Eng, laut und toll. Der Abarth 695 70° Anniversario im Alltagstest.
Jetzt komm´ mir nicht so! Nicht mit der „Leiden hat doch mit Spaß nichts zu tun“-Nummer! Ist das so? Wirklich? Schauen wir doch mal die verzerrten Gesichter der Damen und Herren im Fitnessstudio an. Oder erinnern uns an die schweren Momente eines Lauftrainings. Wer paukt, muss sich durchbeißen. Und auch bei dieser einen Sache, bei der sich Menschen ziemlich nahekommen, wird geschnauft und geschwitzt.
Der Abarth 695 im Video-Review
Ist das Training beendet, der angestrebte Schulabschluss erreicht oder diese andere Sache beendet, fühlt man sich meist gut. Glücklich. Kommen wir nun also zum Thema Auto, genauer zum Abarth 695. Auch hier leidest Du. Als großer Mensch kauerst Du weiterhin auf zu hohen Sportsitzen unter der Blechkuppel. Das Lenkrad ist zu weit vom Oberkörper entfernt. Und es kann laut werden.
Aber etwas ist anders. Beim kleinen Italiener überkommt Dich der Spaß im gleichen Moment wie das Leid. Denn schon auf den ersten Metern zeigt er erneut, was für eine Fahrspaßgranate man aus dem Fiat 500 machen kann.
2019 feierte die Marke Abarth ihren 70. Geburtstag. Recht spät im Jahr kam dafür das Sondermodell Abarth 695 70° Anniversario auf den Markt. Bei den Händlern dürften noch Exemplare des auf 1.949 Exemplare limitierten Modells stehen. Neu konfigurieren lässt er sich nicht mehr.
180 PS im Kleinwagen
Die Zahl 695 kennzeichnet die Sonderserien bei Abarth, während die 595-Modelle in ihren unterschiedlichen Ausprägungen die regulären Serienautos darstellen. Vom 595 Competizione und 595 EsseEsse übernimmt das Julibäumsauto die maximale Leistungsstufe des 1,4 Liter großen Vierzylinder-Turbomotors.
132 kW / 180 PS stehen bereit. Das maximale Drehmoment von 250 Nm steht relativ spät bei 3.000 U/min bereit, wenn der große Lader Luft geholt hat. Aber auch vorher geht der 695 vehement voran. Neueinsteigern sei eine Vorwarnung empfohlen.
Man fühlt sich, als reite man auf einer Kanonenkugel. Jeden winzigen Gasbefehl setzt der Abarth in Vortrieb um. Das Fahrwerk ist knackig hart und lässt ihn auf der Straße kleben. Auch dann, wenn man es gar nicht mehr vermuten möchte. Für 1.990 Euro extra lässt sich ein Sperrdifferenzial für die Vorderachse bestellen. Ein Koni-Fahrwerk mit frequenzselektiven Dämpfern“ ist serienmäßig.
Auf die Abgasanlage kommt es an
Am Heck lugen vier Endrohre hervor. „Record Monza“ nennt Abarth die werkseigene Abgasanlage. Wahre Fans der Marke müssten ihr im Vergleich zur Akrapovic-Variante den Vorzug geben. Denn Carlos Abarth begann seine Erfolgsgeschichte ja mit Sportabgasanlagen.
Die Klappensteuerung wird nach dem Druck auf die Sport-Taste im Cockpit richtig wach. Der 695 wechselt die Stimmlage. Spätestens jetzt rechnet keiner mit einem 3,66 Meter kurzen Kleinwagen, der ums Eck biegt.
Beim Anfahren krawallt es ganz schön. Doch dann wird der Abarth plötzlich brav, fast zu leise. Erst, wenn über 60 km/h (ein Schelm, wer jetzt an Zulassungsvorschriften denkt) die Drehzahl die 3.000er-Marke erreicht, wird wieder trompetet.
Stress auf der Autobahn
Auf kurvigen Landstraßen und in Bergregionen ist ein Auto wie der 695 zuhause. Weniger auf der Autobahn. Hier lässt er, wenn der verstellbare Dachspoiler in der flachsten Position verschraubt ist, zwar sogar Tacho 242 (!) zu. Aber dann wird es anstrengend.
Wind, Reifen, Motor und Auspuff lärmen, das harte Fahrwerk gibt Stöße teils ungefiltert durch. Querfugen, zum Beispiel an Brücken, werden brutal weitergegeben. Außerdem wird der kurze Wagen dann zum Spielball der Kräfte.
Wenn das nicht reicht: Niemand im Vertreterdiesel nimmt den Fiat 500 im Rückspiegel ernst. Man zieht raus auf die linke Spur, ist mit 160 ja eh schon fix. Dass das Stadtwägelchen aber gerne mit weit über 200 Sachen angedonnert kommt und plötzlich ganz nah ist, sorgt bei allen beteiligten für Schreckmomente.
Spätestens dann schlägt die Stunde der Brembo-Bremsanlage. Sie verzögert phänomenal. Dass sie dabei quietscht, sei ihr verziehen. Wie so vieles am Abarth 695 70° Anniversario. Bis auf den zu hohen Benzinverbrauch, der sich auch im weitestgehend entspannten Alltag kaum unter 9,3 Liter bringen lässt.
Fazit
Das limitierte Sondermodell Abarth 695 70° Anniversario lohnt sich für Sammler oder für Fahrer, die den erhöhten Anpressdruck des Dachspoilers (bis + 42 Kilogramm bei 200 km/h) auf der Rennstrecke brauchen. Alle anderen können sich entspannen. Die maximale Leistungsstufe des Turbos gibt es auch in den scharfen Abarth 595-Varianten. Und Spaß machen sie alle! Leiden wird man auch.
Technische Daten
Abarth 695 70° Anniversario |
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Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
Hubraum | 1.368 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 132 kW / 180 PS bei 5.500 U/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 3.000 U/min |
Getriebe | Fünfgang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 225 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,8 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,4 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 5 205/40 R17 |
Leergewicht | ca. 1.200 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 3.660 / 1.627 / 1.485 mm |
Grundpreis | 32.840,67 Euro |
Testwagenpreis | 35.930,76 Euro |