Mit der Ente auf die Rennstrecke? Ein Rendevouz an einem ungewöhnlichen Ort.
In vielen Dingen wird die eigene Entwicklung von äußeren Umständen geprägt. Das liegt auch an den automobilen Erfahrungen der Kindheit. Logisch, man bekommt mit, wo man von den Eltern hineingesetzt wird. Bei mir waren es Ende der 1970er und in den 1980er Jahren die für vielen typisch-deutschen Familienautopaarungen. Für den väterlichen Weg ins Büro und die familiären Ausflüge in den Urlaub oder zu den Großeltern standen Ford Granada Turnier, später Scorpio, bereit. Als Zweitwagen parkte ein VW Käfer (zuletzt 1303 Automatic) in der Straße.
Spätes Rendevouz
Die frankophile Seite des Autofahrens bekam ich also nicht mit. Komisch also, denn alte Fotoalben zeigen vor meiner Geburt auch einen Citroën Ami 8 auf 13x18 matt. Nun gut, verklärte Erinnerungen mancher Menschen vom Spaß „in der Ente“ konnte ich also nie nachvollziehen, auch das gelebte Raumwunder Renault 4 war mir fremd. Es dauerte dann doch bis zum 43. Lebensjahr, bis eine Ente zur Ausfahrt bereitstand. Und das nicht irgendwo.
Circuit Paul Ricard, die legendäre Rennstrecke nahe Le Castellet im Süden Frankreichs. Wir waren eigentlich wegen einer anderen Sache hier. Aber die Citroën-Menschen hatten auch ein paar Klassiker dabei, unter anderem einen 2CV, so die offizielle Modellbezeichnung der Ente.
Schwarz-weiß lackiert ist der Citroën 2CV6 Club, Baujahr 1990. Kenner wissen: Dieses Exemplar wurde in Portugal gebaut, denn im französischen Heimatwerk endete die Produktion der Baureihe schon 1988.
Die erste Fahrt beginnt
3,78 Meter kurz steht das hohe (1,60 Meter) und schlanke (1,48 Meter) Auto bereit zur Probefahrt über einen Teil der Rennstrecke. Der knubbelige Türgriff öffnet die Blechpforte, innen steht ein Fahrersitz im Format eines Campingstuhls bereit.
Vor dem Losfahren gilt es für Neueinsteiger in den Klassiker, sich kurz mit der Schaltung auseinanderzusetzen. Der Hebel ragt horizontal aus dem Armaturenbrett heraus. Es gilt, auf kurzen Abstufungen die richtige Position zu finden. Der erste Gang liegt hinten links. Kling kompliziert? Ist es aber nicht.
Das 28,5 PS (ja, hier lohnt sich die Nennung der halben Pferdestärkte) des 0,6 Liter großen Zweizylindermotors haben mit knapp 600 Kilogramm Autogewicht wenig Probleme. „Die 115 km/h Höchstgeschwindigkeit schafft dieses Exemplar locker“, sagt der Citroën-Techniker. Mit kaum 34.000 Kilometern auf der Uhr ist die Ente im Topszustand.
Selbst auf der langen Geraden lasse ich es aber bei circa 100 km/h bewenden. Denn spätestens dann ist es derart stürmisch im kleinen Auto, dass man es kaum aushält. Die hohen Temperaturen des Spätsommers 2019 müssen per Lüftung gekühlt werden. Das gelingt beim Citroën 2CV mit einer aufklappbaren Leiste unter der Windschutzscheibe. Die Folge: Der Fahrtwind bläst ungehindert ins Auto, wird durch den engen Schlitz außerdem kanalisiert.
Klar nimmt sie die Schikane!
Anbremsen in die Schikane. Mit Tempo 65 geht es in die Rechts-Links-Kombination. Jetzt endlich, liebe Leser: Im Bericht zur Ente kommt das Wort Schräglage vor. Furcht oder Respekt hinter dem dünnen Einspeichenlenkrad? Keine Spur. Das Fahrverhalten des 2CV weckt Vertrauen, es geht munter schnatternd voran – natürlich immer mit gebührendem Respekt vor dem fast 30 Jahre alten Auto.
Nach ein paar fixen Runden obsiegt die Gemütlichkeit. Also: Tempo raus, Arm auch. Vorher wird das Klappfenster nach oben geschwungen. Außerdem bringt das Rolldach Cabriogefühle ins Auto. So könnte man ewig weiterfahren, aber leider naht das Ende des Tages und die Citroën-Leute wollen unverständlicherweise ihr Auto zurückhaben.
Lieber Döschewo, es hat lange gedauert, bis wir zwei und kennenlernten. Aber dafür war es umso schöner. Merci bien!
Das Ende der Kult-Autos?
Mit dem Visa hatte sich Citroën an einem Nachfolger versucht. Ebenso wie der Austin Metro vom Mini überlebt wurde, konnte auch der Franzose nicht in die Fußstapfen des Dauerbrenners treten. In Zukunft soll der zweisitzige Ami mit Elektroantrieb wieder ein bisschen Kult in die Citroën-Familie bringen.
Ob das gelingt? Oder gab es den letzten französischen Kult-Kleinwagen schon? Vielleicht sollte man sich mal nach gut erhaltenen Exemplaren der ersten Renault-Twingo-Generation umsehen…