Lest diesen Text erst gar nicht, geht gleich zum Autohaus!
43.000 Euro. Ein Listenpreis, zu dem keiner der schnöden Außendienstler-320d vom Hof rollt, zu dem sich kein Möchtgernsportler der SLC-TT-Z4 Liga ins Carport rangieren lässt.
Zu diesem Tarif lässt Dir der Ford Händler einen Mustang über den großen Teich schippern. Und zwar die Vollfettstufe. V8. Das, liebe Kinder, ist kein Vitamin-Gemüse-Getränk, sondern klassischer Motorenbau. Kein Downsizing-Methadon. Reines Zeug, das süchtig macht.
Der erste Mustang, der offiziell nach Europa kommt. Fast scheint es, als ob man das Rauschmittelgesetz gelockert hätte. Er ist da, und wie. Zeigt eine ungeheure Präsenz, wird sogar von fünfjährigen Kindern sofort als Mustang erkannt. Ohne aber diesen Retroschmarrn mitzumachen, der bei allem größer-gleich Fiat 500 grenzwertig ist – Quallen wie der VW Beetle oder der aktuelle Mini winken verschämt über den Zaun beim Fähnchenhändler.
In seiner Selbstsicherheit lässt sich der Mustang auch nicht als Markenbotschafter vorführen. Nirgends auf dem Auto ist ein Ford-Emblem zu sehen, das Pferd im Kühler reicht als Botschaft. Selbst im schlichten Bright-Silver-Metallic schiebt er sich ins Zentrum aller Handykameralinsen. Für das besondere Klangerlebnis des Achtzylinders empfehle ich den Smartphone-in-die-Luft-Streckern aber die Videofunktion.
Es gibt auch so etwas Neumodisches wie einen turbogeladenen 2,3 Liter Vierzylinder mit Namen EcoBoost. 233 kW / 317 PS im Einstiegsmodell reichen immer noch aus, die Pseudosportler aus den Großserienbaukästen nachhaltig zu beleidigen. Auf der Frage „darf´s ein bisschen mehr sein?“ nicken aber nicht nur die Amerikaner, sondern auch die Kunden in Europa artig. Wenn schon, denn schon!
Der Mustang muss Dir einfach den Achtzylinder-Bariton um die Ohren hauen. Angeordnet in einem amtlichen „Vau“, servieren die acht Töpfe einen solide donnernden Klangteppich, angerührt in fünf Litern Hubraum.
Genug des Vorspiels. Mit Druck auf den Startknopf werfen wir die Maschine an und fahren los. Ach was. Wir verlassen das dieselige Hier und Jetzt. Zornig wummernd in Richtung Autohimmel. Handgeschaltet. Die knackige Sechsgangschaltung ist in meinen Augen Pflicht beim Mustang V8 (beide Motorversionen gibt es wahlweise auch mit Automatik). Wann konnte man als Dirigent das letzte Mal Herr über ein solches Orchester sein?
310 kW / 421 PS sind über jeden Zweifel am Vortrieb erhaben. Aber leider auch über leere Hosentaschen nach dem Tankstopp. Knapp über 16 Liter saugt sich der V8 im Durchschnitt in die Brennräume. Wenn das Pony Car mit dem Fahrer durchgeht (oder ist es anders herum?), werden es auch mal 20 Liter Super. Wenigstens erzählt Dir der Mustang in der Verkaufsbibel keine Märchen vom einstelligen Normverbrauch.
Super fährt der Mustang auch. Wenig amerikanisch weich, aber auch nicht europäisch hart. Er definiert seine eigene Welt. Er verlangt Dir eine feste Hand ab, lässt sich dann aber behände dirigieren. Breitbandkino hinter der Motorhaube im Cinemascope-Format. Car Porn. Und wie in jedem guten Erotikstreifen müssen wir auch an die Sache mit dem Hinterteil denken.
Das drängt sich nämlich furchtbar gerne ins Zentrum der Aufmerksamkeit, keilt selbst bei trockener Straße gerne aus. Abbiegen mit Tempo 40 auf die Bundesstraße, das Gefühl im rechten Fuß einen Hauch zu plump und bääääm kommst Du da quer raus. Die 27,5 Zentimeter breiten Pirellis an der Hinterachse schwingen dabei den Zeichenstift auf dem Asphalt. Also verhüten wir mal schön und schalten das ESP auf „On“.
Beim Kurvenräubern wird deutlich, dass der Mustang ein ganz schön fettes Teil ist. Über zwei Meter breit (genau 2.080 Millimeter). Subjektiv schiebst Du mit der endlosen Motorhaube vor der Windschutzscheibe eine halbe Kontinentalplatte in Richtung Horizont. Auch das Leergewicht von 1.720 Kilogramm ist spürbar. Eine fette Karre halt, da hat der Teenager an der Ampel recht gehabt.
Ab auf die Autobahn. Klar schafft der Mustang mühelos 250 Sachen Spitze, sehr schnell überkommt einen aber die Lässigkeit des US-Achtenders. Letzte Rille muss nicht sein, dynamisches Vorankommen im Bereich um 180 Stundenkilometer macht mindestens ebensolche Freude. Vor allem weil dabei der Motorsound die feinen Härchen an den Unterarmen stetig tanzen lässt. Sollen doch die Bausparer im ballonfinanzierten Turbo-TT und seinem synthetischen Pseudoklang bei der ZwoFünfNull auf dem Digitaltacho feuchte Hände bekommen. Ich bin trocken. Aber dennoch nicht weniger erregt. High Speed Cruising.
Im Cockpit lässt der Sexappeal des Mustang nicht nach. Auch das Interieur steht trittsicher auf der Slackline zwischen Retro und Moderne. Das allgemein bekannte Ford-Touchscreen-Infotainment und der ein oder andere Schalter aus der Kompakt- und Mittelklasse fügen sich harmonisch in das hoch bauende Armaturenbrett ein. Die Instrumente in den tiefen Höhlen klären Dich über „Ground Speed“ (Tacho) und „Revolutions per Minute“ (Drehzahlmesser) auf. Dazwischen liefert ein hochauflösendes Digitaldisplay die Werte des Bordcomputers in einer abgeklärten Selbstverständlichkeit, die wieder zeigt: Der Mustang muss sich nicht selbst zitieren. Alles, was man ihm als retrospektives Element andichten will, bringt er als Teil seines Erbguts mit.
Die Marketingstrategen bei Ford Europa haben alles richtig gemacht. Sie haben gewartet, bis der Mustang über die Modellgenerationen reifen konnte. Erst dann haben sie begonnen, ihn auch in Europa anzubieten. Selten hat ein Auto derart süchtig gemacht. Ein Ford noch nie.
Technische Daten
Und jetzt endlich etwas Nacktes: Die Zahlen zum Ford Mustang GT |
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Hubraum | 4.951 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V8 |
Maximale Leistung kW / PS | 310 / 421 bei 6.500 U/min |
Max. Drehmoment | 530 Nm bei 4.250 U/min |
Getriebe | Sechsgang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 4,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 13,6 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 16,8 Liter |
Leergewicht | 1.720 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.874 / 2.080 / 1.381 mm |
Grundpreis | 43.000 Euro |
Testwagenpreis | 46.200 Euro |