Kult-Kulleraugen am nächsten Twingo, Elektromobilität für alle mit dem Citroën ë-C3? Eine Meinung zum Marktgeschehen.
Die Autowelt blickt gespannt nach Fernost. Wie weiten die Koreaner ihre Elektropalette aus? Wann überschwemmen billige Elektroautos aus China den Markt? Und kommen angekündigte Projekte wie der VW ID.2 überhaupt rechtzeitig auf den Markt, um sich gegen diese Welle zu stemmen?
Geht auch im Westen die Sonne auf?
Da lohnt sich ein Blick in die andere Richtung. In den nahen Westen anstelle des fernen Ostens. In Frankreich ist man einen großen Schritt weiter. Anstelle ich sich in Luxus-Träumen zu verlieren, wie es bei dem ein oder anderen heimischen Hersteller der Fall ist, wurde und wird gearbeitet. An Autos, mit denen die Bedürfnisse der Kunden befriedigt werden sollen – diesseits von subventionierten Leasingraten und Car Allowances.
Citroën hat im Oktober den neuen ë-C3 vorgestellt. Der Nachfolger des populären Kleinwagens, dessen Einstiegspreis in Deutschland jüngst auf 12.690 Euro gesenkt wurde, wird auch wieder als Verbrenner auf den Markt kommen. Zuerst ist aber die Elektro-Version an der Reihe. Sie dürfte in den Chefetagen der Konkurrenz für lange Abende am Rechenschieber gesorgt haben.
Elektro-Citroën für 23.300 Euro
Auf Basis einer Konzern-Plattform für Kleinwagen fährt der neue ë-C3 mit 44 kWh großem Akku für 320 Kilometer Reichweite und einem optisch ansprechenden Interieur zum Kampfreis von 23.300 Euro vor. Vor Abzug einer Förderung, wohlgemerkt. Nicht irgendwann, sondern ab 2024.
Spätestens jetzt wirkt der halbherzig als Dacia Spring europäisierte Dongeng-Mini auf seinen Linglong-Reifen, der aktuell ab 22.750 Euro kostet, hemmungslos überteuert. Zumal sich der Citroën ë-C3 auch das Label „made in Europe“ anstecken lässt. Der weniger weite Weg im Vergleich zum Dacia Spring, der im chinesischen Wuhan gebaut wird, verkleinert schon vor dem ersten lokal emissionsfrei zurückgelegten Kilometer den CO2-Rucksack.
Dacia-Mutter Renault schaut aber keineswegs tatenlos zu. Konzernchef Luca de Meo, einst auf dem Thron bei Seat auch für die Emanzipation von Cupra verantwortlich, hat das französische Unternehmen neu aufgestellt. Unter dem Namen „Horse“ wurden die Verbrenner-Aktivitäten gebündelt. „Ampere“ kümmert sich um alles, was elektrisch angetrieben wird und um Software. 11.000 Mitarbeiter stehen bei Ampere auf dem Gehaltszettel, über 3.500 davon sind Ingenieure.
Ampere setzt Renault unter Strom
Die Elektroautos, die Ampere für Renault entwickelt, nutzen zwei teilweise bekannte Plattformen mit neuem Namen: Aus CMF-B-EV für kleine Modelle wird AmpR Small, aus CMF-EV für Kompakte und die Mittelklasse AmpR Medium.
Seit 2022 ist der Renault Megane Electric auf dem Markt, bisher mit eher durchschnittlichem Erfolg. Der Fünftürer ist vielen Kunden zu teuer. Ein Schicksal, dass sich der Franzose mit der avisierten Konkurrenz in Form von VW ID.3 und Opel Astra Electric teilt. Auf der IAA Mobility im September feierte der elektrische Renault Scenic seine Weltpremiere. Das Crossover-Modell auf gleicher Basis soll mit einem größeren Platzangebot und mehr Variabilität punkten.
Google statt Software-Dramen
Bei der Software setzen die Franzosen auch hier auf ihre Partnerschaft mit Google. Die Navigation mit Echtzeit-Verkehrsdaten und die Sprachsteuerung über den Google Assistant funktionieren zuverlässig, in Gebieten ohne Internet-Anbindung gibt es ein Offline-Backup.
Das Ampere-Portfolio für Renault soll mittelfristig sieben Modellreihen umfassen. 2024 startet unterhalb von Megane und Scenic der lange angekündigte neue Renault 5 mit Elektroantrieb und einem sympathischen Retro-Design ohne Kitsch. 400 Kilometer Reichweite werden in Aussicht gestellt, dazu ein Basispreis von rund 25.000 Euro. Der VW ID.2 soll mit den gleichen Eckdaten punkten – kommt aber erst mindestens 12 Monate später auf den Markt.
Zum gleichen Zeitpunkt soll die Wiedergeburt des Renault 4 in die Verkaufsräume der Händler rollen. In welcher Form der Geist des einstigen Massen-Mobils in einen martialisch auftretenden City-SUV-Kontext übersetzt werden kann, bleibt abzuwarten.
Der nächste Twingo – jetzt schon Kult?
Feuchte Hände von Fans des mobilen Minimalismus dürfte die dritte Neuankündigung von Ampere auslösen. Was als „Legend“ in Aussicht gestellt wird, soll ein elektrischer Kleinwagen als Wiedergeburt des ersten Renault Twingo aus dem 1990er-Jahren werden.
2026 kommt der charismatische Frankreich-Mini auf den Markt. Angaben zur Reichweite werden noch nicht gemacht, vielmehr möchten die Entwickler einen Verbrauchswert von 10 kWh Strom auf 100 Kilometer erreichen. Das Streben nach Effizienz macht Sinn. Nur so lässt sich die Größe der Batterie reduzieren. Das spart Gewicht und Geld. Auch für den Kunden. Der neue Twingo soll als Elektroauto unter 20.000 Euro kosten.
Fünftürer für unter 20.000 Euro
Die erste Designstudie zeigt, wie gerne auch die Renault-Bosse die gesichtslosen Twingo-Generationen zwei und drei vergessen wollen. Mit den halbrunden LED-Scheinwerfern, dem One-Box-Design, runden Abdeckungen um die Türgriffe und dem steilen Heck zeigt der neue Twingo, wie der Kult des ersten Modells in die Zukunft übertragen wird. Die drei Lufteinlässe auf der vorderen Haube überlegen als Gestaltungselement, die beherbergen – zumindest in der Studie – eine gut sichtbare Anzeige für den Ladestand des Akkus. Auch das Cockpit mit der reduzierten Digital-Anzeige in der Mitte des Armaturenbretts soll wieder auferstehen.
Diese 20.000-Euro-Preisregion peilt auch Citroën mit einem künftigen Basismodell des ë-C3 mit kleinem Akku für rund 200 Kilometer Reichweite an. Im Design zeigt er sich pragmatischer, dürfte aber damit auf seine Art und Weise viele Kunden ohne Langstrecken im Fahrprofil für sich gewinnen.
Fiat auf der Erfolgsspur
Wie das funktioniert, zeigt Fiat, im Stellantis-Konzern eine Schwestermarke von Citroën schon heute. Der Fiat 500 ist als Verbrenner seit 2007 beinahe unverändert auf dem Markt und auch heute noch erfolgreich. Dazu kommt das elektrische Parallel-Modell. Beide 500er zusammen kletterten im Oktober 2023 sogar auf die Spitzenposition der deutschen Zulassungsstatistik.
Aktuell führen die Italiener den Fiat 600 mit Elektroantrieb ein. Auf Basis der e-CMP-Plattform von Stellantis setzt auch er auf das typisch italienische Fiat-Design. Mit einem Basispreis von 36.490 Euro ist er zwar nicht günstig – aber schon jetzt weniger teuer als der ähnlich gestrickte Ora Funky Cat aus China (ab 38.990 Euro).
Opel dürfte auf absehbare Zeit Pläne für einen elektrischen Kleinwagen unterhalb des Corsa konkretisieren, der wohl die Technik des Citroën ë-C3 übernimmt und gegen den VW ID.2 positioniert wird. Wenn diese beiden deutschen Elektro-Minis auf den Markt kommen, dürften sie nicht nur gegen Renault 5 und Co. antreten müssen – sondern auch gegen Importware aus Fernost. Kein leichtes Spiel für die deutschen Hersteller. Aber eine Herausforderung, der sie sich stellen müssen.
Fazit
Wer elektromobilisiert die Massen? Es dürften nicht unbedingt die Asiaten sein. Mit Citroën ë-C3, Renault 5 und vor allem dem geplanten neuen Twingo zeigen die französischen Marken, was man möglich machen kann. Wenn die Serienmodelle das halten, was die Studien und Ankündigungen versprechen, wird es für die deutschen Hersteller schwer, im Segment der Brot-und-Butter-Autos Marktanteile zu halten.
Vielleicht besinnen sich die Strategen ja auf simple Ideen wie den ersten Ford Ka oder den Steilheck-Polo der 80er, um auch Otto Normalbürger und Lieschen Müller (die Namen sind rein zufällig gewählt, jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist Zufall) auch im Elektro-Zeitalter mobil zu halten.
Im Video: VW ID.2 all