Fiat E-Ulysse Neuer alter Bekannter

Neu und doch vertraut: Der elektrische Van Fiat E-Ulysse im ersten Fahrbericht.

Dinge wiederholen sich, wenngleich sie sich dann auch deutlich unterscheiden. Zur Erklärung blicken wir zurück ins Jahr 1994. Vans waren fest im Markt etabliert, was vor allem an Chrysler Voyager und Renault Espace lag. VW und Ford entwickelten noch an ihrem Gemeinschaftsprojekt herum, 1995 erblickten Sharan, Alhambra und Galaxy das Licht der Welt. Da gab es den Eurovan schon.

In diesem Projekt versammelte sich der italienische Fiat-Konzern mit PSA (Frankreich) zur gemeinsamen Produktion eines Familienautos mit bis zu sieben Sitzen. Citroën C8 und Peugeot 806 trugen die Logos der PSA-Marken, unter italienischer Flagge segelte sogar der Lancia Zeta als Premium-Bruder des Fiat Ulysse. 2014 lief der Fiat in zweiter Generation aus.

Der Konzern-Van

Jetzt gibt es wieder einen großen Fiat, wenngleich das typische Minivan-Konzept dem eines Kleinbusses gewichen ist. Erneut wird mit den französischen Marken gemeinsame Sache gemacht, wenngleich unter anderen Voraussetzungen. Wie allgemein bekannt ist, sortiert sich Fiat (mit seinen ehemaligen Konzernmarken) mittlerweile neben den französischen Marken und auch Opel unter dem Stellantis-Konzerndach ein.

Da reicht also ein Griff ins Konzernregal, um die Wiedergeburt des Fiat Ulysse zu feiern. Er basiert auf dem bekannten Großraumvan, den man auch als Citroën Space Tourer, Opel Zafira Life und Peugeot Traveller kennt. Außerdem ist Toyota als Kooperationspartner mit an Bord und verkauft das gleiche Auto als Proace Verso. Mit einem Unterschied: Nur Toyota bietet noch Verbrenner an, die Stellantis-Marken setzen bei den PKW-Varianten (es gibt auch von den Vans abgeleitete Transporter) voll und ganz auf batterieelektrische Antriebe. Das gilt auch für den Fiat, der folgerichtig e-Ulysse heißt.

Bruder im Video: Peugeot e-Traveller

Zusammen mit dem kleinen Fiat 500 klammert er also als zweites Elektroauto der Marke das Modellprogramm ein. Optisch unterscheidet er sich ausschließlich durch Logos und Schriftzüge von seinen Konzernbrüdern. An der Front tragen die FIAT-Buchstaben arg dick auf. Beim Logo fahren die Italiener weiter zweigleisig, denn an Heck und Lenkrad blickt man auch am E-Ulysse auf das bekannte Emblem mit rotem Hintergrund.

Nicht nur das Karosseriedesign, auch der Innenraum und das Cockpit gleichen Citroën, Opel, Peugeot und Toyota. Mit analogen Rundinstrumenten wirkt der Ulysse innen sehr klassisch, dazu passt das recht kleine Infotainment-Display. Auch hinter dem Lenkrad mit Fiat-Logo störend: Die Sitzprosition. Das Volant ist leicht versetzt angeordnet, man findet keine für Langstrecken taugliche Sitzposition.

„Dafür ist er ja eh nicht da!“, mag jetzt der ein oder andere Kritiker einwenden. Und bezieht sich damit auf den Akku. Zwei Varianten sind lieferbar: 50 und 75 kWh Speicherkapazität stecken im Fahrzeugboden, die EMP2-Plattform hält dafür ausreichend Platz vor. Mit der großen Batterie sind laut WLTP-Norm 329 Kilometer Reichweite möglich. Ein Peugeot e-Traveller schaffte im AUTONOTIZEN-Alltagstest damit knapp 300 Kilometer, ein Verbrauch von 26 kWh je 100 Kilometer konnte realisiert werden.

Die werden entspannt abgespult, denn der Antriebsstrang aus dem Kleinwagensegment macht aus einem großen Van keinen Racer. Vor allem dann, wenn er wie im Falle des Ulysse-Testwagens in der langen Karosserievariante (L3, 5,31 Meter) und fast 2,3 Tonnen Leergewicht antritt. 100 kW (136 PS) und ein maximales Drehmoment von 260 Newtonmetern stehen im Datenblatt. Wichtig zu wissen: Im Normal-Modus entwickelt der E-Antrieb bis zu 80 kW (109 PS), im Eco-Modus 60 kW (82 PS). Zum entspannten Mitschwimmen im Pendlerverkehr reicht das aus, ebenso die auf 130 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit. In dieses Umfeld, also die Stadt und ihren Speckgürtel bis zum nächsten Flughafen, gehört der Fiat E-Ulysse auch hin. Hotels und Shuttle-Dienstleister dürften also eher zum Kundenkreis gehören als die mehrköpfige Familie mit Wohnwagen.

45 Minuten für 80 Prozent

Fiat e-Ulysse Test Fahrbericht Preis 2022

Die müsste dann auf großer Fahrt öfter rechts raus, den Fiat an die Ladesäule anstöpseln. Bis zu 100 kW Ladeleistung verspricht das Datenblatt über CCS, der 75 kWh-Akku ist dann in 45 Minuten zu 80 Prozent geladen. Wechselstrom wird mit bis zu 11 kW gezogen. Schade: Der Ladeanschluss liegt vorne links. Für das Parken und Laden in der Stadt muss man also auf der verkehrszugewandten Seite des Autos mit dem Kabel hantieren.

Ein Punkt, der den Fiat E-Ulysse also bei seiner Markteinführung schon reif für eine Modellpflege werden lässt. Dann könnten die Stellantis-Planner auch die Verarbeitungsqualität verbessern. Aus dem Armaturenbrett und den Türverkleidungen waren auf den Testfahrten deutliche Klappergeräusche zu hören. Vorangegangene Kontakte mit Opel Zafira-e Life und erwähntem Peugeot e-Traveller zeigen aber, dass es sich dabei nicht um ein generelles Problem der Baureihe handelt, die mit allen Logos vom gleichen Band läuft.

Das kostet der Fiat e-Ulysse

Fiat e-Ulysse Test Fahrbericht Preis 2022

Die Entscheidung für einen der Elektro-Vans fällt also vor allem aufgrund von Markenpräferenzen oder der Tüchtigkeit des Händlers vor Ort. Denn allzu große Preisunterschiede gibt es nicht. Der Fiat startet mit 50 kWh-Akku und kürzerer Karosserie in der Basis bei 55.990 Euro. Den Citroën Space Tourer gibt es, ebenso wie den Peugeot e-Traveller, ab Euro 56.200 Euro, den Opel Zafira-e Life für mindestens 58.100 Euro. Noch selbstbewusster ist Toyota: Der Proace Verso kostet mit Elektroantrieb mindestens 58.350 Euro.

Der E-Ulysse-Testwagen auf den Fotos hier ist deutlich teurer. Alleine der größere Akku kostet 6.000 Euro Aufpreis. Dazu kommen die lange Karosserie, und die „Lounge“ genannte Ausstattungslinie, die u.a. Panoramadach, Navigationssystem und Xenon-Scheinwerfer (!) mitbringt. So kostet der „Italiener“ 69.490 Euro. Selbst dann muss ein Totwinkel-Assistent mit 250 Euro extra bezahlt werden.

Fazit

Fiat e-Ulysse Test Fahrbericht Preis 2022

Der E-Ulysse dürfte nicht aus strategischen Gesichtspunkten im Fiat-Marketing entstanden sein. Als Bade-Engineering-Produkt im Konzern ist er vielmehr ein Schritt, das gleiche Auto unter möglichst vielen Labels zu verkaufen.

Der Van bietet viel Platz und ein weitestgehend komfortables Fahrwerk. Der Elektroantrieb hat mit dem schweren Auto aber schon auf Ausfallstraßen seine liebe Mühe. Im Gegensatz zum einstigen Ulysse spricht der Elektro-Nachfolger weniger Familien an, sondern eher Kunden im Personenbeförderungsgewerbe.

Technische Daten

Fiat E-Ulysse L3 Living Lounge

Antrieb Frontantrieb
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Elektromotor: Maximale Leistung kW 100 kW (136 PS)
Elektromotor: Nennleistung KW 57 kw (77 PS)
Elektromotor: Maximales Drehmoment 260 Nm
Batterie 75 kWh, Lithium-Ionen
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) 100 kW
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 11 kW
Beschleuningung 0-100 km/h 13,3 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 130 km/h
Norm-Verbrauch kWh / 100 km 27,9 kWh
Leergewicht ca. 2,3 Tonnen
Anhängelast (gebremst) 1.000 kg
Länge / Breite / Höhe 5.306 / 2.010 / 1.890 mm
Grundpreis 69.490 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Bernd Conrad