Die elektrische Mercedes V-Klasse im Alltagstest mit Video-Review.
Busfahren wirkt entspannend. Damit ist nicht das morgendliche In-die-Arbeit-Pendeln mit Monatskarte im Geldbeutel und Hand an der pappigen Haltestange gemeint. Sondern das Langstreckenreisen in einer Großraumlimousine wie der Mercedes-Benz V-Klasse.
Umso mehr, wenn das Kürzel EQV 300 auf der mächtigen Heckklappe klebt. Dann steckt kein Dieselmotor unter der Haube des T6-Konkurrenten, sondern ein Elektroantrieb. Die batterieelektrische Version mit einem 100 kWh (netto nutzbar 90 kWh) großen Lithium-Ionen-Akku im Fahrzeugboden bieten die Schwaben in den beiden Karosserievarianten „Lang“ (5,14 Meter) und „Extralang“ (5,37 Meter) an, in der kompakten Version ist nicht genug Platz für den Energiespeicher.
Der Mercedes EQV im Video
Mit der serienmäßigen Sechsitzer-Möblierung bietet der „lange“ Testwagen in allen drei Reihen mehr als fürstliche Platzverhältnisse für Beine, Köpfe und Schultern. Für Familien interessant: Alle vier Einzelsitze im Fond haben Isofix-Befestigungsmöglichkeiten. Einen Ausbau der Sessel überlegt man sich aber stets zweimal. Sie sind schwer und sperrig, hier packt man am besten zu zweit an.
Neben dem nur leicht geänderten Karosseriedesign reichen dem EQV 300 auch innen Details, um sich von der V-Klasse mit Dieselmotor abzugrenzen. Kupferfarbene Zierleisten und spezielle Menüs sind seine Extravaganzen. Die Bedienung des MBUX-Infotainmentsystems erfolgt gewohnt flüssig über den Touchscreen und die Sprachsteuerung. Auch ein Touchpad im Armaturenbrett steht bereit. Die Interaktion damit ist aber schon im Stand fummelig und lenkt somit während der Fahrt zu stark ab.
So fährt sich der Elektro-Van
Zum Start des Motors dreht man ganz klassisch den Zündknubbel im elektronischen Schloss. Lautlos setzt sich der große Kasten in Bewegung. Mit einem Drehmoment von 362 Newtonmetern geht es zügig voran. Zum Oberdynamiker wird der EQV 300 mit seinem maximal 150 kW (204 PS) starken Elektroantrieb aber nicht. Ein Tritt in den Rücken würde auch gar nicht zum Wesen der V-Klasse passen. Vielmehr lässt sich der Vortrieb sehr gut über das Fahrpedal dirigieren.
Dem Kurvenräubern steht nicht nur das Fahrzeuggewicht von über 2,8 Tonnen mit Extras, sondern auch der Hang zum Untersteuern im Weg. Im Gegensatz zu den Verbrennermodellen mit Hinterradantrieb werden bei der elektrischen V-Klasse nämlich die Vorderräder mit der Kraftüberragung beauftragt.
Auf der Landstraße oder der Autobahn genießt man die Ruhe, die kaum von Wind- oder Abrollgeräuschen gestört wird. Eine Empfehlung ist die aufpreispflichtige Luftfederung Airmatic, die für sänftenartigen Komfort sorgt. Serienmäßig ist der Mercedes-Benz EQV 300 bis 140 km/h schnell. Für einen geringen Aufpreis von 181 Euro wird die Höchstgeschwindigkeit bei 160 km/h abgeregelt.
Die Energierekuperation ist in fünf Stufen über die Paddels am Lenkrad einstellbar. In der „D-Auto“-Einstellung übernimmt die Software das vollautomatisch und bezieht dabei Informationen des Navigationssystems, der Verkehrszeichenerkennung und von Radarsensoren mit ein.
Der Stromverbrauch pendelte sich im Testalltag knapp über den WLTP-Normwerten ein. Um 27 kWh Strom (ohne Einbeziehung von Ladeverlusten) wurden alle 100 Kilometer benötigt.
Schnellladen mit 110 kW
Wer seinen EQV mit Wechselstrom laden will, muss viel Zeit mitbringen. Bei 11 kW Ladeleistung vergehen knapp unter zehn Stunden, bis der Akku zu 100 Prozent gefüllt ist. Überzeugend ist die Leistung am Schnelllader. Auch bei noch zu 30 Prozent gefüllter Batterie klettert die Ladeleistung schnell auf knapp unter 110 kW. Ein fast leerer Akku wird so in 45 Minuten auf 80 Prozent Ladezustand gebracht. Im Alltag ist dieser Wert eher theoretischer Natur. Kaum jemand dürfte sich den Nervenkitzel liefern, mit einstelligem Prozentsatz beim Ladezustand auf der Autobahn einen Rasthof anzusteuern.
Im Rahmen des EQV-Tests haben wir die Flatrate der Ladeapp Elvah ausprobiert. Hier zahlt man je nach Fahrzeugtyp einen festen Preis pro Monat, im Fall des Mercedes-Benz EQV sind es happige 199 Euro. Dafür sind aber alle Stromkosten an Ladesäulen und Hyperchargern abgedeckt. Vor allem Vielfahrer haben somit kalkulierbare Kosten und einen Preisvorteil.
Der große Vorteil der App: Ladekarten und Kundenkonten bei den einzelnen Anbietern entfallen. Wir konnten mit der Elvah-App an allen angesteuerten Ladepunkten problemlos Strom ziehen.
Das kostet der Mercedes-Benz EQV
Konzept und Verarbeitung des Mercedes-Benz EQV liegen auf dem gewohnt hohen Niveau von Marke und Baureihe. Das zeigt sich auch beim Preis. 71.388 Euro ist der Basistarif für den Elektrobus. Der reichlich ausgestattete Testwagen in der Avantage-Line mit Panoramadach, elektrischen Schiebetüren, Burmester-Soundsystem, Fond-Klimaanlage und allen Extras für Komfort und Fahrassistenz überspringt die 100.000-Euro-Marke.
Fazit
Nicht nur Shuttledienste oder Hotelbetreiber, die meist innerstädtisch unterwegs sind, dürften sich für den Mercedes-Benz EQV interessieren. Auch für solvente (!) Familien ist die elektrische V-Klasse ein komfortables Auto, bei dem kaum Platzprobleme geben dürfte – einen großen Stellplatz vor dem abbezahlten Eigenheim vorausgesetzt.
Mit einer Reichweite von im Test realisierten 380 Kilometern steht auch längeren Touren nichts im Weg. Mit der richtigen Ladekarte oder -app gelingt das Stromzapfen zuverlässig, mit knapp 110 kW Leistung hält sich der EQV dann auch nicht allzu lang am Kabelanschluss auf.
Technische Daten
Mercedes-Benz EQV 300 |
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Maximale Leistung kW / PS | 150 kW (204 PS) |
Max. Drehmoment | 362 Nm |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 10,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 140 km/h (optional 160 km/h) |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 26,3 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 27,2 kWh |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental PremiumContact 6 245/45 R18 |
Leergewicht | Ca. 2.800 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 5.140 / 1.928 / 1.908 (ohne Dachreling) mm |
Grundpreis | 71.388 Euro |
Testwagenpreis | 102.519,69 Euro |