Ab 2024 in Deutschland: Der Zeekr X im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Elon Musk und Li Shufu haben beide ein „X“. Der Tesla-Chef und Raketenunternehmer hat den Kurznachrichtendienst Twitter nach der Übernahme in X umbenannt. Der Gründer des chinesischen Geely-Konzerns zählt im breiten Angebot seiner Marken und Modelle jetzt auch den Zeekr X zur Familie.
Gezwitschert (engl. „to twitter“) wird in beiden Fällen nicht. Der Zeekr X kann aber miauen, bellen, grunzen und wiehern. Außerdem Traktoren, Sportwagen und Fahrradklingeln nachmachen, Sprechen und die Stimme des Fahrers in Echtzeit verstellen. Ein Außenlautsprecher unter dem vorderen Stoßfänger sorgt für diese – aus Sicht eines Europäers – kindische Kommunikation des Autos mit seinem Umfeld, zu erleben im Video zu diesem Fahrbericht.
Der Zeekr X im Video
Dazu mag das ernsthafte Design des kompakten Elektro-SUV kaum passen. Die teils exzentrischen Linien bilden einen eigenen Zeekr-Stil und wirken auf angenehme Art und Weise futuristisch. Die neue Marke könnte so schnell für Furore sorgen und sich in den Köpfen der Menschen – und potenzieller Käufer – verankern.
Das straffe Kleid zieht sich über den Geely-Konzernbaukasten SEA (Sustainable Experience Architecture). Der trägt nicht nur den größeren Zeekr 001 , sondern auch den Volvo EX30 und die neuen Smart-Modelle #1 und #3, die in einem Joint Venture von Geely mit Mercedes-Benz entstehen.
Größer als EX30 und #1
Mit einer Länge von 4,43 Metern ist der Zeekr X spürbar größer als EX30 und #1, fährt in Richtung SUV-Kompaktklasse. Das wird beim Raumangebot deutlich. Auch als großer Mensch findet man im Fond viel Platz für Knie, Füße und Kopf. Der Akku im Fahrzeugboden sorgt jedoch für recht stark angewinkelte Beine.
Vorne bietet der Zeekr X eine Zweiklassengesellschaft. Beide Sitze sind beheizbar, im Privilege-Modell aber nur der für den Fahrer auch mit Lüftung. Eine Art Massagefunktion gibt es für beide Seiten. Trotz „Deep Relax“-Programm erlebt man aber nur ein hektisches Klopfen kleiner Polster unter der Oberfläche, was eher stressig als entspannend wirkt.
Schickes Loft-Ambiente
Mehr Ruhe strahl der loftartige Innenraum mit seiner hochwertigen Verarbeitung und gut zusammengestellten Materialien aus. Die Ambientelichtleiste steckt vertikale LED-Elemente unter eine durchsichtige Leiste, am Fahrerplatz findet man im Dachhimmel ein Brillenetui aus Mikrofaser-Material.
Wie beim Konkurrenten VW ID.3 steckt das relativ kleine Fahrerinformationsdisplay auf der Lenksäule, kann also mit ihr verstellt werden. Auch das große Head-up-Display mit AR-Inhalten für Fahrtrichtungsangaben dürfte seine Inspiration aus Wolfsburg bekommen haben.
Alle Fahrzeugeinstellungen und das Infotainment werden über das große Zentraldisplay gesteuert. Knöpfe oder Schalter gibt es abseits vom Lenkrad keine. Nach kurzer Eingewöhnungszeit findet man sich im vielschichtigen Menü zurecht. Shortcuts erlauben den direkten Zugriff auf die Navigation, die mit einer klaren Kartenansicht gefällt. Ein Jahr lang ist der Online-Zugang für eine Routenführung mit Echtzeit-Verkehrsdaten gratis, danach soll ein Abo-Modell greifen.
Ungewöhnlich für ein Auto aus China: Apple CarPlay und Android Auto sind vom Start weg mit dabei, funktionieren sogar ohne Kabelverbindung. Ein Zeekr-eigener App Store soll künftig auch die Integration von Musikstreaming-Diensten wie Spotify erlauben.
So fährt sich der Zeekr X
Für diesen ersten Fahrbericht steht der Zeekr X Privilege bereit. Er hat zwei Motoren und somit Allradantrieb. Die Maschine an der Hinterachse leistet (wie auch beim Solo-Auftritt im Basismodell) 200 kW (272 PS) und bietet ein Drehmoment von 343 Newtonmetern. Der zweite Motor vorne ist 115 kW (156 PS) stark und steuert weitere 200 Newtonmeter bei. Die gleiche Antriebskonfiguration mit kombiniert 314 kW (428 PS) und 543 Newtonmetern kennt man aus dem Smart #1 Brabus.
In 3,8 Sekunden soll der Zeekr X aus dem Stand auf 100 km/h spurten, die Höchstgeschwindigkeit ist bei 180 km/h elektronisch begrenzt. Beides können wir auf tempolimitierten Straßen in Schweden nicht ausprobieren. Eilige Kurvenhatz durch den Wald zeigt aber, dass der Zeekr X ein stets stabiles und sicheres Fahrverhalten bietet, am Lenkrad erfährt man eine gute Rückmeldung.
Fast gute Fahrassistenz
Das Fahrwerk bietet, auch mit den 20-Zoll-Rädern des Privilege-Modells, feinsinnigen Komfort ohne lästiges Nachschwingen. In den klassischen Kapiteln des Automobilbaus haben die Geely-Ingenieure im europäischen Entwicklungszentrum in Göteborg ihre Hausaufgaben also gründlich erledigt.
Dank schmaler A-Säulen und auf den Türen montierter Außenspiegel gefällt auch die Rundumsicht – i Stadtverkehr beim Abbiegen ein Sicherheitsfaktor. Schade ist, dass einige Funktionalitäten dem Drang nach unbedingter Digitalisierung zum Opfer fielen. Die Energie-Rekuperation ist nur über den großen Touchscreen einstellbar, was während der Fahrt zu stark ablenkt.
Für Wiedergutmachung sorgt die Fahrassistenz. Auf der Autobahn kann man die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage und Spurführfunktion bequem einschalten, indem man zweimal am rechten Lenkstockhebel nach unten drückt. Dann hält der X Tempo und Abstand sowie die Spur. Dabei kurvt er aber recht wild zwischen linker und rechter Begrenzungslinie hin und her. Diese Abstimmung erinnert an Systeme von vor fünf Jahren.
400 km Reichweite
18,3 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer soll der Zeekr X in Allrad-Konfiguration nach WLTP-Norm verbrauchen. Am Ende des Testtages zeigt der Bordcomputer im Auto den Wert von 21,6 kWh an. Beides keine Fabelwerte, auch wenn man das Format und die Leistung des Autos berücksichtigt. Rund um Stockholm waren wir nicht schneller als mit 110 km/h unterwegs, auf leeren Landstraßen oft mit erlaubten 80 Sachen.
Wenn sich der Ladezustand des (brutto) 69 kWh große NMC-Akkus dem Ende zuneigt, soll man ihn am Schnelllader in 30 Minuten von zehn auf 80 Prozent seiner Kapazität bringen können. Die Ladeleistung über den CCS-Anschluss wird mit 150 kW angegeben. Ein Wettbewerbsvorteil der SEA-Modelle gegenüber vielen Mitbewerbern ist der serienmäßige 22-kW-Lader für Wechselstrom. An einer öffentlichen Ladesäule oder einer entsprechenden Wallbox (üblicher sind in Haushalten 11 kW) dauert eine Akku-Füllung rund vier Stunden. Ladeleistung und -kurve sowie das Reichweitenversprechen von 400 Kilometern (440 km beim Grundmodell mit Heckmotor) werden wir in einem späteren Alltags-Test nachprüfen.
Unabhängig von der Anzahl der Motoren bietet der Zeekr X eine Anhängelast von 1.600 Kilogramm, sie liegt damit auf dem Niveau des Hyundai Ioniq 5. Der Kofferraum ist in beiden Varianten 362 Liter groß, außerdem gibt es ein kleines Staufach unter der vorderen Haube.
Günstiges China-Auto?
Ein Sonderangebot will der X nicht sein, Zeekr ist – trotz der Verwandtschaft mit Volvo und Polestar – als Premiummarke positioniert. Dennoch wirken der Basispreis von 44.990 Euro bzw. der Tarif von 49.990 Euro für den Privilege auf den zweiten Blick nicht mehr so hoch.
Neben dem hochwertigen Ambiente und dem üppigem Platzangebot bietet der Zeekr X auch eine umfangreiche Serienausstattung. Panoramadach, Zweizonen-Klimaautomatik, Yamaha-Soundsystem, Sitzheizung vorne und der 22-kW-Lader gehören ebenso dazu wie eine umfangreiche Fahrassistenz. Der Allradler bringt zusätzlich die größeren 20-Zöller (anstelle von 19-Zoll-Felgen) und die Sitzvibration (nennen wir es mal so) mit.
Zur Einordnung reicht ein Blick zur ebenfalls chinesischen Elektroauto-Konkurrenz: Der Ora Funky Cat kostet, wenn es das sportlich wirkende GT-Ornament sein soll, mit 49.490 Euro fast ebenso viel wie der Zeekr X Privilege – bei deutlich weniger Leistung, kompakteren Abmessungen und nicht so ausgefeilter Software.
Die Zeekr-Neuwagengarantie von fünf Jahren bis zu einer Laufleistung von 100.000 Kilometern soll sich auf zehn Jahre bzw. 200.000 Kilometer verdoppeln lassen, wenn man den Zeekr X regelmäßig warten lässt. Neben Partnerwerkstätten planen die Chinesen auch mobile Eingreiftruppen nach dem Tesla-Vorbild.
Fazit
Der Zeekr X dürfte mit seinem Design polarisieren. Dahinter steck ein solides Elektroauto mit guter Verarbeitung und vielen Talenten. Antrieb und Fahrwerk bieten kaum Anlass zur Kritik, lediglich der Stromverbrauch ist etwas hoch. Die hohen Preise verlieren etwas von ihrem Schrecken, wenn man die lange Liste der serienmäßig enthaltenen Ausstattungsdetails studiert.
Auch wenn es für ein „Wow“ nicht reicht, darf doch immerhin ein „Wau“ ertönen. Aus dem Lautsprecher am Auto.
Technische Daten
Zeekr X Privilege |
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Antrieb | Allradantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW | 115 kW (156 PS) |
Elektromotor vorn: Maximales Drehmoment | 200 Nm |
Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW | 200 kW (272 PS) |
Elektromotor hinten: Maximales Drehmoment | 343 Nm |
Systemleistung: kW / PS | 315 kW (438 PS), 315 Nm |
Batterie | 69 kWh, NMC |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 150 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 22 kW (drephasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 3,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 180 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 18,3 kWh, Reichweite 400 km |
Reifenmarke und –format des Testwagens | 245/45 R20 |
Leergewicht | 1.960 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.600 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.432 / 1.836 / 1.566 mm |
Grundpreis | 49.990 Euro |