich: Der Land Rover Defender 110 (Fünftürer mit längerer Karosserie) startet mit 200 PS starkem Mildhybrid-Diesel in der Basis bei 69.700 Euro. Deutlich teurer ist die Mercedes-Benz G-Klasse. Sie startet als G450d mit 270 kW / 367 PS zuzüglich Mildhybrid-Boost bei üppigen 122.808 Euro.
Unser Toyota-Testwagen stellt in der TEC-Edition das aktuelle Topmodell im Portfolio des Land Cruiser dar. Sie bringt den oben erwähnten entkoppelbaren Stabilisator an der Vorderachse mit, ebenso 20-Zoll-Räder, Lederbezüge im Innenraum, Head-up-Display und ein JBL-Soundsystem mit 14 Lautsprechern. Der Listenpreis: 86.490 Euro, zuzüglich 990 Euro für die optionale Lackfarbe. Das einzige weitere Werks-Extra, neben einer langen Liste brauchbarer Zubehör-Produkte, ist die dritte Sitzreihe für 1.800 Euro.
Für den hohen Betrag bekommt man ein Auto, dass scheinbar alles kann. „Nichts ist unmöglich“ also? Nach unserer Tour durch das Atlas-Gebirge traut man dem Land Cruiser beinahe zu, auch zum Mond fliegen zu können. Bei der Wattiefe findet er jedoch im Land Rover Defender seinen Meister. Der Brite kann 90 Zentimeter tiefe Flüsse durchfahren, der Toyota schafft maximal 70 Zentimeter tiefes Nass.
Fazit
Einigen Quellen zufolge nutzen wir im täglichen Leben nur einen Bruchteil der menschlichen Gehirn-Kapazität. Ähnlich dürfte es sich auch mit dem neuen Toyota Land Cruiser verhalten, zumindest in unseren Breitengraden.
Auf unserer Kletter-Tour zeigt der Japaner, was er alles kann. Spätestens nach einer solchen Erfahrung wird deutlich, wird das Qualitäts-Verständnis der Marke Toyota klar. Die solide Bauweise und die zuverlässige Technik zählen (nicht nur im Gelände) mehr als eine scheinbar hochwertige Innenraum-Dekorwelt. Die schiere Größe und das hohe Gewicht stören im Gebirge weniger als im Stadtverkehr. Dafür hält die Marke ja auch andere Modelle bereit…
Technische Daten
Toyota Land Cruiser TEC-Edition |
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Antriebsart | Diesel |
Antrieb | permanenter Allradantrieb |
Abgasnorm | Euro 6 AM |
Hubraum | 2.755 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 150 kW / 204 PS bei 3.000 U/min |
Max. Drehmoment | 500 Nm bei 1.600 - 2.800 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Tankinhalt | 80 Liter |
Höchstgeschwindigkeit | 175 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 10,3 - 10,7 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 14,4 Liter (mit Offroad) / 6,8 Liter (Landstraße, max. 90 km/h) |
Kofferraumvolumen | 1.000 -2.000 Liter (Fünfsitzer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Dunlop Grandtrek AT30S 265/60 R20 |
Leergewicht | 2.550 kg |
Anhängelast (gebremst) | 3.500 kg |
Stützlast | 120 kg |
Dachlast | 80 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.925 / 1.980 / 1.935 mm |
Basispreis Baureihe | 67.990 Euro |
Basispreis Modellvariante | 86.490 Euro |
Testwagenpreis | 87.480 Euro |