RFK? Das übersetzt der Autokenner direkt in Rückfahrkamera. Richtig. Der BMW-Boy denkt aber auch noch ums Eck. RFK war auch die Abkürzung eines Münchner Entwicklungsprojekts namens „Raumfunktionales Konzept“. Das war in den Nullerjahren, als ein völlig neues Fahrzeugkonzept als BMW V5 durch die Medien geisterte.
Noch bevor der SUV-Zug so richtig ins Rollen kamen, wurde mit Reisefahrzeugen experimentiert. Konkurrent scheiterte mit er R-Klasse kläglich. BMW ging 2009 mit dem 5er Gran Tursimo (GT) an den Start.
„Der beste Mercedes, den BMW je gebaut hat“ lautet eines der treffenden Pressezitate aus dieser Zeit. Denn er große Wagen mit dem schrägen Heck, der mehr 7er als 5er war und durchaus polarisierte, setzte alles auf die Komfortkarte. Viel Platz, tolle Sitze und mehr Bodenfreiheit.
Mit knapp 150.000 gebauten Autos in acht Jahren war der BMW 5er GT auf jeden Fall ein Achtungserfolg, der eine Klasse darunter auch den Weg für den geschickter proportionierten BMW 3er GT ebnete, der vor allem bei Familien ankommt.
Grund genug für die Entwicklung es Nachfolgers. Im Zuge einer Neuausrichtung einzelner Modelle positioniert BMW den Gran Turismo seit der Premiere 2017 als 6er GT. Damit wird seine Rolle als Bindeglied zwischen dem 5er und dem 7er gleich klar.
Wobei das nur die halbe Wahrheit ist. Das wird klar, sobald man im großen BMW mit dem schrägen Heck Platz genommen hat. 3,07 Meter Radstand, exakt das Niveau des 7er, sorgen für verschwenderische Platzverhältnisse im Innenraum. Auf der bequemen Fondbank mit elektrisch verstellbarer Rückenlehne lässt es sich räkeln und selbst auf längsten Langstrecken aushalten.
Bei einem BMW erübrigt sich eigentlich die Feststellung, dass auch Fahrer und Beifahrer prima bestuhlt sind. Vor allem nach der Investition in die 2.290 Euro teuren Komfortsitze werden die vorderen Plätze zum Kinosessel für viele Roadmovies.
Wenn schon, denn schon: Die Heimeligkeit des Testwagens ließ das Fehlen einer Massagefunktion erkennen. Unbedingt mitbestellen, und weil man schon dabei ist, auch gleich ein Kreuzchen bei der Sitzbelüftung für heiße Sommertage machen.
Das Geld kann man, je nach Aufgeschlossenheit, beim Antrieb sparen. Den hier zum Test ausgesuchten BMW 630i GT treibt ein zwei Liter großer Vierzylinder-Benziner mit 190 kW / 258 PS an.
Das mag Sammler von „Fern, Schnell, Gut“-Aufklebern erstaunen, macht im 6er GT aber gar nicht mal so einen Unsinn. Der etwas behäbige Wagen animiert weniger zum Kurvenräubern als zum entspannten Gleiten. Noch so eine Optionsidee: Das Luftfahrwerk für 1.950 Euro. das zur serienmäßig luftgefederten Hinterachse auch die Vorderachse mitbringt und dazu einen Comfort-Plug-Modus für die adaptiven Dämpfer.
Dann erschließt sich Reisenden auch sofort, warum der BMW 5er GT, und wohl auch bald der aktuelle 6er GT, im Straßenbild asiatischer Mega Cities so sehr viel öfter anzutreffen ist als in unseren Breitengraden.
Dort dauert die Fahrt ins Büro nämlich gerne mal so lange wie die von München nach Nürnberg. Egal ob man sich wie der Abteilungsleiter in Seoul oder Peking chauffieren lässt, oder selber die A9 in Angriff nimmt. Das Auto sorgt dafür, dass man entspannt ankommt.
Der vierzylindrige 630i wird dabei auch durchaus schnell, fix ist er ohne große Töne auf über 210 km/h und schwimmt nicht nur im Verkehr mit, sondern sorgt mit seiner Massigkeit für eine brandende Bugwelle.
Trotz der rahmenlosen Seitenscheiben halten sich die Windgeräusche auch bei hohen Geschwindigkeiten im Hintergrund, die gute Dämmung sorgt außerdem dafür, dass keine Abrollgeräusche zu den Insassen dringen.
Der Basismotor reicht also auch für die meisten deutschen GT-Kunden aus, da selbst sein Klangbild selten über Gebühr daran erinnert, dass kein berühmter Reihensechszylinder unter der Haube werkelt. Den bietet BMW natürlich in Form des 640i ebenso an wie drei verschiedene Diesel mit vier und sechs Töpfen.
Das Cockpit und die Bedienung entspricht 5er und 7er, stellt also auch hier den nahezu perfekten Zustand einer Mensch-Maschine-Interaktion dar.
Der iDrive-Controller in der Mittelkonsole ist weiterhin die geschickteste Art, sich durch die stetig wachsenden Menüstrukturen zu navigieren. Außerdem kann man seine Oberfläche für handschriftliche Eingaben von Navigationszielen nutzen.
Das zentrale Display lässt auch Berührungen zur Bedienung zu, außerdem gibt es optional eine Gestiksteuerung. Die kann man sich aber sparen. Zu oft erkennt das System gewollte Bedienbefehle nicht, fängt aber in ganz anderen Situationen an, auf nicht beabsichtigte Befehle zu reagieren.
Dann lieber die Sprachsteuerung. Sie reagiert ohne Umwege auf eingegebene Adressen und Befehle. Manchmal dauert die Berechnung zwar ein paar Sekunden zu lange, dafür fragt das System aber nicht umständlich nach, startet ohne „sagen Sie ja/nein/vielleicht“ etc. die Zielführung und ist damit eine wirkliche Hilfe im Alltag.
Das gilt auch für die RFK – da haben wir die drei Buchstaben wieder. Wie der Computer beim Rangieren künstliche Kamerafahrten von der Front zum Heck und an die Seiten zelebriert, ist schon großes Kino. Das manchmal aber aufhält, wenn es schnell gehen muss. Auch hier will der 6er wohl entschleunigen (oder man schaltet händisch um).
Der BMW 630i GT ruht also in sich. Das gilt auch für den Fahrer, bis eine auf Unebenheiten klappernde Rücksitzbank und Knistergeräusche aus dem Einbauort des fulminanten Head-up Displays bei kalten Temperaturen für die Erkenntnis sorgen, dass auch im (Reise-)Paradies nicht alles perfekt ist.
Fazit zum BMW 630i GT
Der BMW 630i GT empfiehlt sich, trotz oder auch gerade mit dem Vierzylinder-Benziner, als hervorragendes Reiseauto. Die fehlende Hektik belohnt er mit einem angemessenen Testverbrauch von 9,6 Litern Superbenzin auf 100 Kilometer.
Vor allem für den Einsatzzweck als Firmenlimousine, in der sich der Chef im Fond ausstrecken kann, schreit der 6er GT nach einem elektrifizierten Antrieb. Dann wäre er auch als Asia-Sechspress in Großstädten lokal emissionsfrei unterwegs und von Einfahrverboten ausgenommen. Und würde dadurch auch in Zukunft das Stadtbild bereichern. Auch bei uns, denn nicht nur im Interieurdesign oder auf dem Tisch schmeckt uns hier asiatischer Stil.
Das Raumfunktionale Konzept lebt weiter. Die Beharrlichkeit von BMW, am großen Wagen mit dem schrägen Heck festzuhalten, dürfte sich mittelfristig auszahlen. Weniger protzig als eine wirkliche Oberklasselimousine und geräumiger als ein SUV dürfte der 6er GT seinen kaufkräftigen Kunden folgen. Und auch Karriere machen.
Technische Daten
BMW 630i GT Luxury Line |
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Hubraum | 1.998 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 190 kW / 258 PS bei 5.000 - 6.500 U/min |
Max. Drehmoment | 400 Nm bei 1.550 - 4.400 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,3 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,7 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,6 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Hankook Winter Icept 245/50 R18 |
Leergewicht | 1.795 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.091 / 1.902 / 1.540 mm |
Grundpreis | 63.100 Euro |
Testwagenpreis | 83.660 Euro |