Der Volvo ES90 im ersten Check mit Sitzprobe, auch als Video. Dazu: Alle Informationen und Preise!
Volvo präsentiert mit dem ES90 seine elektrische Oberklasse-Limousine. Das Fließheckmodell soll Kunden ansprechen, die nicht SUV fahren wollen. Wir haben alle Informationen, auch zu den Preisen, und konnten bereits zur ersten Sitzprobe starten.
Der Bruch mit alten Design-Traditionen wird nirgendwo so deutlich, wie bei modernen Elektro-Limousinen. Große Akku-Pakete bedingen einen langen Radstand, gleichzeitig kann auf lange Überhänge verzichtet werden. Die Designer müssen dennoch Länge schaffen, um das Auto optisch nicht so hoch erscheinen zu lassen, wie es ist (Grüße gehen raus an den BMW 5er / i5).
Limousine oder nicht?
Im Vergleich zu klassischen Volvo-Limousinen wie dem S90 zeigt der neuen ES90 diesen frischen Weg. Hinter der markentypischen Front mit Pixel-LED-Scheinwerfern im Hammer-Design und der diagonalen Logo-Strebe an der geschlossenen Maske spant sich eine fünf Meter lange Schrägheck-Karosserie, deren kurzes Stummel-Ende auf den ersten Blick überrascht. Ohne Außenspiegel misst der Volvo ES90 1,94 Meter in der Breite. Die Höhe von 1,55 Metern und eine relativ große Bodenfreiheit von 18 Zentimetern lassen kurt die Vokabel „Crossover“ durch das Gehirn schwirren. Üppig ist auch der Radstand, er misst drei Meter.
Die ungewohnte Silhouette paaren die Volvo-Designer nicht nur an der Front mit markentypischen Gestaltungselementen. Am Heck zeigen sich klammerförmige Rückleuchten und weitere LED-Elemente, die vertikal an beiden Seiten der Heckscheibe angeordnet sind. Sie sind auch beim kompakten EX30 und beim Volvo EX90 zu finden.
Mit letzterem teilt sich der Volvo ES90 die SPA2 genannte Architektur. Gleichwohl wird deutlich, dass der EX90 mit deutlicher Verzögerung auf den Markt kam und die technische Entwicklung in großen Schritten vorangeht. Im Gegensatz zum SUV setzt der Volvo ES90 auf ein 800-Volt-Bordnetz für schnelles Laden. Dazu gleich mehr.
Der ES90 im Video
Drei Antriebskonfigurationen wird es zum Marktstart geben. Das Basismodell ist der Volvo ES90 Single Motor mit einer bis zu 245 kW (333 PS) starken E-Maschine im Heck, die dort die Räder antreibt. Das maximale Drehmoment liegt bei 480 Newtonmetern. In 6,9 Sekunden geht es aus dem Stand auf 100 km/h. Wie bei allen modernen Volvo-Modellen wird die Höchstgeschwindigkeit bei 180 km/h begrenzt.
Der NMC-Akku (Nickel-Mangan-Kobalt) im Fahrzeugboden hat eine netto nutzbare Speicherkapazität von 88 kWh (brutto 92 kWh), die für eine WLTP-Reichweite von 650 Kilometern gut sein sollen. Wechselstrom zieht der ES90 über drei Phasen mit 11 kW, am Schnelllader sollen über den CCS-Anschluss hinten links am Auto bis zu 300 kW erreicht werden.
Mit Allradantrieb durch eine zweite Antriebseinheit vorne fährt der Volvo ES90 Twin Motor vor. Sein Heckmotor leistet 200 kW (272 PS), der vorne kommt mit 130 kW (177 PS) dazu. Wie gewohnt geben die Schweden eine kombinierte Leistung an, also 330 kW (449 PS) sowie ein Drehmoment von 670 Newtonmetern.
Der Volvo ES90 Twin Motor beschleunigt in 5,5 Sekunden auf Landstraßentempo und wird auch maximal 180 km/h schnell. Der Stromspeicher hat eine Speicherkapazität von 102 kWh (brutto 106 kWh), die WLTP-Reichweite wird mit 700 Kilometern angegeben. Unverändert: Die Wechselstrom-Ladeleistung von 11 kW. Schnelles Laden soll, sofern man eine entsprechend starke Ladesäule findet, mit bis zu 350 kW möglich sein.
Topmodell ist der Volvo ES90 Twin Motor Performance mit einer kombinierten Leistung von 500 kW (680 PS) und einem Drehmoment von 870 Newtonmetern. Bei ihm erstarkt der Heckmotor auf 280 kW (381 PS), der Kollege an der Vorderachse auf 220 kW (299 PS). Für den Spurt auf Tempo 100 vergehen, den Werksangaben zufolge, 4,4 Sekunden, auch mit dem Performance-Modell geht es dann weiter bis 180 km/h. Akku-Kapazität (102 kWh netto), Ladeleistung (bis 350 kW) und Reichweite (700 Kilometer) entsprechen den Daten des Twin-Motor-Modells.
Der WLTP-Normverbrauch des Volvo ES90 wird, je nach Modellvariante, mit 16,1 bis 16,2 kWh je 100 Kilometern angegeben. Die Anhängelast beim Single Motor beträgt 1.600 Kilogramm, die beiden Allradler können zwei Tonnen an den Haken nehmen. Das Zugfahrzeug ist deutlich schwerer. Zwischen 2.366 und 2.628 Kilogramm liegt das Leergewicht des großen Elektroautos.
Die Sitzprobe

Noch vor der Weltpremiere treffen wir den neuen Volvo ES90 erstmals hinter verschlossenen Türen. In „Aurora Silber“, eine von sieben wählbaren Lackfarben, steht er als Twin Motor Performance in der höchsten Ausstattungslinie Ultra auf optionalen 22-Zoll-Rädern. Schon ohne Bezugspunkte in Form anderer Autos oder Gegenstände fällt die Größe des Autos sofort ins Auge. Gleichzeitig gefallen die Proportionen bis hin zum kurzen Heck.
Die große Klappe öffnet elektrisch. Dahinter verbirgt sich ein rund 450 Liter großer Kofferraum. Sein Volumen variiert leicht, da die Passagiere im Fond die Lehnenteile elektrisch in der Neigung verstellen können. Das Umklappen der dreigeteilten Lehne erfolgt manuell, dann steigt das Volumen auf einer leicht ansteigenden Fläche bis 1.256 Liter. Unter der vorderen Haube gibt es zusätzlich einen Stauraum für Ladekabel und andere Dinge. Dieser „Frunk“ (Front Trunk, vorderer Kofferraum) hat, je nach Messmethode, ein Volumen von 22 oder 49 Litern.
Zahlen sind Theorie, wir können den Volvo ES90 erleben und physische Eindrücke sammeln. Dazu zählt auch das Raumgefühl im Fond. Hier punktet das Oberklasseauto mit massig großem Knieraum und bequemen Sitzen. Große Menschen kauern jedoch mit stark angewinkelten Beinen über dem Innenboden, der auf Aussparungen für die Füße verzichtet. Trotzdem drückt von oben das, nach hinten abfallende, Dach aufs Haupt. Für entspanntes Mitreisen auf langen Strecken sollte man im Fond des Volvo ES90 nicht größer als rund 1,80 Meter sein.
Umstieg auf den Fahrerplatz. Die Vordersitze sind Volvo-typisch bequem. Zusätzlich zur elektrischen Einstellung bieten sie eine händisch ausziehbare Oberschenkelauflage. Mit Druck auf das Verstell-Element an der Seitenverkleidung kann über ein Touchscreen-Menü die Sitzmassage konfiguriert werden. Auch hier vorne sitzt man höher als in anderen Limousinen. Trotz des flachen Dachs fällt der Blick eines großen Piloten aber nicht an den unteren Rand der Sonnenblende, sondern geradewegs durch die Windschutzscheibe.
Auf ihr spiegeln sich, abhängig von der Ausstattung, Informationen des Head-up-Displays. Weiter unten sind weitere fahrrelevante Angaben auf einem kleinen Display hinter dem Lenkrad versammelt. Das kennt man vom Volvo EX90.
Auch beim Infotainment folgt der ES90 seinem SUV-Bruder. Das 14,5 Zoll große Touchscreen-Display ist hochkant montiert. Als Betriebssystem nutzt Volvo Googles Android Automotive. Die Echtzeit-Routenführung wird von Google Maps erledigt, für die Sprachsteuerung steht der Google Assistant bereit. Über den Play Store lassen sich Apps, beispielsweise die des Lieblings-Streamingdienstes, herunterladen. Alternativ lassen sich Smartphone-Inhalte via Android Auto oder Apple CarPlay ohne Kabelverbindung darstellen und nutzen.
Sämtliche Interaktionen bis hin zur Einstellung der Außenspiegel und der elektrischen Lenksäule werden über Menüs auf dem berührungsempfindlichen Monitor gesteuert. Umso deutlicher fällt die kleine Walze unter dem Display auf, mit der die Audio-Lautstärke geändert werden kann. Kleine silberne Tasten an ihren Rändern erlauben das Vor- und Zurückspulen von Audiotracks oder Radiosendern.
Ausstattung und Preise

Der Volvo ES90 wird in den drei Ausstattungslinien Core, Plus und Ultra angeboten. Zur Serienausstattung gehören u.a. eine Wärmepumpe, ein Audiosystem mit 325 Watt Leistung, elektrisch verstellbare Vordersitze, eine Vierzonen-Klimaautomatik und 20 Zoll große Leichtmetallräder. Der Volvo ES90 Core wird nur als Single-Motor-Modell angeboten, sein Listenpreis liegt bei 71.990 Euro.
Der ES90 Plus bringt eine zusätzliche Serienausstattung mit, die das Head-up-Display, Sitzheizung auch im Fond, Türinnenverkleidungen im griffsympathischen „Nordico“-Material, Ambientebeleuchtung und weitere Bestandteile umfasst. In der Ausstattungslinie Plus kostet der Volvo ES90 Single Motor 75.990 Euro, als Twin Motor 80.990 Euro und als Twin Motor Performance 86.490 Euro.
Das Topmodell Ultra fährt mit einem feststehenden Glasdach samt elektrochromatischer Abdunkelung, Soft Close für die Seitentüren, Akustikverglasung, Zweikammer-Luftfederung, 21-Zoll-Rädern, einer 360-Grad-Kamera-Rundumsicht, Pixel-HAD-Scheinwerfern mit adaptiven Funktionen sowie Sitzmassage für Fahrer und Beifahrer vor. Der Preis des Volvo ES90 Ultra liegt als Single Motor bei 83.990 Euro, als Twin Motor bei 88.990 Euro und als Twin Motor Performance bei 94.490 Euro.
Optionen sind in Paketen zusammengefasst, beispielweise als Winter-Paket mit Heizung für Wischerblätter und Lenkradkranz. Das Bowers & Wilkins Soundsystem mit 1.410 Watt bringt 19 Lautsprecher mit, sein Aufpreis beträgt üppige 3.460 Euro. 2.400 Euro extra kostet das Paket Pilot Assist. Es umfasst neben einer Parklenkfunktion auch eine navigationsbasierte Fahrassistenz für die Spurführung mit Lenkunterstützung bis zu einer Geschwindigkeit von 150 km/h. Die Fahrassistenz im Volvo ES90 arbeitet nicht nur mit Radarsensoren und Kameras. Auf dem Dach ist auch ein Lidar-Sensor integiert.
Der Volvo ES90 ist ein teures Auto. Im Vergleich zur Konkurrenz in Form von BMW i5 und Mercedes-Benz EQE zeigt er eine zwar selbstbewusste, aber nicht abgehobene Positionierung. In das Preisgefüge dürften die Vertriebsstrategen von Volvo auch Strafzölle mit einkalkuliert haben. Gebaut wird der ES90 in China, dort dürfte auch ein Großteil der Produktion auf die Straße rollen. Wohl auch aufgrund der Nachfrage von Kunden in China kommt ein bei Volvo längst aus dem Programm genommenes Extra wieder in die Preisliste. Wer mag, kann den Volvo ES90 auch mit einer Nappalederausstattung konfigurieren.
Im Preis-Vergleich zum Volvo EX90, der auf ein Bordnetz mit 400 Volt setzt und in den USA gebaut wird, schneidet die neue Limousine überraschend gut ab. Das SUV startet als Single Motor mit 205 kW (279 PS) in der Core-Ausstattung bei 83.700 Euro. Als Ultra Twin Motor Performance mit 380 kW (517 PS) kostet der EX90 ab 107.400 Euro.
Die Neuwagengarantie gilt für den Zeitraum von drei Jahren ab Erstzulassung, auf den Akku gibt Volvo eine Garantie von acht Jahren bis zu einer Laufleistung von 160.000 Kilometern.
Fazit

Der Volvo ES90 elektrifiziert Volvos Oberklasse. Die Limousine, mit der die Schweden gegen BMW i5 und Mercedes-Benz EQE antreten, gefällt mit ihrem eigenständigen Fließheck-Design, modernem Google-Infotainment und sehr hoher Ladeleistung. Das Raumangebot für Fahrer und Beifahrer ist sehr gut, hinten wird es für große Mitfahrer jedoch etwas ungemütlich. Wer oft Hünen in der zweiten Reihe transportiert, greift also im elektrischen Volvo-Programm zum SUV EX90.
Die ES90-Preise liegen mit Tarifen ab 71.990 Euro auf dem Niveau der Premium-Konkurrenz, aber deutlich unter dem EX90. Anders als dieser kommt der neue ES90 aus einem Werk in China zu uns.