Ein Jahr vor dem Marktstart gibt es hier einen ersten Fahrbericht mit Video-Review zum neuen VW Tiguan.
Auch wenn gerade (fast) jeder vor allem über die elektrischen ID-Modelle spricht, sorgen bei VW noch immer die Verbrenner-Baureihen für klingelnde Kassen. Ganz vorne dabei ist der Tiguan. Das kompakte SUV-Modell ist weltweit der meistgebaute und meistverkaufte Volkswagen.
Nach über sieben Millionen Exemplaren startet der VW Tiguan im Frühjahr 2024 in seine dritte Modellgeneration. Schon ein knappes Jahr zuvor durfte AUTONOTIZEN das neue Modell in Augenschein nehmen und auch zur Testfahrt starten. Zeigen darf sich der Tiguan aber vor seiner offiziellen Weltpremiere nur im bunten Tarnkleid.
Der neue Tiguan im Video
Der MQB (Modularer Querbaukasten) wurde weiterentwickelt, in Wolfsburg spricht man jetzt von der MQB evo – Architektur, die nach dem Tiguan auch den neuen Passat (und viele weitere Konzernmodelle) tragen wird.
Das Design des Tiguan wird sich stärker weiterentwickeln, als man es von den oft vorsichtigen Schritten der Modellwechsel bei VW in den letzten Jahrzehnten gewohnt war. Trotzdem bleibt er klar erkennbar und ordnet sich unter dem Touareg in die SUV-Familie der Marke ein. Vom großen Bruder übernimmt der Tiguan die optionalen HD-Matrix-LED-Scheinwerfer. Insgesamt 38.432 einzelne Lichtpunkte sind ansteuerbar, was die adaptiven Funktionen der Scheinwerfer weiter verbessern soll. So kann beispielsweise ein Lichtteppich auf die Fahrspur projiziert werden, der das Auto folgt.
Gleiches Format, mehr Raum
In der Länge wächst der Tiguan um 3,2 Zentimeter auf 4,55 Meter. Die Höhe nimmt um fünf Millimeter auf 1,64 Meter zu, die Breite bleibt mit 1,94 Metern ebenso auf dem Niveau des Vorgängers wie der Radstand von 2,68 Metern. Eine erste Sitzprobe zeigt: Die Platzverhältnisse im SUV sind weiterhin mehr als großzügig. In beiden Reihen ist die Kopffreiheit geringfügig besser als zuvor. Das Kofferraumvolumen steigt um 33 auf jetzt 648 Liter. Die Anhängelast des neuen Tiguan wird 2,3 Tonnen betragen.
Die Bedienung im Cockpit wurde, im Vergleich zum Golf und den ersten ID-Modellen, aufgeräumt. Mit dem Tiguan macht VW die Ankündigung wahr, wieder zum Multifunktionslenkrad mit echten Tasten anstelle der berührungsempfindlichen Touch-Flächen zurückzukehren. Der linke Lenkstockhebel steuert Blinker und Scheibenwischerfunktionen, am Knubbel rechts wird die Fahrstufe des Doppelkupplungsgetriebes eingelegt. Hinter dem Lenkrad blickt man auf digitale Instrumente. Ihre Ansicht lässt sich mit der bekannten „View“-Taste im Lenkrad ändern.
Serienmäßig ist ein 12,9 Zoll großes Infotainment-Display in das angenehm hoch aufbauende Armaturenbrett mit Ambientelicht-Spielereien integriert. Die neue Bedienstruktur ist vom ID.7 und aus dem kommenden Update des ID.Buzz bekannt. Eine feststehende Anzeigenleiste am unteren Rand (Bottom Bar) erlaubt den direkten Zugriff auf die Klimafunktionen. Die ebenfalls feste Leiste am oberen Rand (Top Bar) kann man individuell konfigurieren, beispielsweise mit dem Menüpunkt für die Fahrmodi oder die Smartphone-Integration. Mittig findet man zudem immer eine feste, virtuelle „Home“-Taste. Die Slider unter dem Display sind bei Dunkelheit beleuchtet.
Neues Detail im Cockpit
Gegen Aufpreis wird es ein Head-up-Display geben, das seine Anzeigen direkt auf die Windschutzscheibe spiegelt. AR-Funktionen (Augmented Reality) mit dreidimensionaler Darstellung von Abbiegeempfehlungen sind nicht enthalten. Das bleibt den ID-Baureihen vorbehalten, die für diese aufwendige Technik mehr Bauraum im Vorderwagen zur Verfügung stellen.
Premiere feiert im Tiguan der neue „Fahrerlebnisschalter“ auf der Mittelkonsole. Dabei handelt es sich um einen Dreh-Drück-Steller mit Display. In der Ausgangsposition dient der Kranz als Lautstärkeregler für das Audio-System. Bei Druck wechselt das Display auf die Anzeige der Fahrmodi, bei Allradmodellen inklusive Offroad-Modus.
Erste Fahrt im Tiguan
Augenmerk verdient der individuelle Fahrmodus, den wir vor dem Start der Testfahrten auf einem abgesperrten Testgelände unter Ausschluss der Öffentlichkeit starten. Für die MQB-Evo-Architektur wurde das neue DCC Pro – Fahrwerk entwickelt, das als Option zu haben sein wird. Im Gegensatz zum aktuellen System kümmern sich jetzt zwei Ventile an jedem Stoßdämpfer um den richtigen Öldruck, jeweils für Zug- und Druckstufe.
Nach dem Druck auf den Startknopf, der jetzt intuitiv erreichbar auf der Mittelkonsole zu finden ist, startet der Vierzylinder-Diesel seine Arbeit. Den 2.0 TDI wird es mit 10 kW / 150 PS und 142 kW / 193 PS geben. Die leichte Leistungsminderung im Vergleich zum Vorgänger mit 200 PS ist den aktuellen Abgasnormen geschuldet. Der stärkere Diesel steckt im Test-Prototyp mit 4Motion-Allradantrieb.
Über den virtuellen Schieberegler stelle ich die Fahrwerksabstimmung auf eine komfortable, aber nicht zu weiche, Position. 15 Stufen erlauben eine feingliedrige Auswahl. Es geht über welligen Asphalt und Querfugen. Fast alle Unwägbarkeiten des Straßenbaus hat VW hier auf dem Testgelände absichtlich in den Belag integrieren lassen. Die meisten davon bügelt das DCC Pro geflissentlich glatt, im Auto kommt nichts an. Gleichzeitig wurde da leichte Nachschwingen, für das der Comfort-Modus des adaptiven Fahrwerks früher berüchtigt war, eliminiert.
DCC Pro mit großer Spreizung
Im Sport-Modus wird der Tiguan spürbar straffer, ohne wie ein Brett zu liegen. Für ein paar Slalomeinlagen und zügige Kurven, bei denen der Allradler sicher über alle vier Räder in Richtung Scheitelpunkt düst, ist das die richtige Konfiguration.
Auch bei höherem Tempo bleibt der TDI ein unaufdringlicher Geselle. Dazu dürfte auch das optionale Akustik-Paket mit doppelverglasten Seitenscheiben und einer lärmdämmenden Folie in der Windschutzscheibe sorgen. Beides hält auch Abroll- und Windgeräusche weitestgehend von den Insassen fern.
Die beiden TDI-Triebwerke dürften auch 2024 und später noch einen hohen Verkaufsanteil beim Tiguan haben. Außerdem startet die SUV-Baureihe als TSI-Benziner, eTSI (Mildhybrid) und mit zwei neuen Plug-in Hybriden.
PHEV mit 100 km Reichweite
Die Stecker-Versionen wechseln für den Benziner-Teil auf den 1.5 TSI-Benziner mit Zylinderabschaltung. Der Akku wird deutlich wachsen, und zwar auf rund 18 kWh netto nutzbare Speicherkapazität. Das soll rein elektrische Reichweiten von bis zu 100 Kilometer möglich machen. Geladen wird künftig Wechselstrom dreiphasig mit bis zu 11 kW. Außerdem kann man den Plug-in Hybrid auch am Schnelllader mit Strom versorgen. Die hier zu erreichende Ladeleistung über den CCS-Anschluss dürfte etwa 30 kW betragen. Wie oft das im Alltag eines PHEV genutzt wird, ist fraglich.
Die Systemleistung der beiden Plug-in Hybride wird nicht nur durch die Steuerungssoftware, sondern auch durch unterschiedliche Ausbaustufen des TSI-Benziners gesteuert. Neben einer Variante mit 150 kW / 204 PS Systemleistung soll der stärkere eHybrid im Tiguan auf 200 kW / 272 PS kommen.
Die Produktion des VW Tiguan wird im Frühjahr 2024 starten, kurz danach kommt die dritte Generation des Bestsellers auf den Markt. Für eine Preis-Prognose ist es jetzt noch zu früh. Das aktuelle Modelle kostet (Stand Juni 2023) ab 32.930 Euro. Der längere VW Tiguan Allspace bekommt mit dem Modellwechsel keinen direkten Nachfolger. An seine Stelle rückt eine weitere SUV-Baureihe mit dem Namen Tayron. Dabei handelt es sich nicht um das aktuell in China unter diesem Namen bekannten Modell, sondern um eine Neuentwicklung.
Aber das ist eine andere Geschichte, die erzählt wird, wenn es so weit ist. Weil auch in Zukunft nicht nur von den IDs die Rede sein wird. Oder doch? Schon mehr oder weniger bestätigt wurde ja ein elektrischer ID.Tiguan.
Fazit
Der Tiguan wird sich in Zukunft deutlich weiterentwickeln, ohne seinem Erfolgsrezept untreu zu werden. Das Format bleibt fast gleich, trotzdem gibt es einen größeren Kofferraum. Die Bedienung mit dem Knopf-Lenkrad und einem aufgeräumten Infotainmentsystem gelingt gewohnt entspannt, der Fahrerlebnisschalter ist ein schönes neues Detail.
Auf den ersten Testkilometern kann das DCC-Pro-Fahrwerk mit einer guten Abstimmung punkten. Was die einzelnen Motorvarianten wirklich können und wie sich die neuen Plug-in Hybride anfühlen, konnte jetzt noch nicht erfahren werden. Die erste Fahrt im Prototyp bringt aber viele ID-een für künftige Tests.