Der Zeekr 001 mit 200 kW starkem Elektro-Heckantrieb im Fahrbericht.
Einst grenzte sich der Individualist mit einer Fließheckkarosserie von der Limousinen-Uniform in der oberen Mittelklasse ab. Saab 9000 statt E-Klasse oder Audi 100. Bis die SUV kamen und beides fast verdrängten, dabei die Kombis gleich mit angriffen. Also stehen auf den Firmenparkplätzen und in den Doppelgaragen jetzt SUV herum, abgrenzen kann sich mit dieser Fahrzeugklasse nicht mehr.
Wie premium ist Zeekr?
Wer hilft wieder aus der Misere? Die große Heckklappe – etwas steiler als beim klassischen Schrägheck, mehr in einer Shooting-Brake-Konfiguration am Zeekr 001. Die Brücke zur Vergangenheit hat ihren Fuß in Schweden.
Nicht nur deswegen, weil der chinesische Geely-Konzern neben der neuen Premium-Marke Zeekr auch bei Volvo das Sagen hat und Modelle wie der Zeekr 001 weitestgehend im in Göteborg entwickelt werden. Sondern auch, weil man sich genau so einen modernen Saab als Urahn des eingangs erwähnten 9000er vorstellen könnte. Oder nicht?
Der Zeekr 001 lässt sich schwer einordnen. Er spricht Premium-Kunden im Segment von BMW i5 und Mercedes EQE an, stellt sich aber auch gegen den VW ID.7 . Außerdem will er eine Alternative für markenoffene Käufer sein, die in Richtung Nio oder Genesis schielen.
Die fast 4,96 Meter lange Karosserie ist ansehnlich gestaltet. Elemente wie die vertikal angeordneten Tagfahrlichter über den in die Frontmaske integrierten Hauptscheinwerfer und die Abschlusskante am Heck wirken eigenständig und sorgen für einen Aufritt mit Nachhall. Nerd-Wissen am Rande: Das Design des Zeekr 001 wurde ursprünglich für die Schwestermarke Lynk & Co entwickelt, dann aber für das neue Premium-Label verwendet.
Lounge auf Rädern
Schon beim ersten Test des Zeekr 001 Privilege im Frühsommer konnte das üppige Platzangebot in beiden Reihen überzeugen, ebenso die penible Verarbeitung – auch im 539 Liter passenden Kofferraum hinter der elektrischen Heckklappe.
Schwarzes Textilgewebe spannt sich über Sitze und Verkleidung. Im Vergleich zum hellen Innenraum der Privilege-Ausstattung wirkt das Basismodell damit sportlicher, ohne aufgrund der Dunkelheit optisch einzuengen. Kupferfarbene Elemente bilden einen schönen Kontrast. Diese Akzentfarbe gilt mittlerweile jedoch als typisches Markenzeichen der spanischen Marke Cupra, oder nicht?
Was kann das Serien-Fahrwerk?
Der weiße Testwagen, den wir im Umland der schwedischen Hauptstadt Stockholm testen können, rollt auf 21 Zoll großen Rädern. Im Gegensatz zum 001 Privilege und dessen gut abgestimmter Luftfederung kümmert sich ein Stahlfahrwerk mit elektromagnetischer Steuerung der Stoßdämpfer um den Komfort. Und das mit Erfolg.
Der große Wagen kann im Komfort-Modus entspannt gleiten. Stellt man über den 15,4 Zoll großen Touchscreen das Sport-Programm ein, strafft sich der Unterbau spürbar. Auch dann brettert der Chinese aber nicht über Querfugen und sonstige Verwerfungen des Straßenbaus, bleibt stets einem hohen Fahrkomfort verbunden. Wer mag, kann Parameter wie Federung, Ansprechverhalten von Antrieb und Bremspedal-Gefühl in einem individuellen Fahrmodus konfigurieren.
Immer an Bord: Der maximal 200 kW (272 PS) starke PSM-Motor im Heck des Zeekr 001. Die beiden Allradvarianten Performance und Privilege haben eine zusätzliche Maschine vorne und eine entsprechend höhere Gesamtleistung von 400 kW (544 PS).
Auch das Single-Motor-Modell reicht für den Pendleralltag und zum entspannten Reisen voll aus, zumindest den Erfahrungen im tempolimitierten Schweden nach zu beurteilen. Mit 7,2 statt 3,8 Sekunden lässt sich das Auto mehr Zeit für den Spurt auf 100 km/h – am Ende wird aber jeder Zeekr 001 bei Tempo 2000 elektronisch eingefangen.
Im Video: Zeekr 001 AWD Privilege
Der 100 kWh große NMC-Akku soll, nach WLTP-Norm, für eine Reichweite von 620 Kilometern sorgen. Immerhin 40 Kilometer mehr als beim Allrad-Topmodell, womit dieser 001 den Zusatznamen Long Range zurecht trägt.
Diesem Wert liegt ein Normverbrauch von 18,2 Kilowattstunden Strom auf 100 Kilometer zugrunde. Am Ende unserer Testfahrten zeigt der Bordcomputer im gut ablesbaren Display hinter dem Lenkrad knapp unter 20 kWh/100 km an. Ein realer Alltagsverbrauch lässt sich nur im späteren Test klären.
Das gilt auch für das Ladeversprechen. Am Schnelllader soll Gleichstrom über den CCS-Anschluss mit bis zu 200 kW gezogen werden können, in 30 Minuten der Ladezustand der Batterie von zehn auf 80 Prozent steigen. Für die im Zeekr 001 verwendete 400-Volt-Technologie ist das ein guter Wert.
Beim Laden von Wechselstrom punktet der Chinese mit dem 22-kW-Ladegerät. Viele öffentliche Ladesäulen können Strom mit dieser Leistung abgeben. Während eines Einkaufs oder eines Termins ist der Akku recht schnell wieder aufgeladen – die meisten Mitbewerber bieten nur 11 kW.
Das kostet der 001
Der Zeekr 001 Long Range RWD kostet mit kompletter Ausstattung, die auch ein Head-up-Display, ein schnelles Infotainmentsystem mit Snapdragon-Chips von Qualcomm, Apple CarPlay, elektrisch verstellbare und beheizbare Vordersitze sowie ein Panorama-Glasdach beinhaltet, 59.995 Euro.
Damit liegt er knapp über dem VW ID.7 für 56.995 Euro, ist ausstattungsbereinigt aber günstiger. Auch wenn der neue große Elektro-VW in Sachen Materialanmutung und Wohlfühlfaktor deutlich über den kleineren ID-Modellen liegt, schafft der Zeekr 001 in seinem opulenten Innenraum mehr Premium-Ambiente. Damit stellt er sich selbstbewusst gegen die deutlich teureren BMW i5 (ab 70.200 Euro) und Mercedes EQE (ab 67.187,40 Euro, die Schwaben lieben krumme Brutto-Preise).
Vertrieb und Garantie
Ein funktionierendes Vertriebs- und Service-System muss die Marke Zeekr aber erst noch beweisen. Anfang 2024 sollen der 001 und sein kleinerer Bruder Zeekr X in Deutschland starten. Ein Händlernetz wollen sich die Chinesen sparen. Nach dem Vorbild der koreanischen Marke Genesis sollen wenige Showrooms reichen, die Kunden können Autos online kaufen.
Partnerwerkstätten und ein mobiles Team sorgen für den Service der Fahrzeuge bei Wartungen und Reparaturen. Die Neuwagengarantie gilt für fünf Jahre bis zu einer Laufleistung von 100.000 Kilometern (Batterie acht Jahre bis 200.000 Kilometer) und kann bei regelmäßiger Wartung auf den Zeitraum von zehn Jahren und eine Gesamtstrecke von 200.000 Kilometern ausgedehnt werden.
Fazit
Der Zeekr 001 überzeugt mit einem eigenständigen Design, seinem enormen Raumangebot und hochwertiger Verarbeitung. Auch das Long-Range-Modell mit Heckmotor ist ausreichend kräftig motorisiert. Die Luftfederung des Topmodells Privilege ist eine feine Sache – aber auch das Stahlfahrwerk mit Dämpferregelung gefällt mit hohen Reserven und einer weiten Spreizung zwischen den einzelnen Fahrmodi.
Wenn die Chinesen Vertrieb und Service so aufstellen, dass Zeekr-Kunden im Vergleich zur etablierten Konkurrenz keine Abstriche machen müssen, könnte der 001 als neuer Geheimtipp für Business-Kunden und Komfortfreunde gelten. Nicht nur in Zeekrs zweiter Heimat Schweden, sondern auch bei uns.
Epilog
Eingangs wurde der Saab 9000 erwähnt. In der Tat ertappt man sich bei dem „ach, wenn e Saab noch gäbe – die könnten so ein Auto bauen“-Gedanken. Nüchtern betrachtet braucht man den alten schwedischen Namen heute nicht mehr. So schade es ist, dass Eigentümer General Motors die Marke stümperhaft heruntergewirtschaftet und dann vor die Wand gefahren hat. Viele Kunden von heute könnten mit Saab nichts mehr anfangen – schon gar nicht die Käufer in China und anderen asiatischen Märkten. Also kann man auch eine neue Marke wie Zeekr kreieren. Ein bisschen 9000er-Geist lebt im 001 trotzdem weiter.
Im Video: Zeekr X
Technische Daten
Zeekr 001 Long Range RWD |
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Antrieb | Heckantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 200 kW (272 PS) |
Batterie | 100 kW NMC-Akku (Nickel-Mangan-Cobalt) |
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) | 200 kW |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 22 kW (dreiphasig) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,2 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 18,2 kWh | Reichweite 620 km |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Goodyear Eagle F1 255/45 R21 |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.955 / 2.005 / 1.560 mm |
Grundpreis | 59.990 Euro |