Der BMW 7er feiert dieses Jahr schon siebten Geburtstag.
Kinder, wie die Zeit vergeht. Der BMW 7er feiert dieses Jahr schon siebten Geburtstag und geht noch dazu im Sommer in Rente. Der Nachfolger läuft sich wild getarnt ja bereits für sein IAA-Debut warm, daher nutze ich die Gelegenheit (und die Verfügbarkeit eines Ausprobierautos), nochmal auf die auslaufende Generation zu blicken.
Nähern wir uns also dem 730d. Die Außenlackierung in „Carbonschwarz metallic“ schimmert blaustichig in der Frühlingssonne, ein toller Effekt. Aber auch ein exklusiver – wer sich in diesen Farbton verliebt hat, muss alleine dafür 8.280 Euro investieren. Darin enthalten ist das 7.200 Euro teure M-Sportpaket, das Voraussetzung für das Bad der Karosserie in eben dieser Farbe ist.
Unten drunter ist der famose 3,0 Liter Reihensechszylinder-Diesel verschraubt, 258 PS gepaart mit klassischem Standardantrieb. Eine unwichtige Nerd-Information: Das Basismodell ist als einziger 7er unterhalb des 12-Zylinder-Topmodells auch bei Entfall des Modellschriftzuges sofort identifizierbar: Als einzige Motorisierung streckt einem der 730d hinten ein klassisches Doppelendrohr entgegen, während alle anderen Siebener den Trend zu Auspuffblenden links und rechts mitmachen (760i im speziellen Design).
Der stärkste Buchstabe der Welt klebt an den Fahrzeugflanken, am Lenkrad und den Türeinstiegsleisten und weißt zusammen mit dem Aerodynamikpaket auf das genannte M-Paket hin, das u.a. noch spezielle Alus im 19-Zoll Format, einen schwarzen Innenhimmel, sportsitze und als technisches Highlight „Dynamic Drive“ beinhaltet: Das aktive Fahrwerk lässt die Fuhre weniger wanken (im Prospektdeutsch reduziert es die Seitenneigung) und bei sämtlichen Fahrmanövern fest auf der Straße kleben.
Trotz aller Fahrwerkstechnik eine kurze Schrecksekunde als nach beherztem Ampelstart mit Linkskurve (auf der leeren Landstraße, keine Sorge) das Heck eilig überholt und die Hinterreifen grell quietschend den Soundrtrack dazu schmettern. Zugegeben ließ sich dieses Manöver provozieren, und zwar nicht nur über den „Sport+“ Modus mit ausgeschaltetem ESP:
Es sei fix erwähnt dass der Testwagen auf Winterreifen daher rollte, und bei über 20 Grad Außentemperatur haben die halt nicht mehr unbedingt so etwas wie optimale Haftung (Echte Fans haben natürlich schon in der Bildergalerie erkannt, dass die montierten 19-Zoll Felgen und das M-Paket gar nicht kombinierbar sind).
Also wieder brav anhalten und nochmal mit der Preisliste den Innenraum inspizieren. Ich sitze auf einem genauso formidablen wie optionalen „Komfortsitz“ (1.050 € und nochmal 450 € für den massierenden „Aktivsitz“), blicke über die digitalen Anzeigen (450 €) und die lederbespannte Armaturentafel (1.450 €) direkt auf Zahlen und Verkehrsschilder, die vor dem Auto auf der Straße schweben. Nein, das sind weder bewusstseinserweiternde Chemikalien noch Zauberei, sondern das Head-Up Display als Bestandteil des „Innovationspaketes“ für mal eben 4.600 € (mit einer ganzen Armada an Fahrassistenten dazu). Und weil gerade Päckchen gepackt wurden: Das „Comfortpaket“ für 2.900 € dringt unter anderem die Zuziehautomatik für die Türen, die elektrische Heckklappe und das Schiebedach (erraten, auch elektrisch) mit.
Ich will jetzt nicht mit der Aufzählung aller Extras nerven, aber deutlich machen, dass man durchaus Werte in Firlefanz investieren kann. Statt dem Basispreis von 77.200 € kostet der Testwagen laut Liste mal eben 102.100 €.
Klar stellt sich die Frage, warum man bei solchen Preisen nicht gleich einen stärken 740d oder gar 750d nimmt. Ganz klar: Weil es nicht sein muss.
Die große BMW Limousine ist ein stattliches und bequemes Auto im wahrsten Sinne des Wortes. Trotz allem Selbstbewusstsein von Fahrwerk und Antrieb entschleunigt der 730d ungemein. Diese Vokabel ist aber nicht als Entschuldigung zu verstehen, jeder Tritt aufs Gaspdeal wird umgehend und Vortrieb umgesetzt und angenehm fauchend düst der Sechszylinder nach vorne, bis bei abgeregelten 250 Stundenkilometern der Zenit erreicht ist. Zügig und schnell, aber keinesfalls nervös.
Diese innere Ruhe erfährt man zugegebenermaßen erst nach einigen Stunden, wenn Fahrer und Auto miteinander vertraut sind. Auch ich hatte zuerst die Meinung „ein gut motorisierter 5er schafft doch das gleiche wie der 7er“. Aber weit gefehlt – klassisch in Vollfettstufe angerührt frisst die große BMW Baureihe Kilometer nicht nur, sondern schlemmt ganz entspannt, während sie auf den Fahrer ungemein beruhigend wirken kann.
Genau das macht den ganzen Charakter dieser 7er-Generation aus. Nachdem sich BMW mit neuer Nomenklatur (3er, 5er, 7er) in den Siebzigerjahren neu erfunden hatte, kam 1986 mit dem Siebener der Baureihe E32 die große Designrevolution bei den Münchnern: Elegante Linien, die Abkehr von der Haifischnase und die bis heute markenprägenden L-förmigen Rückleuchten zeichneten dieses Modell aus, das noch dazu den ersten Deutschen 12-Zylinder nach dem 2. Weltkrieg brachte (750i, 1987).
Danach kam 1994 der Nachfolger E38 mit nur behutsam aktualisieren Design, aber als erster Oberklasse-BMW mit Dieselmotor (zarte 143 PS im 725tds) und als erstes Serienauto in Deutschland überhaupt mit Navigationssystem angeboten wurde.
2001 dann der E65: Der Aufschrei nach der Premiere hallt heute noch als Echo durch die Frankfurter Messehallen. Der damalige Designer Chris Bangle hat Mut bewiesen, ein solches optisches Monstrum bis zur Serienreife zu entwicklen. Aber auch Weitsicht, denn gewisse Stilelemente haben bis heute nachhaltigen Einzug in das Automobildesign – nicht nur bei BMW – gefunden. Der eigentliche Verdienst dieser umstrittenen Siebener-Generation ist aber ein kleiner runder Knopf in der Mittelkonsole: er war der erste BMW mit „iDrive“. Damals von vielen unverstanden und auch noch nicht ganz ausgereift, hat dieses System nicht nur den Kreuzzug gegen analoge Knöpfe im Auto begonnen sondern sich bis heute auch zur absoluten Benchmark in Sachen Bedienstrukturen gemausert.
Nachdem also drei Siebener-Generationen in Folge mit Superlativen um sich werfen durften, kam 2008 der „F01“ auf den Markt und hat erfolgreich die Friedensfahne in Richtung aufgebrachte Kundschaft geschenkt. Ganz entspannt steht die Limousine auf der Straße und fällt nicht weiter auf, geht aber leider auch etwas im BMW-Designeinerlei unter.
So auch nach dem Einsteigen. Im Innenraum entspricht der 7er weitgehend gewohntem BMW-Standard aber setzt sich doch dezent von den günstigeren Baureihen ab. Die Hand fühlt einen belederten statt kunststoffernen Automatikwählhebel und erfährt die angenehme Kühle des iDrive-Kontrollers in Keramik (550 € Aufpreis).
Das Harman Kardon Soundsystem wirft 16 Lautsprecher und 600W Gesamtleistung in die Waagschale, überfordert aber den nicht audiophilen Nutzer mit ungewohnt detaillierten Equalizer-Einstellungen. Neben der Möglichkeit, zehn verschiedene Frequenzbereiche einzeln abzustimmen wären vorgefertigte Profile wie z.B. Pop, Rock, Dane, Live oder Klassik nicht schlecht.
Nachdem dieser Blog nicht „Audio Notzien“ heißt kann ich zumindest ohne schlechtes Gewissen berichten, dass ich auch am dritten Tag meines 730d-Techtelmechtels noch nicht die für mich ideale Klangeinstellung gefunden hatte. Dafür klappt die Kopplung sämtliches Musikquellen vorbildlich schnell – USB-Stick in der Mittelarmlehne, CD im Laufwerk und Handy über Bluetooth – da fehlt nichts, außer vielleicht de interessanten Option „Online Entertainment“, mit der der BMW über die fahrzeugeigene SIM-Karte auf Millionen von Musiktiteln zugreift.
Die neue digitale Welt hat also schon Einzug gehalten im BMW Siebener, während die Modellreihe nach sieben Jahren in ihren letzten Sommer geht. Der Nachfolger wird natürlich alles besser können, leichter sein und kann sogar ganz alleine in Garagen hinein- und wieder herausfahren. Was eine Oberklasselimousine können muss, beherrscht aber auch das Auslaufmodell schon sehr gut: Lange Strecken abspulen, den Weg vorgeben und die komfortabel untergebrachten Passagiere unterhalten – damit sind nicht nur A8 und S-Klasse starke Mitbewerber, sondern auch die Bahncard 100 und „Miles and More“. Lang lebe der Individualverkehr!
Gedanken zum Testobjekt
Was mich überrascht hat
Meine falsche Meinung zu digitialen Instrumenten. BMW hat das sehr unaufdringlich hinbekommen und die unterschiedlichen Anzeigenmodi sind eine tolle Spielerei
Was mich irritiert hat
Wie ruppig die Start/Stop-Automatik auch dem Sechszylinder einen Knüppel zwischen die Beine wirft
Was mich nachhaltig beeindruckt hat
Nichts - und das ist positiv gemeint: Der Siebener ist ein angenehmer Begleiter, der einen gut bettet ohne zu fesseln.
Was mich gestört hat
Siehe vorheriger Punkt