Der Freizeitvan mit neuem 239 PS-Diesel im Steh- und Fahrbericht.
„My home is my castle is my car“. Es gibt Menschen, die genau das zelebrieren und möglichst wenig Abstriche machen wollen. Das Auto soll Erstwagen- oder eben alltagstauglich sein und gleichzeitig als Herberge für die spontane Flucht aus dem Alltag dienen. Wenn dann auch noch der Geldbeutel mitspielt, fahren solche Menschen vornehmlich VW California oder Mercedes Marco Polo.
Der Freizeitvan mit dem Stern im Kühler hat, parallel zur Ausgangsbasis V-Klasse, jetzt eine leichte Modellpflege bekommen. Der optische Neuheitenwert hält sich dabei in Grenzen. Einen neuen Stoßfänger vorne gibt es, wenn man nicht die im Testwagen verbaute Option AMG-Line wählt. Dann bleibt die Schürze nämlich gleich, dafür gibt es einen schicken Kühlergrill in „Diamantoptik“ mit einer statt zwei Querspangen. Ein paar neue Lackfarben und neue Felgendesigns müssen daneben reichen, dazu kommen Assistenten zur Aussparung des Gegenverkehrs aus dem Dauerfernlicht und zur Notbremsung.
Im Innenraum gibt es die Lüftungsdüsen in Turbinenoptik aus der A-Klasse, aber überraschenderweise kein neues Infotainmentsystem. Wenigstens war man konsequent. Wenn schon nicht das neuen MBUX mit größeren Displays und erweiterter Sprachsteuerung einziehen darf, haben die Ingenieure dem Command Online trotz saftigem Aufpreis noch nicht mal Apple CarPlay oder Android Auto gegönnt.
Der Unterhaltungswert beim Fahren an sich wird mit einer für V-Klasse und Marco Polo neuen Generation an Dieselmotoren aufgefrischt. OM 654 mit zwei Litern Hubraum zieht nach den PKW-Reihen jetzt auch in die Vans ein. Dabei wird das Modellprogramm nach oben verrutscht. Der ehemalige V200d fliegt aus der Preisliste. V220d mit 163 PS und V250d mit 190 PS bekommen einen neuen Vorgesetzten: Der heißt 300d und leistet 176 kW oder 239 PS. Sein maximales Drehmoment von 500 Nm (ab 1.600 Umdrehungen) lässt sich mit Overtorque um 30 Nm erhöhen. Auch das macht das neue 9G-Tronic Automatikgetriebe mit neun Vorwärtsstufen kompetent mit.
Überholmanöver und eilige Spurts erledigt der Marco Polo 300d in der Tat ziemlich hurtig, wobei große Eile nicht in seiner Natur liegt. Denn trotz der PKW-artigen Sitzposition mit 5,14 Meter langen Van lädt er doch eher zum lässigen Kilometerspulen ein. Dann hält sich auch der Dieseldurst im Rahmen, der bei wildem rechten Fahrerfuß doch gerne über 10 Liter steigen kann.
Lassen wir es lieber entspannter angehen. Ruhig schnurrt der Vierzylinder (ja, das geht) und das Display des Navigationssystems wird immer blauer. Wir nähern uns dem Meer. Bei der Fahrt auf den Sandstrand (in einem für Autos freigegebenen Gebiet) sei die Erinnerung an den Hinterradantrieb erlaubt. Wer gerne mal unbefestigten Untergrund erzwingt, sollte zum auch beim Marco Polo erhältlichen 4MATIC-Allradantrieb greifen.
Am Ziel angekommen, verwandelt sich der Marco Polo schnell in so einiges. Zimmer mit Aussicht. Kite-Surfing-Base. Oder Rückzugsort für die Nacht. Im Lebensraum, nennen wir alles, was im Auto passiert mal so, hat sich mit dem Facelift nichts geändert.
Hochwertige Materialien und ein schickes Ambiente machen Dir schon beim ersten Zutritt mit sandigen Schuhen ein schlechtes Gewissen. Bequeme Doppelbetten oben im ausfahrbaren Dach und unten mit umgelegten Rücksitzen lassen vier Erwachsene zur Ruhe kommen.
Kitzelt die Sonne im Auge oder klingelt der Wecker, lässt sich mit dem Gasherd in der Küchenzeile Kaffee kochen. Auch ein 40 Liter fassender Kühlschrank reicht für viele Fälle aus. Die Sanitäre Ausstattung geht über einen Spiegel und einen Anschluss für die Dusche unter der Heckklappe naturgemäß nicht hinaus. Ein Freizeitvan kann und will ja kein Wohnmobil sein.
Fazit zum Mercedes Marco Polo 300d
Der Mercedes Marco Polo ist nahe an der Perfektion für alle Tage. Wenn man einfach Auto fahren will oder muss, ist er fix, kompakt genug und transportiert sein zweites Ich klapperfrei durch Länder und Kontinente. Dabei muss man aber, im Gegensatz zum überarbeiteten VW T6 auf neueste Infotainmenttechnologie verzichten.
Für den spontanen Stopp oder das geplante Wochenende irgendwo da draußen bietet er genug Raum für Vier. Von denen mindestens einer gut situiert sein sollte. Günstig war er nie und mit dem leckeren neuen 239 PS-Diesel wird er natürlich nochmals teurer. Der Testwagen brachte es mit der eingangs erwähnten AMG-Line und vielen weiteren Optionen auf die stolze Summe von 85.569,33 Euro. Da muss man erstmal schlucken. Gut, wenn es der eben in der Fahrzeugküche gekochte Espresso ist.
Technische Daten
Mercedes-Benz Marco Polo Edition 300d |
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Hubraum | 1.950 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 176 kW / 239 PS bei 4.200 U/min |
Max. Drehmoment | 500 Nm (+30 Nm) bei 1.600 - 2.400 U/min |
Getriebe | 9-Gang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,6 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 215 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,1 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,6 Liter (laut Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental SportContact 245/45 R19 |
Leergewicht | 2.487 kg |
Länge / Breite / Höhe | 5.140 / 1.928 / 1.980 mm |
Testwagenpreis | 85.569,33 Euro |