Der elektrische BMW i7 xDrive 60 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Seit jeher gilt die 7er-Baureihe bei BMW als Technologieträger. Das begann schon mit der ersten Generation (E23), die im Jahr 1977 erstmals einen elektronischen Tacho mitbrachte. 1986 war der zweite 7er (E32) das erste Auto mit Xenonlicht und Parksensoren. Das fest eingebaute Navigationssystem feierte im E38 Premiere.
Der BMW i7 xDrive 60 im Video
2001 dann der große Aufschrei. Auch das musste erst gelernt werden. BMW präsentierte mit dem Modell E65 den noch heute berüchtigten „Bangle-Siebener“. Das Design sorgte viele Jahre für kontroverse Diskussionen. Dabei sollte nicht vergessen werden: Mit diesem Modell wurde das iDrive-Bedienkonzept mit Dreh-Drück-Steller präsentiert. Es gilt bis heute als Benchmark für die Interaktion von Fahrer und Auto.
Bis heute wurde das iDrive-System stetig weiterentwickelt, ist aber im ganz neuen 7er der siebten Generation (G70) nur noch ein Teil vieler Möglichkeiten. Längst sind Touchscreen, Gestik-Steuerung und Sprachbedienung dazugekommen.
Was die neue Generation mit dem Urahn aus der Feder von Designer Chris Bangle eint, ist ihr Frontalangriff auf das Geschmacksempfinden vieler Betrachter. Mit der riesigen Kühlerniere, schmalen Scheinwerfern und großen Blechflächen gefällt auch dieser Oberklasse-BMW nicht jedem.
Europa? Nebenschauplatz
Dazu muss man wissen: Längst spielt Europa beim Absatz teurer Limousinen keine große Rolle mehr. Für den 7er rechnet BMW damit, dass 45% aller verkauften Autos nach China gehen, 20% in die USA und 26% nach Südkorea sowie weitere asiatische Märkte. Nur neun von 100 Autos sollen in Europa bleiben. Wenn man über Geschmack streiten will, muss man also auch das unterschiedlich gewichtete Geltungsbedürfnis von Kunden in diesen Märkten im Kopf behalten.
Als erster 7er kommt G70 auch als Elektroauto. Unter dem Namen i7 tritt der Bayer vor allem gegen den Mercedes EQS an. Im Gegensatz zur Konkurrenz aus Stuttgart verfolgt BMW mit seinem CLAR-System (Cluster Architecture) die Strategie, Elektro-Varianten mit den Verbrennern und Hybriden auf eine Plattform zu stellen und an einem Band zu fertigen. Schon den i4 gibt es als E-Pendant zum BMW 4er Gran Coupé, jetzt folgt der i7.
Wir trafen den Elektro-7er erstmals unter kalifornischer Sonne. Schon auf dem Parkplatz des Hotels zeigen sich die verschobenen Dimensionen. Hier fällt das Format des Autos kaum auf. Mit 5,39 Metern Länge ist der Neuling 13 Zentimeter länger als die Langversion des Vorgängers. Eine zweite Karosserievariante gibt es nicht mehr.
Optional öffnet der neue 7er seine vier Türen elektrisch. Das gelingt per Tastendruck innen oder außen sowie der Sprachbefehl. Hierbei erkennt die Software auch, welcher Passagier gerade „Hey, BMW“ gerufen hat und öffnet bzw. schließt nur die entsprechende Tür. Mit dem nächsten Software-Update soll man die Portale auch über die Fahrzeug-App steuern können. Wer mag, kann aber auch bei dieser Option weiterhin manuell eingreifen und die E-Motoren überstimmen.
Autokino auf Rädern
Der Showeffekt ist groß, der Alltagsnutzen weniger. Oft vergeht eine halbe Sekunde zwischen Befehl und Aktion. Zudem sind die Tasten im Cockpit nicht ganz treffsicher. Auch BMW folgt dem Trend, statt physischer Knöpfe Touch-Felder zu integrieren. Nicht immer zum Wohle des Kunden.
Tür auf, Tür zu. Erster Check im Fond. Nicht nur wegen des mehr als üppigen Raumangebotes und den bequemen, elektrisch verstellbaren Außenplätzen. Auch nicht wegen des CEO-Sitzes hinten rechts mit Liegefunktion (für den 1,92 Meter langen Autor zu kurz), sondern wegen einer weiteren Neuheit, die der 7er bringt: Dem Theatre Screen.
4.750 Euro Aufpreis kostet das Medienerlebnis für die Passagiere in der zweiten Reihe. Wenn man über einen der Touchscreens in den Türen (eine weitere Premiere) den Theatre-Modus aktiviert, schließen sich alle Fensterverdunkelungen. Außerdem klappt ein 31,3 Zoll (80 Zentimeter) großes 8K-Display aus dem Dach. Amazon Fire ist integriert. Über die virtuelle Touch-Fernbedienung in den Tür-Displays kann man hier sein Programm suchen, aber auch andere Plattformen wie Netflix oder YouTube nutzen.
Und was sagt der Chauffeur?
Die ersten Kilometer der Probefahrt dienen also dem Medienkomfort im Fond (ein neues Wort?). Dank der Luftfederung bleibt es im Auto auch auf schlecht zusammengeworfenen Abschnitten einer US-amerikanischen Autobahn ruhig, man kann entspannt glotzen. Bei kurvigen Landstraßen sollte der Magen des Passagiers aber robusterer Natur sein. Letztendlich dürfte sich der Theater Screen vor allem als Abwechslung oder Präsentationsfläche im Dauerstau von LA, Shanghai und anderen Metropolen beweisen. Währenddessen steuert der Chauffeur den Wagen. Und wie klappt das?
Umstieg nach vorne links. Der Elektroantrieb des BMW i7 leistet 400 kW (544 PS) und versammelt ein Drehmoment von 745 Newtonmetern. Damit spurtet der Allradler dynamisch voran, ohne seinen Insassen aber einen Tritt zu verpassen. 2.715 Kilogramm Leergewicht wollen erstmal in Bewegung gebracht werden.
Dank der erwähnten Luftfederung, Wankstablisierung und Hinterachslenkung liefert der i7 unterwegs ein Komfortfeuerwerk, dass je nach Fahrmodus auch sportlicher abgestimmt werden darf. Auf kurvigen Landstraßen wirkt das Elektro-Schiff deutlich kompakter, eher wie ein gut abgestimmter 5er.
Vom Antrieb ist nichts zu hören, auch Abrollgeräusche bleiben außen vor. Umso mehr fallen leichte Windverwirbelungen um die B-Säulen auf. Auch auf dem Highway, wo der Driving Assistant Pro für Tempo, Abstand und Spurführung sorgt. Bei Antippen des Blinkers vollzieht sich auch der Spurwechsel automatisiert, solange der Fahrer die Hände am Lenkrad lässt.
22 kWh pro 100 km dank Tempolimit
101,7 kWh Speicherkapazität bietet der im Fahrzeugboden platzierte Lithium-Ionen-Akku. Die Reichweite gibt BMW nach WLTP Norm mit 591 – 625 Kilometer an. Auf unseren Testfahrten (mit Tempolimit) pendelte sich der Stromverbrauch bei knapp über 22 kWh je 100 Kilometer ein. 450 Kilometer können bei entspannter Fahrweise (ohne viel Stadtverkehr mit höherer Rekuperationsleistung) also drin ein. Ein späterer Test liefert dann Antworten. Geladen wird am Schnelllader mit bis zu 195 kW Leistung, Wechselstrom fließt dreiphasig mit 22 kW. Auch das werden wir überprüfen.
Das kostet die Elektro-Oberklasse
135.900 Euro ist der Listenpreis für den elektrischen BMW i7 xDrive 60. Das ist freilich noch nicht alles. Die 79-seitige Preisliste bietet viele Leckereien, die den Tarif munter nach oben schrauben. Alleine die Innenausstattung des Testwagens mit Leder und Kaschmir-Wolle kostet 11.800 Euro. Der teuerste 7er ist der i7 übrigens nicht. Mit 144.000 Euro Grundpreis ist der Plug-in Hybrid M760e xDrive (420 kW / 571 PS Systemleistung) etwas teurer. Außerdem gibt es den M750e xDrive (360 kW / 489 PS, 123.500 Euro) und als Diesel den 740d xDrive (299 PS, 114.300 Euro).
Im Laufe des Jahres 2023 wird mit dem BMW i7 xDrive M70 ein stärkeres Elektro-Modell mit über 600 PS Systemleistung und M-Automobil-Akzenten folgen.
Fazit
Über Geschmack kann man streiten, nur hier nicht. Wer betriebswirtschaftliches Verständnis hat, versteht, warum der BMW 7er und mit ihm der i7 so aussieht, wie er eben aussieht. Und gerne können Wetten angenommen werden: Wetten, dass wir uns in zwei Jahren nicht mehr am Design der Limousine stören werden?
Die Bedienung lief früher dank richtiger Knöpfe besser, Fahrkomfort und -dynamik sind über fast jeden Zweifel erhaben. Der Theatre Screen und die Fond-Bedienung über kleine Touchscreens sind interessante Neuerungen für Chauffeur-Märkte, vornehmlich in Asien.
Der Elektroantrieb passt gut zum komfortablen Charakter des Oberklasse-BMW. Es wird spannend, ob die E-Kunden mit ausreichend Kleingeld eher den leicht barocken i7 bevorzugen oder den futuristisch-glatten EQS.