Die Straße als Laufsteg: Der Retro-Berlingo von Caselani im Fahrbericht mit Video-Review.
Ein Kastenwagen ist vor allem eines: pragmatisch. Gewerbetreibende suchen ein Nutzfahrzeug mit maximalem Stauraum zum fairen Preis, Familien stellen an ihren Hochdachkombi die gleichen Ansprüche.
Der Retro-Berlingo im Video
Aber es gibt in beiden Fällen auch Menschen mit einem besonderen Geschmack. Die werden von Caselani bedacht. Das norditalienische Unternehmen, das sich mit GFK-Bootsrümpfen einen Namen gemach hat, lebt auch die Citroën-Markenliebe seines Chefs aus. Dort entstanden bereits eine Neuinterpretation des Type H auf Basis des Citroën Jumper und ein kleinerer Fantasie-HG, der auf dem Jumpy aufbaut.
Jetzt haben sich die Italiener den Berlingo vorgenommen. Mit ihm soll die kultige „Kastenente“ ein Comeback feiern. Aus dem geradlinigen Van wird, nach 400 Arbeitsstunden, der Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette (franz. Fourgon, Lieferwagen).
Limitiert auf 200 Autos
Zur Verwandlung kommen nicht nur gebrauchte Berlingos unter das Messer. Einige Citroën-Händler bieten den Retro-Kasten auch als Neubestellung an. Dabei sollte man bedenken, dass Caselani die Auflage des kleinsten Modells seiner Palette europaweit auf 200 Exemplare limitiert. Gekennzeichnet wird jedes einzelne mit einer Plakette in der Mittelkonsole, unser Testwagen ist Nummer neun.
Ansonsten bleibt der Berlingo innen, wie er ist – mit Ausnahme des in die Fußmatten eingestickten Fourgonnette-Schriftzugs. Ablagen und Platz gibt es also reichlich, dazu gut ablesbare Instrumente.
Durch die Windschutzscheibe blickt man auf offene Münder und hochgereckte Daumen. Das Design des Caselani-Citroëns kommt an. Der komplette Vorderwagen macht Neuteilen Platz. Motorhaube, Frontmaske und Stoßfänger sind aus GFK gefertigt. Der aufrechte Kühlergrill mit dem großen Doppelwinkel interpretiert das klassische Enten-Design neu, ebenso sie runden Scheinwerfer. Sie sind, was auch den aktuellen Sicherheitsvorschriften für die Zulassung eines Autos geschuldet ist, teilweise integriert. Die Leuchteinheiten stammen aus dem Stellantis-Baukasten und sind im Teileregal des Jeep Wrangler zu finden.
GFK-Kunststoff statt Wellblech
Dach und Seitenteile werden mit GFK-Teilen beklebt. Sie tragen die klassische Wellblechoptik des Oldtimers. Damals wurde das geriffelte Material aus Gründen der Steifigkeit verbaut. Der Kastenaufbau des 2CV, der 1951 zusätzlich zum Runddachmodell mit Rolldach auf den Markt kam, wird mit einer Stufe im Dach zitiert. Auch die beiden Flügeltüren am Heck wurden überarbeitet, sie zeigen Fenster mit abgerundeten Ecken im Rahmen. Kleine Leuchten von Hella ersetzen die bekannten Module des Berlingo.
Nach dem Umbau lackiert Caselani den Citroën Berlingo 2CV Fourgonnette in einer von zehn zur Wahl stehenden Pastell-Tönen. Unser Testwagen trägt „Nevada Beige“. Mit ihm geht es auf zur Probefahrt. Die Technik ist vom Berlingo bekannt. Das bedeutet: Während es die PKW-Variante nur mit 100 kW starkem Elektroantrieb gibt, kann man den Kastenwagen (und den Kombi in Nutzfahrzeug-Ausführung) auch als Verbrenner ordern.
So fährt sich die moderne Kastenente
Wir sind mit dem 102 PS starken BlueHDI-Diesel unterwegs. Der Selbstzünder schnurrt gut gedämmt im Vorderbau des Franzosen. Heute gilt die volle Aufmerksamkeit dem Aufbau. Knistern die Anbauteile? Produziert das Design mehr Windgeräusche? Zwei Fragen, eine Antwort: Nein. Der klassisch gestylte Berlingo fährt sich wie seine Kollegen von der Stange.
Das Gewicht nimmt um 38 Kilogramm zu. 69 Kilogramm wiegen die GFK-Teile rundum, 31 kg die Blechelemente der Front, die der Berlingo bei Caselani verliert.
Ein teurer Spaß
Ein günstiges Vergnügen ist es nicht, die Straße mit dem Kastenwagen zum Laufsteg zu machen. Der Umbau eines Bestandsfahrzeugs kostet rund 20.000 Euro. Ein Privatkunde, der einen elektrischen ë-Berlingo Shine als Neuwagen mit 2VC-Umbau bestellt, muss dafür mal eben 70.210 Euro auf den Tisch legen. Der hier gezeigte Kastenwagen mit 102 PS starkem Basis-Diesel kostet, inklusive Mehrwertsteuer, stolze 46.290 Euro.
Die Zielgruppe des Citroën Berlingo 2VC Fourgonnette dürfte den Showeffekt vor eine reine Kosten-Nutzen-Kalkulation stellen. Restaurants, Weinhandlungen und Feinkostläden dürften bei ihren täglichen Besorgungs- und Lieferfahrten mit dem auffälligen Retro-Transporter die nötige Aufmerksamkeit für Ihren Betrieb bekommen.
Ein wachsames Auge des Fahrers sollte dabei stets mit im Spiel sein. Parkrempler und andere Schäden, die im stressigen Stadtverkehr nicht ungewöhnlich sind, dürften an den Umbau- und Anbauteilen teure Reparaturen nach sich ziehen.
Fazit
Oh, là, là. Der Caselani-Umbau am Citroën Berlingo wirkt überraschend stimmig. Hier haben die Designer ganze Arbeit geleistet. Die Mechaniker auch, denn bis auf einige überlackierte Klebenähte wirkt das Retro-Kleid solide zusammengesteckt.
Gewerbetreibende, die den heftigen Mehrpreis des 2CV-Stylings als Marketingkosten verbuchen können, bekommen mit dem Italo-Franzosen einen auffälligen Sympathieträger, der unter seinem Kleid bewährte Technik aus der Großserie bietet.