Der DS 9 E-Tense 4x4 360 im Fahrbericht mit Video-Review. Nur teuer oder auch eine gute Alternative?
„Deutschland sucht…“: Das bedeutet der Name DS ja bekanntermaßen nicht. Die französische Premiummarke des Stellantis-Konzerns, DS Automobiles, beruft sich auf die Tradition der klassischen Citroën DS – Baureihe.
Als Importmarke mit selbstbewussten Preisen hat es DS Automobiles hierzulande, das ist keine Überraschung, schwer. Lexus ist auch heute noch eine Nischenmarke, Infiniti hat sich mittlerweile aus Europa zurückgezogen. Genesis ist neu am Start, auch mit Limousinen.
Der DS 9 E-Tense 360 im Video
Im ohnehin schon überschaubaren Marktsegment der großen Stufenheckmodelle stellt sich seit Spätsommer letzten Jahres auch der DS 9 zur Wahl. In Deutschland wurden 2021 ganze 41 Exemplare der Limousine erstmals zugelassen. Inklusive Test- und Vorführwagen, wohlgemerkt. Wer einen exklusiven Geschmack hat und kein Auto fahren will, das an jeder Ecke steht, sollte also mal einen der DS Salons aufsuchen.
Als neues Topmodell für Marke und Baureihe rollt jetzt der DS 9 E-Tense 4x4 360 an den Start. Auch er nutzt die EMP2-Konzernplattform und darf als Bruder des Peugeot 508 PSE gelten. Der Plug-in Hybrid kombiniert einen 147 kW / 200 PS starken Benzinmotor mit 1,6 Litern Hubraum mit zwei Elektromotoren. Im Gehäuse der Achtgang-Automatik steckt eine Maschine mit maximal 81 kW (110 PS) Leistung. Für Allradantrieb sorgt der E-Motor an der Hinterachse mit 83 kW (113 PS). Das Systemdrehmoment liegt bei 520 Newtonmetern.
Top-Hybrid mit sportlicher Abstimmung
Im Gegensatz zu den schwächeren Modellen des DS 9 hat die hauseigene Performance-Abteilung beim Topmodell Hand angelegt. Stoßdämpfer, Federn und Antriebsabstimmung wurden für ein sportlicheres Fahrverhalten überarbeitet. Der 360er- steht leicht tiefergelegt auf 20 Zoll großen Leichtmetallrädern.
Nachdem wir im vergangenen Jahr bereits ein Vorserienexemplar fahren konnten, steht jetzt das fertige Auto zur Probefahrt bereit, der 11,8 kWh große Akku ist vollgeladen. Nach dem Start kümmert sich zuerst der hintere Elektromotor für den Vortrieb.
Im Stadtverkehr stromert der große DS 9 leise vor sich hin, auf dick gepolsterten Sitzen genießt man Ruhe und Komfort. Auch im Fond lässt es sich dank fürstlicher Beinfreiheit gut leben. Große Menschen bemängeln aber stark angewinkelte Beine wegen einer tief montierten Sitzbank und eine knappe Kopffreiheit.
Wechsel in den Hybrid-Modus, die Sport-Einstellung lassen wir bewusst mal unangetastet. Vor uns liegen verwinkelte Landstraßen in den Hügeln über Cannes (Südfrankreich). Die „DS Active Scan Suspension“ stellt die adaptiven Dämpfer nach Informationen von Kamerabildern ein. Wie sich das anfühlt? Trotz der großen Räder bietet auch das Sportmodell einen hohen Fahrkomfort.
2 Tonnen Kurventreue
Die Kurvenradien werden enger, das Tempo bleibt gleich. Der Allradler lässt sich zielsicher um Kehren zirkeln, auch das Heck folgt zentimetergenau er gewünschten Linie. Keine Achse drängt nach außen. Fahrspaß kommt also auf, gleichwohl wird der DS 9 auch als 4x4 E-Tense 360 nicht zum reinen Sportwagen. Über zwei Tonnen Leergewicht sind spürbar.
Laut WLTP-Norm soll die Limousine 51 Kilometer elektrische Reichweite bieten. Das haben wir auf den Testfahrten, bei denen die sportliche Ausprägung der Modellvariante im Vordergrund stand, bewusst nicht ausprobiert. Im Hybrid-Modus meldete der Bordcomputer am Ende des Tages einen Verbrauch von 5,9 Liter je 100 Kilometer, der Akku war nach etwa 35 Kilometern leer.
Lange Bergabpassagen und Stadtverkehr ermöglichten aber auch die Rekuperation von elektrischer Energie. Schaltwippen dafür gibt es leider nicht, nur eine stärkere Rekuperationsstufe über Zug am Automatik-Wählhebel.
App aus der Formel E
Aber auch über das Bremspedal wird automatisch gesteuert, was passiert. Dabei hilft im DS 9 E-Tense4x4 360 die „ReGen Score“-App im Infotainmentsystem. Sie wurde aus der Formel E übernommen. Dort hilft die Anzeige den Rennfahrern dabei, möglichst viel Energie sinnvoll zurückzugewinnen. Sobald sich Bremskraft in Wärme verwandelt, ist aber nicht nur der Rennwagen wenig effizient.
Ein Balken leuchtet beim Bremsen grün und wechselt auf Orange, wenn die Kraft auf dem Pedal die Bremsanlage mit innenbelüfteten Scheiben beansprucht. Das ist eine interessante Information, sollte aber weder vom Straßenverkehr ablenken noch dafür sorgen, dass man nicht so stark bremst, wie es die Situation erfordert.
Das kostet der DS 9
Forderungen stellt auch der DS-Verkäufer, wenn man sich für eines seiner Autos entscheidet. Im Falle des Topmodell sind die auch nicht zu knapp. Mindestens 64.250 Euro stehen für den Allrad-Hybriden in der Preisliste, dann in der Ausstattungslinie Performance Line+. Die noblere Ausstattungslinie Rivoli+ kostet mindestens 67.000 Euro.
Der Testwagen mit Opera-Ausstattungspaket (mit rubinrotem Leder von bayerischen Hochalpen-Rindern), Nachtsichtgerät, Focal-Soundsystem und weiteren Optionen kostet knapp 76.000 Euro!
Ein Audi A6 55 TFSI e quattro, ebenfalls ein Plug-in Hybrid mit 367 PS, ist ähnlich (aber nicht ganz so üppig) ausgestattet nochmals 6.000 – 7.000 Euro teurer. Spätestens bei der Kalkulation einer Leasingrate dürfte er aber günstiger werden als der DS. Mit dem profanen Ingolstädter zeigt man dann freilich weniger individuellen Geschmack auf dem Firmenparkplatz. Den beweist man mit einem weiteren Konkurrenten des DS 9, und zwar einem aus dem eigenen Stall: Dem sportlicher ausgelegten Peugeot 508 PSE (ab 66.640 Euro).
Fazit
Mit dem Topmodell des DS 9 soll das Formel-E-Engagement der Marke auch in einem Serienmodell gespiegelt werden. Die Mischung aus hohem Komfort und dynamischer Ausprägung darf als gelungen gelten, sofern man den Franzosen „made in China“ nicht als reine Sportlimousine sieht.
Der Preis ist selbstbewusst und dürfte, zumindest in Deutschland, einer weiteren Verbreitung des DS 9 im Wege stehen. Er bleibt also ein Auto für Feingeister mit üppigem Budget. Wer früher Saab fuhr oder aktuell beispielsweise einen Jaguar XF, der könnte sich für den DS 9 interessieren. Der DS 9 lässt sich also lieber finden als suchen.
Technische Daten
DS 9 E-Tense 4x4 360 Rivoli+ |
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Antrieb | Elektrischer Allradantrieb |
Hubraum | 1.598 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 147 kW / 200 PS bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 300 Nm bei 3.000 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW | 81 kW (110 PS) |
Elektromotor vorn: Maximales Drehmoment | 320 Nm |
Elektromotor hinten: Maximale Leistung kW | 83 kW (113 PS) |
Elektromotor hinten: Maximales Drehmoment | 166 Nm |
Systemleistung: kW / PS | 265 kW / 360 PS, 520 Nm |
Batterie | 11,8 kWh Lithium-Ionen |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | 7,4 kW (einphasig) |
Tankinhalt | 42 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit elektrisch | 190 km/h |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 15,5 kWh (Reichweite 51 km) |
Norm-Verbrauch auf 100km | 1,8 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 5,9 Liter (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 235/40 R20 |
Leergewicht | 2.063 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.300 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.934 / 1.855 / 1.459 mm |
Grundpreis | 67.000 Euro |
Testwagenpreis | 75.800 Euro |