Das Nischenauto für jeden Tag
Noch nicht mal 12 Uhr, aber der Hochsommer 2015 lässt auch diesen Sonntag auf neue Temperaturrekorde hinfiebern. Was also tun, wenn es einen nach draußen zieht, es aber auch im Schatten fast schon zu warm wird? Glücklicherweise steht vor der Tür die Alternative zur Sommerlethargie, hinein also in 8,21 Quadratmeter mit Aluminium und Stahl umbauten Raum. Sagen wir lieber Höhle, flach und kuschelig wie es von außen scheint. Ausfahrt im Audi TT.
Trotz ibisweißer Außenlackierung empfängt uns der Audi mit einem hervorragend vorgeheizten Innenraum – ein Umstand, wie geschaffen für eine Besonderheit der aktuellen TT Baureihe. Der erste Griff steuert die Fingerspitzen ausnahmsweise nicht zur konzernweit fast gleichen Klimabedieneinheit. Im wunderbar reduzierten Sportwagencockpit des TT hat Audi die Klimasteuerung ins Zentrum der Lüftungsdüsen platziert. Klare Displays mit statt rastenden Drehrädern drumherum finden sich in insgesamt fünf Lüftungsöffnungen im Turbinendesign. Totschick und dermaßen clever und simpel zu bedienen, dass ich mich nicht unbedingt wundere, warum vorher noch niemand darauf kam, sondern eher darüber, warum das nicht direkt alle nachmachen!
Der Startknopf ist gedrückt (sieht aus wie Metall, fasst sich wie die ganze Mittelkonsolenverkleidung auch so an, und ist es auch – hier taucht es das erste Mal auf, das Wort „Premium“!) und ich lasse angenehm kühle Luft in den Innenraum blasen.
Der 2,0 Liter Turbo-Benziner mit 230 PS (die Super-befeuerte Allzweckwaffe des Volkswagenkonzerns, verbaut in verschiedene Modelle von Seat, Skoda, VW, VW Nutzfahrzeuge und Audi und in dieser Konfiguration mit 230 Pferdchen zum Beispiel auch im Performance-Modell des Golf GTI zu Hause) bläst auch aus, und zwar bestens katalysierte Abgase durch zwei Unterarmdicke Endrohre mit geschickt arbeitenden Klappen im Auspuff, so herrlich wie das bratzelt und zischt.
Endlich mal wieder ein Auto mit Schaltgetriebe. Die sechs Vorwärtsgänge lassen sich mit dem kurzen und griffigen Ganghebel hervorragend dirigieren. Unaufgeregt aber merklich vom Horizont abgezogen tigert der kompakte Sportaudi los. Schon auf den ersten Metern wird klar, dass ein Coupé wie der TT, Modular-Quergebaukastelt mit vielen Gleichteilen hin oder her, neben sportlichen Golfs und A3s auf jeden Fall seine Nische gefunden hat. Der niedrige Schwerpunkt und die gekonnte Abstimmung des einstellbaren „Magnetic Ride“ – Fahrwerkes lassen die Sportambitionen des Wagens erkennen. Ohne freilich ein angestrengtes und damit anstrengendes Stück Automobil unter dem Hintern zu haben. Selbst im sportlichen Dynamic-Modus knallt der TT zwar strohtrocken über Querfugen und Gullideckel, haut Dir aber nicht mit voller Wucht in die Bandscheiben – eine Abstimmung die durchaus positiv überrascht und gefällt.
Besonders mit dem, bei entspannter Fahrt ruhigen und souveränen, 2,0 TFSI – Motor ist der TT der perfekte Begleiter für den Alltag. Da er ruhig ein bisschen bissiger sein dürfte, werfe ich direkt ein paar Euro in die Macho-Kasse und wage es, den Begriff „Hausfrauen-Racer“ hier niederzuschreiben. Am besten aber für kinderlose Damen, denn obwohl der TT auf der ähnlich wie Rücksitze aussehenden Ablagefläche im Fond tatsächlich Isofix-Haken präsentiert, scheitert der Einbau jeglicher Kindersitze nicht nur am de facto nicht vorhandenen Beinraum (hinter dem 1,92 cm großen Redakteur passt maximal noch der TT-Katalog, aber ohne die dicke Preisliste zwischen Sitzlehne und Rückbank), sondern auch an der nicht vorhandenen Kopffreiheit unter der schrägen Heckklappe. Die verbirgt dafür einen durchaus akzeptablen Kofferraum (305 Liter), der mit einem 480 Euro teuren Kofferset aus der erwähnten Enzyklopädie „Audi TT – Preise und Sonderausstattungen“ optimal genutzt werden kann.
Blicken wir wieder nach vorne, so wie es sich beim Ausritt mit einem asphalthungrigen Sportwägelchen gehört. Anders als ein effekthaschender BMW Z4, der dem Fahrer mit einer endlos langen Motorhaube mehr vorgaukelt, als er ist, präsentiert sich der TT als Kompaktwagen im positiven Sinne. Die Lenkung erlaubt das perfekte Ansteuern der Kurve, die du dir über die kurze Motorhaube optisch zurechtgelegt hast. Der frontgetriebene Audi durcheilt eben diese Biegung in der Landstraße wie auf den oft zitierten Schienen. Auch bei Vollgas am Kurvenausgang zerren die 230 PS erstaunlich wenig an den Vorderrädern – dem elektronischen Sperrdifferenzial mit radselektiver Momentsteuerung sei Dank. Zugunsten eines niedrigeren Fahrzeuggewichtes – TT 2,0 TFSI in Basisausstattung 1.305 kg – kann man hier durchaus auf den optionalen Allradantrieb verzichten.
Fahrzeug und Fahrer werden schnell eins, man kuppelt und schaltet sich mit Freude durch die Übersetzungen und hat den TT mit dem sehr schicken und handfesten Sportlenkrad sicher im Griff. Zeit, eine weitere Neuigkeit auszuprobieren: Das Virtual Cockpit.
Die digitalen Anzeigen sind ja auch bei Käufern eines aktuellen Passat und Q7 hoch im Kurs, machen aber eigentlich hier im TT nur wirklich Sinn. Das zeigt sich schon daran, dass das Display im TT Serie ist. Klar, da das reduzierte Cockpit keinen Platz für einen zentralen Monitor lässt, übernimmt der Instrumenteneinsatz die Rolle der Kommandozentrale für Fahrdaten und Infotainment nebst Navigation. Das gelingt gut und ist vor allem für einen Ersttäter wie mich eine nette Spielerei. Ob damit der Fahrer aber wirklich weniger abgelenkt wird, wage ich zu bezweifeln. Gerade bei großer Navikarte sind die Anzeigen des dann in die Ecke gedrängten Tachometers nicht spontan abzulesen. Ein weiterer Grund, mal wieder die Preisliste heranzuziehen und die Option „kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung“ zu vermerken. Die arbeitet für 150 Euro Aufpreis zuverlässig, wenn auch manchmal leicht zeitverzögert. Insgesamt befinde ich es noch zu früh, das virtuelle Instrumentendisplay wirklich als Fortschritt anzusehen – noch lenken die vielen Anzeigen den Spieltrieb im Fahrer, was nicht unbedingt im Sinne der Verkehrssicherheit ist.
Mit der ersten Generation hatte der TT den Spitznamen „Panzerspähwagen“ mit auf den Weg bekommen. Jeder, der über kleine Fensterflächen und die damit einhergehende schlechte Übersicht schimpft, sollte ich einfach mal in das Coupé hineinsetzen. Nach allen Seiten ist der TT wunderbar einzusehen, es ist ebenso wunderbar herauszusehen und vor allem die große Heckscheibe lässt viel Licht in den penibel verarbeiteten Innenraum.
Die serienmäßigen Sportsitze wären fast bequem – wenn dieser Unsinn mit den integrierten Kopfstützen endlich mal aufhören würde. Weil man die nicht einstellen kann, ist ein Kompromiss für den Nichtdurchschnittsmenschen zwangsläufig – dass die Oberkante der Kopfstütze beim höhergewachsenen Autor oberhalb des Nackens endet, kann und sollte einfach nicht sein. Genügend Platz für eine ausziehbare Stütze wäre auch unter der flachen TT-Kuppel gegeben, die Kopffreiheit ist vorhanden.
Was bleibt hängen nach unserem Ausflug mit dem TT? Gute Eindrücke auf jeden Fall, Audi hat es geschafft, das Coupé weit genug weg von GTI und S3 zu positionieren. So baut man nicht nur ein Auto, sondern sich auch die dazugehörige Nische. Als 2,0 TFSI ist der TT angenehm und ausreichend motorisiert und muss mit ca. 9 Litern auf 100 Kilometer (bei einer anderen Etappe - Ritt über die Autobahn 10 Liter / 100 km) auch keinesfalls zur Trinkertherapie. Dennoch macht vor allem dieses Modell Lust – Lust darauf, den TT mit dem Zusatzbuchstaben „S“ auch einmal auszuprobieren, der dürfte dem kompakten Sportwagenideal schon sehr nahe kommen. Der Geldbeutel bleibt natürlich Fan der 230 PS-Version, die schon bei 35.000 € losgeht. Dann freilich ohne die vielen schönen Gimmicks, die das Fahrerleben schöner machen. Der Testwagen, u.a. ausgestattet mit S-Line-Exterieurpaket, Navigationssystem, einstellbarem Fahrwerk und weiteren Annehmlichkeiten, kommt auf 54.115 Euro. Viel Geld für ein Auto – aber sicherlich auf dem Fahrspaßkonto gut angelegt.
Was mich überrascht hat
Wie wenig Kompaktklasse-Basis beim TT durchschimmert, wie viel Sportwagen er heraushängen lässt.
Was mich irritiert hat
Wie man immer noch Sitze mit integrierten Kopfstützen (Nackenstützen) verbauen kann, ohne dass sich die Autopresse und Kunden aufregen.
Was mich beeindruckt hat
Wie schick und edel Audi die Klimasteuerung hinbekommen hat. Apple-Design fürs Innenraumklima. Bitte nachmachen, wer auch immer!
Was mich gestört hat
Dass wir nicht gleich noch einen TTS zum Fahrvergleich heranziehen konnten.
HIER geht es zu einem weiteren Erfahrungsbericht über den TT, diesmal aus Sicht einer Frau
Danke an Andreas H. für die Mitarbeit