Der elektrische VW ID.3 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Autobahn A2, Fahrtrichtung Hannover. Die Absolution kommt von links. Wir fahren mit dem Gletscherweiß-lackierten VW ID.3 auf dem mittleren Fahrstreifen. Der Travel Assist hält das Auto brav am temporären Limit von 130 km/h und in gebührendem Abstand zum Vordermann.
Langsam schiebt sich ein Tesla Model X vorbei. Der Fahrer reckt den Daumen nach oben und signalisiert, dass ihm der elektrische VW gefällt. Wer die überraschend hohe Toleranzgrenze von Elektroauto-Enthusiasten und besonders die der Tesla-Fans (alles, was von etablierten Herstellern kommt, ist nicht das Wahre) kennt, weiß: Mit dem ID.3 kommt nicht nur ein neues Auto, sondern wohl auch die ganze Marke im „Relevant Set“ der Kunden von morgen an.
Der ID.3 im Video-Review
Kurz bevor die ersten Autos der Sonderserie ID.3 1st an ihre Kunden ausgeliefert werden, stehen endlich Testwagen für Probefahrten bereit. Unser Exemplar hört auf den Namen VW ID.3 1st Max. Im Einführungsmodell steckt die mittlere von drei geplanten Größen der Lithium-Ionen-Batterie. 58 kWh Speicherkapazität (netto) sollen laut Norm für 408 – 424 Kilometer Reichweite sorgen, je nach gewählter Sonderausstattung. Die „kundennahe Reichweite“ geben die Wolfsburger mit 300 bis 420 Kilometern an. Nachdem wir unseren Testwagen am Schnelllader, wo der 58-kWh-ID.3 mit maximal 100 kW Ladeleistung Elektronen nuckelt (wir starteten mit 41% SoC und erreichten 67 kW), voll aufgeladen hatten, errechnete der Bordcomputer 323 Kilometer bis zum nächsten Stopp.
Verbrauch: 15,8 kWh / 100 km
Da hatte er aber auch unsere Film- und Fotofahrten und ein paar 0-100-Sprints auf der Platine gespeichert. Das in den 1st-Modellen serienmäßige Performance Upgrade, mit dem der ID.3 in 7,3 Sekunden auf 100 km/h beschleunigt, musste schließlich ausprobiert und im Video festgehalten werden.
Nach einem langen Fahrtag zeigte der Bordcomputer auf dem zentralen 10-Zoll-Display einen Durchschnittsverbrauch von 15,8 kWh / 100 km an. Ein guter Wert, mit dem der ID.3 auf Augenhöhe mit seiner Konkurrenz in Form von Hyundai Kona Elektro,
Kia e-Niro
und Co. liegt.
Mit ihnen teilt er auch die Peak-Leistung seines Elektromotors: 150 kW (204 PS) stehen maximal an, sie versammeln 310 Newtonmeter Drehmoment. Der Antrieb erfolgt an die Hinterräder, dort wo auch der circa 90 Kilogramm schwere Elektromotor sitzt. Beim hurtigen Anfahren auf Schotter lassen sich widrige Straßenverhältnisse im Winter simulieren. Und hier zeigt sich, dass die Traktionskontrolle in der kalten Jahreszeit öfter mal zum Dienst antreten wird. Die Elektronik hält den ID.3 aber sicher auf Kurs, es geht flott voran.
Während der Fahrt gefällt das sauber abgestimmte Fahrwerk. Das mit Vollausstattung über 1,8 Tonnen schwere Elektroauto liegt straff, aber nicht hart auf der Straße. Trotz großer 20-Zoll-Räder dringen auch Querfugen oder Wurzelaufbrüche kaum durch. Dazu passen die bequemen und fest gepolsterten Sitze. Vorne dürften sie etwas mehr Seitenhalt bieten, außerdem ist die Position der Pedale für große Fahrer, die den Sitz relativ weit nach unten stellen, nicht optimal.
Hier zeigt sich ein kleiner Nachteil der Konstruktion mit der Lithium-Ionen-Batterie im Fahrzeugboden. Der ist im Interieur entsprechend hoch, was man vor allem auf der Rücksitzbank spürt. Hier sitzt man mit stark angewinkelten Beinen. Eine höhere Position der Bank würde dieses Problem lösen, dann aber die Kopffreiheit zu stark einschränken.
Warum kein Platz für Ladekabel?
Weil wir gerade in der Meckerecke sind, hängen wir noch drei weitere Zettel an das „Bitte ändern!“-Pinboard. Die recht einfach wirkenden Kunststoffe im Innenraum sind sehr schmutz- und kratzeranfällig. Das dürfte nach einem Jahr Alltagsbetrieb nicht mehr hübsch aussehen. Und warum man einen so sehr billig wirkenden Verstellmechanismus für die elektrischen Außenspiegel sowie nur zwei statt vier Fensterheberschalter (mit Umschalttaste für hinten) verwendet, muss man mal vorrechnen.
Außerdem verwundert, dass man ein Elektroauto auf dem weißen Blatt Papier plant, dann aber das oder die Ladekabel (Plural gegen Aufpreis, wenn man ein Notkabel für die 230V-Steckdose bestellt) einfach unter dem doppelten Ladeboden herumliegt / -liegen. Mit Gepäck kommt man kaum ans Kabel, außerdem werden sie auch mal nass und schmutzig. Warum gibt es kein Fach unter der vorderen Haube?
Zurück zum Fahreindruck. Und zum Lächeln im Gesicht. Denn auch mit dem ersten Modell auf Basis der MEB-Architektur (Modularer Elektrobaukasten) beweist VW, dass sie den Automobilbau verstehen.
Die Leistungsabgabe des Elektromotors ist, das liegt in der Natur der Sache, spontan. Aber trotzdem lässt sich der ID.3 auch von E-Auto-Neulingen ohne ungewollte Sprints bewegen. Die Abstimmung gefällt. Nicht nur mit aktiviertem Travel Assist, der Geschwindigkeit, Abstand und Spur hält und Navigationsdaten sowie Kamerainformationen verarbeitet, passt der ID.3 seine Energierekuperation an.
Keine Paddels zum Rekuperieren
Schließt man auf ein langsameres Auto auf, spürt man den Widerstand, ebenso bei Ortseinfahrten. Das gelingt auf entspannte Art und Weise, wirkt keinesfalls bevormundend. Über einen Drehbefehl am Fahrschalter kann man zudem manuell in den B-Modus wechseln.
Schade: Schaltpaddels zur Steuerung mehrerer Rekuperationsstufen gibt es nicht. Damit flippern Sparfüchse nochmals effizientere Verbrauchswerte heraus. Weiter oben unterstützt eine LED-Lichtleiste unter der Windschutzscheibe beim Fahren. Navigationshinweise wie ein Abbiegen werden mit Lichtspielen angezeigt, der Notbremsassistent lässt den Streifen rot aufleuchten.
Das Head-up-Display funktioniert übrigens schon mit einer scharfen Anzeige fahrrelevanter Informationen direkt auf der Windschutzscheibe. Die fehlende Software, für deren Update man nochmal in die Werkstatt muss, bringt dann die Augmented-Reality-Funktionen dazu. Ganz real ist die gute Rundumsicht dank schlanker A-Säulen mit zusätzlichen Seitenfenstern.
Das kostet der ID.3
49.995 Euro, vor Abzug von Förderungen, kostet der VW ID.3 1st Max, dann aber mit „einmal alles“ wie Matrix-LED, elektrischen Ergo-Active-Sitzen, Travel Assist und Head-up-Display. Auch eine Wärmepumpe ist beim Topmodell an Bord, beim 1st und 1st Plus nicht. Die reguläre Preisliste soll dann mit 58 kWh-Akku bei 35.574,95 Euro starten. Das Basismodell mit 45 kWh großer Batterie folgt 2021 und drückt den Basispreis dann auf knapp unter 30.000 Euro.
Fazit zum VW ID.3
Lassen wir den Tesla-Fahrer auf der A2 wieder sprechen, er hat das alles ganz gut zusammengefasst. Auch vom Autor dieser Zeilen bekommt der ID.3 einen Daumen nach oben. Nicht etwa, weil deutsche Automedien und der Volkswagen-Konzern ja eh immer gemeinsame Sache machen, sondern weil der ID.3 ein echt gutes Auto geworden ist. Mit ihm ist VW im Elektro-Zeitalter angekommen, die Kunden werden folgen.
Technische Daten
VW ID.3 1st Max |
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Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 150 kW (204 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 310 Nm |
Batterie | 58 kWh, Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,3 Sekunden (mit Performance Upgrade) |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 14,5 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 15,8 kWh |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Bridgestone Turanza 215/45 R20 |
Leergewicht | 1.794 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.261 / 1.809 / 1.568 mm |
Grundpreis | 49.995 Euro |
Testwagenpreis | 49.995 Euro |