Der neue Volvo EX30 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Es ist ein einfaches Rezept, das schmecken soll – Konzern und Kunden gleichermaßen. Kompakte SUV und Crossover sind auf aller Welt gefragt. Nur logisch, dass der chinesische Geely-Konzern neue Elektroautos auf Basis der SEA-Plattform (Sustainable Experience Architektur, nachhaltige Erlebnis-Architektur) in diesem Segment platziert.
Der Volvo EX30 im Video
Die hohe Nachfrage wird von mehreren Marken im Verbund bedient. Das steigert die Produktions- und Verkaufszahlen, Skaleneffekte bringen die Produktionskosten nach unten. Das kann für hohe Margen und scharf kalkulierte Preise sorgen.
Nach dem #1 des Geely-Mercedes-Joint-Ventures Smart und dem Zeekr X rollt jetzt der Volvo EX30 heran. Die schwedische Marke gehört seit vielen Jahren zum wachsenden Geely-Konzern. In den letzten Jahren stellten der XC40 nebst Coupé-Ableger C40 den Einstieg ins Modellprogramm dar. Beide sind auch – der C40 gar ausschließlich – als vollelektrische Recharge-Modelle verfügbar. Über ein Fünftel aller Volvo-Verkäufe in Deutschland entfielen bisher auf diese beiden Elektroautos.
Klassisch, aber frisch
In Zukunft dürfte der E-Anteil weiter steigen, dafür kann der EX30 sorgen. Auf einen Namenszusatz verzichtet der neue kleine Volvo – es gibt ihn ausschließlich mit Elektroantrieb. 4,23 Meter lang ist die Karosserie des Fünftürers, der mit seinem reduzierten Design sofort als Volvo erkennbar ist. Mit den geteilten Rückleuchten, von denen Teile neben der Heckscheibe platziert sind und der betont geschlossenen Front konnten die Gestalter trotz dem Verzicht auf Schnörkel und überflüssigen Zierrat interessante Akzente setzen. Der kecke Schwung der vorderen Haube über dem Radhaus wirkt in diesem Umfeld schon beinahe verwegen.
Die Reduktion als Zielgröße zieht sich beim Volvo EX30 durch das ganze Konzept. Die Karosserie besteht zum Teil aus Recyling-Stahl und auch im lederfreien Innenraum wird Material wiederverwendet.
Der „Cloud Blue“ lackierte EX30-Testwagen zeigt das aufpreispflichtige Interieur mit dem Namen „Breeze“. Dessen Dekorleisten bestehen aus geschredderten und neu verarbeiteten Fensterrahmen. Das klingt interessant, wirkt aber etwas gewöhnungsbedürftig. Manchen Betrachter erinnert das Ambiente an Linienbusse (bis auf die fehlenden Haltegriffe) oder öffentliche Wartebereiche. Der Autor dieser Zeilen würde zum serienmäßigen „Indigo“-Innenraum greifen. Er verbindet dunkle Sitzbezüge mit blauen Dekorleisten, die auch eine interessante Geschichte erzählen können. Sie bestehen aus Denim-Fasern, die bei der Produktion von Jeans anfallen und dort nicht weiterverwendet werden können.
Google Inside
Genug der Materialkunde, kümmern wir uns lieber um das, was fehlt. Anzeigen vor dem Fahrer beispielsweise. In Tesla-Manier versammelt der Volvo EX30 alle Informationen und Bedienelemente auf einem zentralen Display mit Touchscreen-Funktion. Der 12,3 Zoll große Monitor steht aufrecht in der Mittelkonsole. Das obere Viertel zeigt Geschwindigkeit, Fahrassistenz und Ladestand an, unten gibt es feststehende Icons für Menüs und Klima. Dazwischen kann man Navigation, Telefon und Musikprogramm steuern.
Volvo nutzt Googles Betriebssystem Android Automotive. Die Routenführung Google Maps arbeitet, sofern man online ist, mit Schwarmdaten für Echtzeit-Verkehrsführung. Der Google Assistant übernimmt die Rolle der Sprachbedienung. Außerdem erlaubt der Play Store den Download von Apps, darunter auch Musik-Streamingdienste wie Spotify. Trotz aller Google-Konzentration haben Nutzer eines iPhones nicht da nachsehen: CarPlay ist sogar ohne Kabelverbindung nutzbar.
Vor dem – unten und oben -abgeflachten Lenkrad mit berührungssensitiven Feldern anstelle von Knöpfen blickt man auf das fache Armaturenbrett. Es gibt weder eine kleine Anzeige für die fahrrelevanten Informationen noch die Möglichkeit, ein Head-up-Display zu ordern. Stattdessen platzierten die Innenraumgestalter die breite Soundbar des Harman/Kardon-Soundsystems mit 1040 Watt Leistung (serienmäßig ab der zweiten Ausstattungslinie Plus) unter der Windschutzscheibe.
Schöne Grüße aus Wolfsburg
In der Mittelkonsole gibt es, oberhalb der ausziehbaren Becherhalter, zwei Schalter für die Fensterheber. Zur Bedienung der hinteren Pendants muss erst auf „Rear“ umgeschaltet werden. VW hat für diese Lösung in den ID-Modellen von Kunden und Medien viel Schelte einstecken müssen. Fondpassagiere mit Frischluftbedarf finden die Tasten an der Rückseite der Mittelkonsole. Volvo sagt, mit dieser zentralen Anordnung für beide Reihen konnten eine Menge Kabel gespart werden, was nachhaltiger ist. Gleichzeitig dürften sich die Kostenkalkulatoren freuen.
Auch ein Startknopf fehlt, das kennt man von vielen modernen Elektroautos. Rein und losfahren? Noch nicht. Unser Vorserienexemplar bittet um die RFID-Karte an der B-Säule. Dann muss die Karte in die induktive Smartphone-Ladeschale gelegt werden. Erst dann kann man über den Wählhebel an der Lenksäule die Fahrstufe einlegen und die Karte entfernen, um ein Telefon mit Strom zu versorgen. Künftige EX30-Eigner sollen den digitalen Schlüssel auf dem Smartphone nutzen können, der das Auto automatisch entriegelt und den Motorstart freigibt.
Wir sind mit dem Volvo EX30 Single Motor Extended Range unterwegs, mutmaßlich die Variante mit dem höchsten Verkaufsanteil. An der Hinterachse treibt ein 200 kW (272 PS) starker PSM-Motor (Permanenterregter Synchronmotor) die Räder an, entwickelt dabei ein Drehmoment von 343 Newtonmeter. Darüber rangiert das Twin-Motor-Modell mit Allradantrieb und einer kombinierten Zwei-Motoren-Leistung von 315 kW (428 PS).
Der Akku hat eine Speicherkapazität von 69 kWh, von denen 64 kWh netto nutzbar sind (im Basismodell sind es 51 / 49 kWh). Volvo gibt, auf Basis des WLTP-Normverbrauchs von 15,7 kWh Strom je 100 Kilometer, für die Antriebskonfiguration des Testwagens eine Reichweite von 480 Kilometern an.
Testverbrauch 16,2 kWh
Unsere Testfahrten führen uns durch den dichten Verkehr der Großstadt Barcelona, über tempoimitierte Autobahnen und an Steilwänden entlang hinauf in die Berge. Nach rund 260 Kilometern zeigt der Bordcomputer einen Verbrauchswert von 16,2 kWh an. Verbunden mit Rekuperations-Phasen, die bei der Software-Berechnung des Verbrauchs nicht berücksichtigt wird, dürfte auch im Alltag ein Radus von 43 Kilometern und mehr möglich sein. Ein späterer Alltagstest wird sich dieser Sache annehmen.
Die Rückgewinnung von Energie erfolgt über das Bremspedal oder über den One-Pedal-Modus. Er muss in einem Untermenü über den Touchscreen aktiviert werden, was über Gebühr ablenkt. Einstellbare Zwischenstufen gibt es keine.
Gut gelöst ist die Aktivierung des Fahrassistenzpakets, das über einen Tipper am Getriebe-Wählhebel zum Einsatz gerufen wird. Diese Lösung hat uns schon beim Zeekr X gefallen. Jetzt hält der EX30 zuverlässig Tempo und Abstand zum Vordermann, bremst beim Aufschließen auf langsamere Fahrzeuge sanft ab.
Assistenz nur bis 130 km/h
Vor dem Verkaufsstart sollte aber nochmal Hand an den Spurhalteassistenten gelegt werden. Er phantasiert sich teilweise nicht vorhandene Begrenzungen zusammen und will über die Gegenlenkfunktion Harken schlagen, die man nur mit festem Griff am Lenkrad und kurzer Reaktionszeit bändigen kann. Das „Pilot Assist“ genannte System funktioniert in einem Geschwindigkeitsbereich von 65 bis 130 km/h. Im tempolimitierten Spanien reicht das aus, auf deutschen Autobahnen dürfte man sich eine Regelung auch darüber hinaus wünschen.
Entspannter zeigt sich das Fahrwerk. Mit der 19-Zoll-Bereifung der Extended-Range-Version ist es schluckfreudig und komfortabel, ohne für Seekrankheit zu sorgen. Adaptive Dämpferfunktionen werden zu keiner Zeit vermisst.
Es könnte aber sein, dass die Passagiere im Fond schon vor der nächsten Ladepause um einen Stopp bitten. Zum Strecken, Recken und Beine vertreten. In der zweiten Reihe des Volvo EX30 geht es ziemlich eng zu. Auch der Kofferraum ist nicht riesig: 318 Liter fasst er, oberhalb des doppelten Ladebodens sind es 234 Liter. Der „Frunk“, das Staufach unter der vorderen Haube kann gewiss Abhilfe schaffen, oder? Bedingt, hier gibt es überschaubare sieben Liter Extra-Volumen. Immerhin das Ladekabel passt hier hinein.
So schnell lädt der EX30
In der Ausstattungslinie Ultra lädt der Volvo EX30 an einer entsprechenden Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule Wechselstrom dreiphasig mit 22 kW. In rund vier Stunden soll der Akku wieder vollständig geladen sein. Die Varianten Core und Plus begnügen sich mit einem 11-kW-Onboard-Charger.
Die 400V-Technologie der SEA-Plattform erlaubt keine extrem hohen Ladeleistungen, wie sie die Koreaner von Genesis, Hyundai und Kia vorgeben. Der EX30 mit großem Akku hat seinen Peak bei 153 kW. In 26 Minuten am Schnelllader soll sich der Füllstand der Batterie von zehn auf 80 Prozent der maximalen Kapazität erhöht haben (Kleiner Akku: 134 kW, ebenfalls 26 Minuten).
Preise ab 36.590 Euro
Die Preisliste hätte man in dieser Zeit schon mehrfach durchgearbeitet. Volvo zeigt auch bei der Angebotsgestaltung den Hang zur Einfachheit. Es gibt drei vorkonfigurierte Ausstattungslinien und nur wenige Optionen, die man zubuchen kann.
Der Volvo EX30 Core kostet mit 51-kWh-Akku ab günstigen 36.590 Euro. An Bord ist alles, was man für einen Alltag mit dem kompakten Elektroauto benötigt, vom 100-Watt-Soundsystem über eine Vorbereitung zur Montage der Anhängerkupplung, Lendenwirbelstützen vorne und Rückfahrkamera. Mit großem Akku kostet dieses Modell 41.790 Euro, also stolze 5.200 Euro mehr.
Im Plus-Modell ab 39.590 Euro fahren das Assistenzpaket Pilot Assist, Einparksensoren auch vorne, elektrische Heckklappe, Zweizonen-Klimaautomatik und das Harman/Kardon-Soundsystem mit.
Der hier gezeigte Volvo EX30 Ultra, nur mit der größeren Batterie zu haben, kostet ab 48.990 Euro – inklusive 22-kW-Lader, elektrisch verstellbaren Vordersitzen, feststehendem Panorama-Dach, Parkassistent und 360-Grad-Kamera-Rundumsicht. Einfachheit zeigt auch die Farbkarte: Für den EX30 stehen nur fünf verschiedene Lackoptionen bereit, von denen mit „Moss Yellow“ nur eine auffallend aus dem Blau-Weiß-Grau-Schwarz-Allerlei heraussticht.
Trotz der für sich gesehen hohen Beträge: Im Markt der Elektroautos ist der neue Volvo EX30 überraschend preiswert, liegt auch unter dem (größeren) Zeekr X. Nicht nur im Vergleich mit Kompakten wie VW ID.3 oder Cupra Born hält der Volvo seine Position als gutes Angebot. Selbst deutlich kleinere Modelle wie Opel Mokka Electric oder Fiat 600e wirken gegen ihn plötzlich zu selbstbewusst kalkuliert.
Ab 2025 auch aus Belgien
Bei der Preiskalkulation dürfte den Volvo-Strategen auch die Produktion des EX30 in China helfen. Die damit langen Transportwege zu Kunden in Europa erfüllen dann nicht mehr wirklich den Anspruch an maximale Nachhaltigkeit, den das Modell verfolgt. Das ist aber beim Tesla Model 3 auch nicht anders. 2025 soll sich der Fußabdruck ändern. Aufgrund der hohen Nachfrage startet Volvo dann eine zusätzliche ES30-Produktion im belgischen Gent.
Übrigens: Der EX30 ist nicht der erste Volvo, der aus China nach Europa importiert wird. Auch die Limousine S90 wird seit einiger Zeit in einem Geely-Werk gebaut, während der Kombi V90 weiterhin aus Schweden kommt.
Fazit
Man kann nur mutmaßen: Gut möglich, dass der Volvo EX30 in der Entwicklungsabteilung von Tesla genau unter die Lupe genommen wird. Format, Infotainment und Preispositionierung treffen die Punkte, die man sich eigentlich vom überfälligen Tesla Model 2 erwartet hätte. Waren Geely und Volvo also schneller als die Truppe um Elon Musk?
Mit Tarifen ab 36.590 Euro dürfte der EX30, trotz des engen Fonds und des kleinen Kofferraums, schnell auch bei uns viele neue Freunde finden. Die Bedien- und Anzeigenstruktur erfordert Zugeständnisse, beim Innenraumdesign hat man die Wahl.
Technische Daten
Volvo EX30 Single Motor Extended Range |
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Antrieb | Heckantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 200 kW (272 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 343 Nm |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 153 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 22 kW (drephasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 15,7 kWh, Reichweite 480 km |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 16,2 kWh (lt. Bordcomputer) |
Leergewicht | 1.850 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.400 kg, Stützlast 100 kg, Dachlast 75 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.233 / 1.837 / 1.549 mm |
Grundpreis | 48.990 Euro (Basispreis Baureihe: 36.590 Euro) |
Testwagenpreis | 51.490 Euro |