Erste Fahrt im neuen BMW 320d. Der Vierzylinder-Diesel weiß zu gefallen.
Das SUV-Werk von BMW in Spartanburg (South Carolina) mag mittlerweile noch vor den bayerischen Standorten die größte Fabrik der Marke sein, allen X-Modellen und anderen Marktsegmenten zum Trotz ist der BMW 3er aber nach wie vor das Herz der Marke.
Die Mittelklassebaureihe ist der Gradmesser für die Positionierung von BMW. Mögen 5er und 7er dem Komfortbedürfnis internationaler Kunden Rechnung tragen, SUVs den Lifestyle befriedigen und die 2er Tourer auch mal profan versuchen, Best Ager und Familien anzusprechen: der BMW 3er war, ist und bleibt die sportliche Benchmark im absatzstarken Mittelklassesegment.
Da könnte man meinen, die Produktplaner und Entwickler im FIZ gehen mit Samthandschuhen und Fingerspitzengefühl vor, wenn es an die Neuauflage geht.
Der erste optische Eindruck lässt das auch spontan vermuten. „Kennst du einen, kennst du alle“ funktioniert seit vielen Jahren auch beim BMW-Design. Da verwundert es nicht, dass der neue 3er als kleiner 5er durchgeht.
Einzig die dreidimensional ausgeformten Heckleuchten wirken richtig anders, was an der dunklen Tönung der oberen Hälfte liegt. Manch Kritiker wirft dem Hintern des 3er globalen Massengeschmack vor, was auch gar nicht verwerflich ist. Ein Auto soll und muss heutzutage weltweit Geld verdienen.
In Deutschland funktioniert das im Geschäft mit Firmenwagenfahrern und Flottenkunden, allen aktuellen Turbulenzen zum Trotz, noch immer mit einem guten Dieselmotor.
Der zwei Liter große Selbstzünder leistet, die im Vorgänger, 140 kW / 190 PS. Das war es dann aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten, vor allem gefühlter Natur.
Beim Kaltstart ist der neue BMW 320d außen noch als Selbstzünder zu erkennen, aber im Interieur herrscht Ruhe. Das liegt einerseits an der verbesserten Geräuschdämmung der intern G20 genannten Baureihe mit Akustikverglasung der Windschutzscheibe und ausgeschäumten Hohlräumen sowie einer optional erhältlichen Akustikverglasung für die vorderen Seitenscheiben, andererseits aber auch am neuen Motor.
Das kernige Nageln, dass beim bisherigen BMW 320d vor allem beim Beschleunigen aus niedrigen Umdrehungen heraus die Szenerie beherrschte, fehlt dem neuen Modell.
Eine jetzt zweistufige Turboaufladung mit großer Niederdruckstufe samt variabler Geometrie und einer kleinen Hochdruckstufe sorgt für eine lineare Leistungsentfaltung.
Beides sorgt dafür, dass der BMW 320d sich schnell als ideale Reiselimousine empfiehlt. Er ist schnell, stachelt aber aufgrund des ruhigen Charakters nicht unnötig an. Er ist leise. Und er ist komfortabel.
Womit die zweite bemerkenswerte Neuheit beim BMW 3er ins Spiel kommt. Das Serien- sowie das Sportfahrwerk, mit dem der Testwagen vorfuhr, kommen künftig ab Werk mit radhubabhängiger Dämpfung.
An beiden Achsen stecken, vereinfacht ausgedrückt, hydraulische Zusatzdämpfer in den Dämpfern. An der Vorderachse arbeiten diese in Zugrichtung, das für mehr Stabilität beim Überfahren von Kuppen und Querfugen sorgt. An der Hinterachse wird das System in die andere Richtung aktiv, verhindert zu starkes Einsenken und Durchschlagen an der Hinterachse.
Zusätzlich sind die Dämpfer gegenüber dem Vorgänger um 2,5 Zentimeter länger, auch beim um zehn Millimeter tiefergelegten Sportfahrwerk.
Klingt zu kompliziert? Okay, dann so: Bei den ersten Ausfahrten überzeugte der BMW 320d mit geschliffenem Federungskomfort, der die Option des weiterhin angebotenen adaptiven Fahrwerks für viele Kunden überflüssig machen dürfte.
Die Limousine wirkt wesentlich komfortabler und trotz einer Gewichtsreduktion um bis zu 55 Kilogramm für das Popometer „schwerer“ als der Vorgänger.
Dabei schafft der 3er den Spagat, weiterhin dynamisch zu wirken. Er überlässt dem größeren 5er die Rolle der unbedingten Reiselimousine und will weiter Spaß machen. Das gelingt ihm sehr gut.
Die bis hin zur Seitenwangenbreite vielfach elektrisch einstellbaren Sportsitze sorgen zusätzlich für das Turnschuhgefühl der jetzt 4,71 Meter langen Limousine.
Von dort blickt man auf die gewohnt intuitiv bedienbare BMW-Cockpitlandschaft. Die kann man mittlerweile vor allem deswegen idiotensicher bedienen, weil alles möglich ist: Es lässt sich auf das jetzt serienmäßige 8,8-Zoll Display über der Mittelkonsole touchen. Es lässt sich nach wie vor etwas ungelenk mit Gesten arbeiten. Es lässt sich mit dem neuen BMW Intelligent Personal Assistant reden. Das ist eine weiterentwickelte Sprachsteuerung, die digital mitdenkt und einfach in einem Rutsch angesprochen werden kann.
„Hey BMW, fahre mich nach Hause“ startet zum Beispiel die Navigation an den Heimatort. Fällt auf dem Weg die Temperatur und die Software weiß, dass der Fahrer immer ab fünf Grad Außentemperatur die Sitzheizung einstellt und die Temperatur im Innenraum um ein Grad erhöht, geschieht irgendwann beides automatisch.
Haben wir etwas vergessen? Aber klar! Und zwar das iDrive. Denn allen neuen Ansprachen, Fingerabdrücken und Fuchtelein zum Trotz ist der zentrale Dreh-Drück-Steller, der 2001 mit viel Kritik eingeführt wurde und sich seitdem zur Perfektion evolutioniert hat, noch immer das Nonplusultra.
Geschickt ist auch das Zusammenspiel aller Bedienschritte. Die Eingabe einer Navigationsadresse kann man handschriftlich beginnen und dann mit dem iDrive weiterführen oder zur Spracheingabe wechseln.
Der Weg zum Ziel wird dann ohne Verzögerungen erreicht, weil die Echtzeit-Verkehrserkennung den optimalen Weg plant. Die Anzeige der Route und der Fahrempfehlungen kann man, wenn man mag, gleichzeitig auf dem zentralen Display, dem weiter gewachsenen Head-up-Display und dem auf Wunsch volldigitalen Kombiinstrument betrachten.
Fast schon zu viel des Guten. Aber auch hier gilt: Fast alles ist möglich. Navigation ins HUD und in die Mitte, dafür die Entertainmentanzeige hinter das Lenkrad. Oder anders herum. Oder, oder, oder.
„Entdecke die Möglichkeiten“ könnte auch hier das Motto lauten, was und zum Besuch des schwedischen Möbelhauses bringt. Kauft man dort ungeplant eine Garderobenstange oder eine längere Topfpflanze, lässt sich beides mittig durch die im Verhältnis 40:20:40 umklappbare Rücksitzbanklehne durchladen. Mitfahrer Drei und Vier können also an Bord bleiben.
Beide haben deutlich mehr Platz als bisher. Sitzt und passt, ohne üppig zu sein. Sie ahnen es – jetzt kommt wieder ein Hinweis auf den 5er.
Anders als der größere Bruder hat der neue BMW 3er auch weiterhin harten Kunststoff an den Seiten der breiten Mittelkonsole verbaut, was auf längeren und kurvenreichen Strecken noch immer für Schmerzen am rechten Fahrerknie sorgt.
Fazit zum BMW 320d
Daran scheitert die Urteilsverkündung aber nicht. Viel mehr als der Vorgänger ist der neue BMW 320d ein fast idealer Firmen- und Langstreckenwagen. Komfortabel, ohne die Dynamik zu vernachlässigen. Geräumig und leise. Schnell genug um täglich neu zu motivieren. Ganz ehrlich: Mehr Motor, auch mit mehr Zylindern, ist nett, muss aber wirklich nicht sein.
Der BMW 3er bleibt sich nach über 15,5 Millionen gebauten Exemplaren also auch in der siebten Generation treu. Das gilt auch für den Preis: Er bleibt ein Premiumprodukt. Als 320d kostet die neue Limousine mit manuellem Schaltgetriebe ab 40.450 Euro, die Version mit dem empfehlenswerten Achtstufen-Automatikgetriebe ist ab 42.600 Euro zu haben.
Technische Daten
BMW 320d |
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Hubraum | 1.995 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 140 kW / 190 PS bei 4.000 U/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 1.750 - 2.500 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 240 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,5 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 4 225/45 R18 |
Leergewicht | 1.530 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.709 / 1.827 / 1.435 mm |
Grundpreis | 42.800 Euro inkl. Sport-Automatik |