Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance (T)Raum-Transporter

605 PS im großen Audi-Kombi machen süchtig. Wie sein gewaltiger Klang.

Ich habe es versucht. Eine sachliche Herangehensweise an diesen Artikel. Man hätte erzählen können, dass früher die sportlichen Audi RS-Modelle meist dann eingeführt wurden, wenn eine Modellreihe ihren Lebensabend einläutete. Nachdem die sportlichen Speerspitzen mittlerweile früher im Zyklus kommen, setzt man beim A6 Avant einfach noch etwas oben drauf. Man hätte auch mit der stupiden Aufzählung der Leistungsdaten (Betonung auf die erste Worthälfte, bitte!) beginnen können.

Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance

Aber nein, es muss raus: Nichts umschreibt das Fahrerlebnis mit dem ultimativen Audi A6, dem RS6 Performance besser als der testosterondurchfeuchtete Ausruf der Freude, der auch freitagabends an der Vororttankstelle Gehör finden würde: „Boah, ey!“.

Die Ausfahrt mit dem Audi RS6 Performance ist DAS multisensorische Erlebnis schlechthin. Die Klanggewalt des 4,0 V8-Biturbomotors, der Fanfaren der Macht in die Luft donnert. Was so ähnlich klingt wie ein Monster in einem Science Fiction Film, kurz bevor es aus einer dunklen Höhle auf die Hauptdarsteller zurast. Eine Beschleunigungsgewalt, die der einer Zeitmaschine kaum nachstehen dürfte. Leider haben wir es verpasst, bei Vollgas den Uhrzeiger zu beobachten.

Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance

8,4 Sekunden ist der Wert für die Beschleunigung. Auf 200 Stundenkilometer! Landstraßentempo erreicht das Katapult trotz über zwei Tonnen Leergewicht in schlanken 3,7 Sekunden und damit 0,2 Sekunden fixer als der reguläre (?) RS6. All´ das erledigt er in einer Lässigkeit, die selbst südländische Barbesitzer beim abendlichen Balzwettbewerb wie die Themaverfehlung eines Stümpers aussehen lässt.

Der Testwagen kann es aber immer noch nicht lassen, setzt noch einen drauf. Er trägt das „Dynamikpaket plus“ in sich. Was so trocken klingt, verschlägt Dir erst mal mit dem Aufpreis von 14.000 Euro die Sprache. Dafür packt Audi ein Sportdifferenzial, die Dynamiklenkung, das Sportfahrwerk mit Dynamic Ride Control zur rein mechanischen Reduzierung von Nick- und Wankbewegungen um die Quer- und die Längsachse, LED-Scheinwerfer und die Keramik-Bremsanlage mit ins Auto. Und eine heraufgesetzte Höchstgeschwindigkeit auf (immer noch abgeregelte!) 305 km/h. Womit er sich hierbei aber nicht vom RS6 ohne Performance-Zusatz absetzen kann. Die Reifen setzen das Limit.

Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance

Im Rahmen der Testfahrten konnte ich den maximalen Wert der Längsdynamik leider nicht erreichen, auch dünner Wochenendverkehr erlaubt kaum ein Fenster, das auf öffentlichen Straßen sicher durchzuführen. Knapp über 280 Sachen waren es maximal, die aber auch schon zeigen, wie sehr der RS6 Performance jeden Versuch von Massenträgheit oder Luftwiderstand lautstark wegpustet. Und wie wenig andere Verkehrsteilnehmer darauf gefasst sind, dass der Kombi plötzlich formatfüllend im Rückspiegel auftaucht, dort, wo einen Augenblick vorher noch leere Autobahn zu sehen war.

Wenn es nicht nur geradeaus geht, kommt Audis Allradexpertise ins Spiel. Der grundsätzlich hecklastig ausgelegte RS6 Performance (60% Hinterachse, 40% vorne) kann die Verteilung je nach Fahrsituation blitzschnell variieren. Dazu kommen die Regelsysteme, vor allem das ESP, die blitzschnell zur Stelle sind, ohne vorlaut zu sein. Nervöses Fahrverhalten kennt das Auto also nicht, sofern man nicht ein paar „Off“-Tasten drückt.

Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance

Der RS6 Performance kann also Vollgas. Aber provoziert dich als Fahrer nie dazu. Der Spagat, der Audi mit diesem Auto gelungen ist, verblüfft. Wenn per „Drive Select“ Schalter der Komfortmodus gewählt ist, die adaptive Luftfederung die Straße unter den 21-Zöllern glattbügelt und die achtstufige Automatik dezent aber eilig zur höchsten Stufe hüpft, fährt sich der Potenzbolzen beinahe wie ein alltäglicher A6 TDI.

Dann lässt sich der bequeme Sportsitz genießen, während in der Gesäßhaut sicherlich noch ein Abdruck seiner Rautensteppung zu finden ist, so sehr hat dich vorher die Beschleunigung auf den Stuhl geknallt.

Das Cockpit entspricht bis auf das unten abgeflachte Sportlenkrad und allerlei Carbon-Zierrat den anderen A6-Modellen. Was auch bedeutet, dass der bei dem jeden Motorstart langsam ausfahrende Bildschirm des MMI-Systems mittlerweile leicht angestaubt wirkt. Beim Infotainment merkt man, dass die Baureihe ihren Rentenantrag schon bei den Produktplanern eingereicht hat.

Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance

Nun gut, lassen wir das spätpubertäre „Boah, ey“ mal beiseite und kümmern uns doch ganz nüchtern um die Zahlenakrobatik.
Der vier Liter große Biturbo-V8 bekam für das Performance-Modell zusätzliche 33 kW/ 45 PS injiziert, was die RS6-Werte von 412 kW / 560 PS auf 445 kW / 605 PS emporhebt. Das maximale Drehmoment blieb zwar bei 700 Nm, lässt sich im Performance-Modell per Overboost-Funktion aber zwischen 2.500 und 5.500 Umdrehungen pro Minute auf 750 Nm hieven.

Damit ist der Audi RS6 Performance nicht nur ein starkes Stück, sondern auch der aktuell stärkste (und schnellste) Kombi eines Großserienherstellers. Über den realen Verbrauch im Testzeitraum verliere ich lieber keine Worte. Hintergrund: Den RS6 Performance konnte „nur“ einen Tag genießen, klar flippt man da ein bisschen mehr aus als bei mehrtägigen Testfahrten. So standen am Ende auch 24,5 Liter per 100 km im Notizblock. Im Schnitt, so vermute ich, pendelt sich der Durst nach Super Plus auf 15 bis 16 Liter ein.

117.000 Euro kostet der Über-Audi und damit 6.000 Euro mehr als der RS6 Avant. Neben der Leistungssteigerung stecken in diesem Mehrpreis noch 21-Zoll Räder (statt 20-Zöllern), Zierteile in Titanoptik und eine Volllederausstattung. Wobei mir auch im Performance-Modell die Leder-/Alcantara-Ausstattung des RS6 lieber wäre.

Fahrbericht Audi RS6 Avant Performance

Die gibt es auch optional nicht. Wohl aber eine lange Liste an Leckereien, von denen ziemlich viele im Testwagen verbaut waren. Mit Nachtsichtassistent, der Sportabgasanlage (im Vergleich zur sündteuren Bang & Olufsen-Option das bessere Soundsystem), sämtlichen Assistenten und dem Head-up Display summiert sich der Listenpreis des Audi RS6 Performance auf 161.950 Euro. Ein starkes Stück also, nicht nur auf dem Asphalt.

So schließe ich nun diese Zeilen, ich muss ein Tuch holen, um mir die Speichelfäden aus den Mundwinkeln zu wischen. Auf allzeit guten Tiefflug!

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Technische Daten

Audi RS6 Avant Performance

Hubraum 3.993 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder V8
Maximale Leistung kW / PS 445 / 605 bei 1.750 Nm-6.000 Nm
Max. Drehmoment 700 Nm (750 Nm mit Overboost bei 2.500-5.500 U/min)
Getriebe 8-Gang-Tiptronic
Beschleuningung 0-100 km/h 3,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 305 km/h (abgeregelt)
Norm-Verbrauch auf 100km 9,6
Verbrauch real auf 100km nicht repräsentativ
Leergewicht 2.025 kg
Länge / Breite / Höhe 4.979 / 2.086 / 1.461 mm
Grundpreis 117.000 Euro
Testwagenpreis 161.950 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad