Warum man den BMW X1 auch im Jahr 2023 noch als Plug-in Hybrid fahren kann: Alltagstest mit Video-Review.
Was haben ein Plug-in Hybrid und die Knoff-Hoff-Show, die von 1986 bis 2004 im ZDF dem Fernsehpublikum wissenschaftliche Themen näherbrachte (abgeleitet vom Begriff kow-how), gemeinsam? Beides wirkt heutzutage etwas aus der Zeit gefallen.
Spätestens nach dem Auslaufen der Kaufprämie für elektrifizierte Verbrenner mit Stecker ist ein PHEV in den Augen vieler potenzieller Kunden ähnlich sexy wie krisseliges Linear-Fernsehprogramm im Format 4:3. Lediglich Fahrer von Firmenwagen freuen sich weiterhin über den auf 0,5 Prozent reduzierten Satz bei der Versteuerung des Listenneupreises.
Der BMW X1 xDrive 30e im Video
Fakt ist: Der Plug-in Hybrid galt und gilt als Brückentechnologie. Und jede Brücke hat die Eigenschaft, irgendwo aufzuhören. Im Falle der Elektromobilität ist das Gelände für viele Interessenten aber immer noch zu unwegsam. Wo kann ich laden? Wie weit schaffe ich es mit einer Akkuladung? Setze ich nicht doch vorerst noch auf den eigeebneten Weg, den mit ein Plug-in Hybrid weist? BMW hält beim aktuellen X1 alle Möglichkeiten offen. Das kompakte SUV, das auf der Frontantriebsplattform des Konzerns aufbaut, wird als Benziner, Diesel, Plug-in Hybrid und als vollelektrischer iX1 angeboten.
Der stärkste X1
Zum Alltagstest trat der BMW X1 als xDrive 30e an. Schlüsseln wir das mal auf: Hinter dieser Bezeichnung steckt der stärkere von zwei Plug-in Hybriden (es gibt auch den 25e). Ein 1,5 Liter großer Dreizylinder-Benziner und ein Elektromotor bringen es auf eine Systemleistung von 240 kW / 326 PS. Das macht den X1 xDrive 30e zum nominell stärksten Vertreter seiner Baureihe – wichtig für den Stammtisch. Im Gegensatz zu Förderungs-Zeiten hebt er sich aber nicht preislich von Benziner und Diesel ab, im Gegenteil. Mit einem Grundpreis von 51.600 Euro liegt er nur 500 Euro über dem Benziner xDrive 23i mit 218 PS und ist 700 günstiger als der Diesel 23d, der 211 PS stark ist.
Mit 490 Litern ist das Kofferraumvolumen im Plug-in Hybrid leicht eingeschränkt, das ist im Alltag zu verkraften. Wer öfter Dinge als Personen transportiert, kann die Lehne der Rücksitzbank auch in einer steileren Cargo-Stellung arretieren, schafft somit 592 Liter Volumen. Im Fond geht es nicht allzu geräumig zu, hier folgt der X1 klassischen BMW-Tugenden. Mitbewerber im Segment der kompakten SUV wie der VW Tiguan bieten hier deutlich mehr Raum. Unbestritten formidabel ist der Sitzkomfort für Fahrer und Beifahrer, zumindest mit den Sportsitzen. Sie sind Teil des M Sportpakets, in das sich der Testwagen kleidet.
Optional sind die Sitze nicht nur elektrisch verstellbar (mit Memory-Funktion), sondern bieten auch eine Sitzmassage. Sie wird als Short-Cut über die Taste zur Lendenwirbelstütze am Sitz aktiviert. Der Vorteil: Man muss nicht ewig im Menü des Touchscreen-Monitors herumdrücken.
Schade um das iDrive-Konzept
Dabei offenbart sich nämlich ein ungewohnter Verzicht: Nach dem Van 2er Active Tourer muss auch der BMW X1 auf das intuitive Bedienkonzept mit iDrive-Dreh-Drück-Steller verzichten. Es ist unverständlich, warum der Hersteller wegen ein paar Euro mehr Marge pro Auto auf diesen Wettbewerbsvorteil verzichtet.
Immerhin sind die einzelnen Untermenüs logisch gruppiert. Gut so, denn es gibt viel zu bedienen. Apps wie Google Maps oder Spotify lassen ich direkt im System nutzen, gleichzeitig erlaubt BMW aber auch die Integration des Smartphones via Apple CarPlay oder Android Auto ohne Kabel. Klever: Die induktive Ladeschale lässt das Gerät aufrecht hinter einer Klammer zur Arretierung stehen. Auch sehr große Smartphones lassen sich hier problemlos mit Strom versorgen.
Auf den Zuruf „Hey BMW“ ist der digitale Sprachassistent zur Stelle. Musikwünsche und auch komplizierte Navigationsziele, eingesprochen als Freitext, werden schnell erkannt und umgesetzt. Beim Suchen einer Parklücke meldet sich zudem der optionale Parkassistent zu Wort und bietet seine Dienste an. Auch die automatische Steuerung von Sitz- und Lenkradheizung funktioniert prima. Schnell wird klar: Die Programmierer bei BMW verstehen ihre Arbeit beim Coden und der Integration der digitalen Welt ins Auto.
Umso mehr fällt dann auf, dass die digitalen Instrumente nur in geringem Maße personalisiert werden können. Zudem sind die Bedienknöpfe im Multifunktionslenkrad teils fummelig.
Eine halbe Portion?
Kommen wir zum Herzstück eines BMW, dem Antrieb. Freunde der traditionellen Reihensechszylinder aus München flippen bei den folgenden Sätzen gewiss nicht aus. Den unter der Haube des elektrifizierten X1 steckt in dieser Hinsicht eine halbe Portion: Ein 1,5 Liter großer Dreizylinder-Benziner mit 110 kW / 150 PS, der im Team mit einem 130 kW (177 PS) starken Elektromotor arbeitet.
Die Fahrt beginnt stets elektrisch. Bis zu 140 km/h kann der elektrifizierte Regensburger (dort wird der BMW X1 gebaut) ohne lokale Emissionen fahren. Dann schrumpft aber die Reichweite. Im normalen Pendlerverkehr mit Vorort-Ampeln und Landstraßen waren mit dem Strom aus dem netto 14,2 kWh großen Lithium-Ionen-Akku locker Reichweiten von 65 Kilometern machbar. Bei überwiegendem Stadtverkehr auch deutlich über 70 Kilometern. Das ist nah an der WLTP-Reichweite von 76 bis 88 Kilometern.
In 2,5 Stunden wieder geladen
An der Wallbox lädt der BMW seine Batterie mit 7 kW Leistung in rund 2,5 Stunden wieder auf. Ärgerlich für Laternenparker oder beim Parken an einer öffentlichen Säule während eines Geschäftstermins oder beim Shopping in der Stadt ist die Position des Typ-2-Steckers. Vorne links hantiert man mit dem Kabel auf der dem Verkehr zugewandten Seite herum, zudem verkratzt man unter Umständen den teuren Lack (2.460 Euro Aufpreis).
Das Zuschalten des Verbrenners während der Fahrt geschieht in den meisten Fällen unmerklich. Vibrationen und Geräusche haben sie ihm im FIZ von BMW ordentlich weggedämmt. Bei hohen Drehzahlen erklingt er, soundmoduliert, heiser aus Richtung der Abgasanlage. Zum Beispiel dann, wenn man an der linken Schaltwippe die Boost-Funktion aktiviert.
Dann stürmt der X1 xDrive 30e unter idealen Bedingungen in 5,6 Sekunden auf 100 km/h. die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 205 km/h. Auf der Autobahn wird es ab etwa Tempo 170 spürbar zäher. Auf langen Strecken ohne Ladestopps liegt der Benzinverbrauch bei ordentlichen 8,3 Litern auf 100 Kilometer.
Im Testzeitraum waren es, inklusive Autobahn-Langstrecken und viel Mittelstreckenverkehr mit vollem Akku, 5,7 Liter Superbenzin und 9,5 Wh Strom je 100 Kilometern. Damit kann sich der X1 sehen lassen, er ist spürbar sparsamer als viele andere Plug-in Hybride.
Das adaptive M-Sportfahrwerk, Teil des Sportpakets, ist straff und bei niedrigem Tempo nicht sonderlich schluckfreudig. Bei Landstraßen- und Autobahntempo bietet es aber einen optimalen Mittelweg und damit guten Komfort. Die adaptive Regelung kann man leider nicht durch die Auswahl der Fahrmodi beeinflussen.
Fazit
Der BMW X1 hat, außer dem recht engen Fond, kaum Schwächen. Mit guter Verarbeitung, moderner Infotainment- und Assistenzsoftware und geringem Verbrauch wird der dem Premiumanspruch der Marke gerecht. Da die Verbrenner im Preis sehr nahe an die Plug-in Hybride heranrücken, lohnen sich diese (für Menschen mit Lademöglichkeit zuhause und / oder am Arbeitsplatz) auch ohne Umweltprämie.
Viele Optionen verlocken zum Klick in Konfigurator, treiben aber den Preis nach oben. Der Testwagen hat einen Gegenwert von 67.340 Euro. Verzichtbar ist gewiss der pflegebedürftige Lack mit Matteffekt.
Epilog
Ich würde mir nicht anmaßen wollen, die Vor- und Nachteile des BMW X1 xDrive ähnlich punktgenau darstellen zu können, wie es Joachim Bublath damals mit seinen Experimenten und Erklärungen in der Knoff-Hoff-Show getan hat.
Wer mag, kann das Video zum Alltagstest gerne sehen (siehe oben). Im Gegensatz zur TV-Show von damals immerhin im Format 16:9 und nicht zum festen Sendetermin. Sondern wo man will, wann man will – und so oft man will.
Technische Daten
BMW X1 xDrive 30e |
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Antrieb | Allradantrieb |
Hubraum | 1.499 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 3 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 kW / 150 PS bei 4.700 - 6.500 U/min |
Max. Drehmoment | 230 Nm bei 1.500 - 4.000 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 110 kW (150 PS) |
Systemleistung: kW / PS | 240 kW / 326 PS, 477 Nm |
Batterie | 14,2 kWh (netto), Lithium-Ionen |
Tankinhalt | 47 Liter |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 18,0 - 20,9 kWh |
Norm-Verbrauch auf 100km | 0,7 - 1,0 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 5,7 Liter + 9,5 kWh |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 4S 245/45 R19 |
Leergewicht | 1.935 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.800 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.500 / 1.845 / 1.642 mm |
Grundpreis | 51.600 Euro |
Testwagenpreis | 67.340 Euro |