Mobilize Duo und Bento sollen die Großstädte erobern: Erster Fahrbericht!
Renault mischt wieder im Markt der elektrisch angetriebenen Leichtfahrzeuge mit. Der Nachfolger des Twizy fährt jedoch nicht mehr unter der bekannten Marke vor, sondern ist ein Produkt der vierten Renault-Group-Marke (neben Renault, Alpine und Dacia) Mobilize. Dort werden neue Mobilitätslösungen wie Ladeangebote zusammengefasst, eine Zeit lang wurde ein spezielles Elektro-Taxi angeboten. Und jetzt das neue Leichtfahrzeug.
Der Markt für solche Fahrzeuge der Klassen L6e und L7e, bei uns nicht als Pkw sondern rechtlich als Quad zugelassen, ist in Bewegung. Nissan vertreibt den spanischen Silence S04 über einige seiner Händler, der Microlino im Retro-Design will solvente Kunden beglücken.
L6e und L7e erklärt
Bei uns kann man L6e-Fahrzeuge, die maximal 45 km/h schnell sind, mit dem AM-Führerschein („50er-Roller) fahren – abhängig vom Bundesland schon im Alter von 15 Jahren. Südeuropäische Länder haben noch weniger Hürden für den Einstieg, in Frankreich ist ein kurzer Test ohne Führerschein-Prüfung ausreichend. Wir sind für unsere Testfahrten in der italienischen Hauptstadt Rom unterwegs. Hier wimmelt es von L6e-Minis wie Citroën Ami und Fiat Topolino (der baugleiche Opel Rocks Electric ist in Italien wohl weniger gefragt) und auch L7e-Modellen wie dem XEV Yoyo aus China. Die L7e-Zulassung erlaubt eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, eine maximale Leistung von 15 kW und ein Fahrzeuggewicht von 450 Kilogramm (ohne Akku).
Der neue Mobilize Duo, so heißt der in Tanger (Marokko) gebaute Franzose, ist in beiden Ausführungen erhältlich. Wir steuern die schnellere Version durch den haarsträubend chaotischen Großstadtverkehr.
Knapp länger als der Twizy
Optisch weiß der Mobilize Duo mit seinem Raumkapsel-Design durchaus zu gefallen. Die Kunststoffkarosserie mit durchgefärbten statt lackierten Paneelen wird durch orange-weiße Sticker verziert. Sie sind beim „Duo 80 Evo“ serienmäßig, inklusive unnötiger Sticker-Blenden auf den Stahlfelgen. Das Symmetrie-Vorbild des Citroën Ami wurde von Renault bzw. Mobilize zum Teil übernommen. Schweller links und rechts sowie die Stoßfänger an beiden Enden der Karosserie sind identisch. Das vereinfacht die Produktion. Nutzer des Leichtfahrzeugs freuen sich über schwarzen Kunststoff mit Narbung im Tarnmuster, die Kratzer und leichte Schäden kaum sichtbar macht. Scheinwerfer und Rückleuchten sind weit oben platziert, sie liegen damit nicht im kollisionsgefährdeten Bereich bei Remplern und anderen Unachtsamkeiten.
Mit 2,43 Metern ist der Duo neun Zentimeter länger als der Renault Twizy. Die Bento genannte Nutzfahrzeug-Version mit Ladekoffer anstelle des zweiten Sitzes im Fond misst 2,54 Meter. Die Breite beider Fahrzeuge von 1,30 Meter hilft zwar nicht zum Zwischen-den-Fahrspuren-Wuseln wie auf einem Roller, wohl aber in engen Gassen und beim Parken. Hier erkennt man auch den Vorteil der nach oben öffnenden Scheren-Türen im Lamborghini-Stil. Sie dienen nicht der Show, sondern der Praktikabilität. Ein- und Aussteigen gelingt immer (außer in einer niedrigen Garage), da man beim Öffnen nicht mehr Fläche benötigt als das Auto an sich. Sogar die Seite spielt keine Rolle, denn der Fahrer sitzt mittig im Duo. In den Portalen stecken Fenster, die man zur Frischluftzufuhr einfach nach oben klappen kann. Der Sitz mit brauchbarer Polsterung ist in der Länge verstellbar. Dahinter findet eine weitere Person Platz, die ihre Beine um die Vordersitzlehne spreizt.
Gibt es denn eigentlich einen Kofferraum? Nun… wie man es nimmt. Die Franzosen sprechen im Datenblatt des Mobilize Duo von 300 Liter Ladevolumen links und rechts vom Fahrersitz. Kleinkram, der dort untergebracht wird, kann aber in den Fußraum rutschen und sich unter Fahr- oder Bremspedal verkeilen. Ein Rucksack oder kleine Kisten finden aber gut Platz. Sie sollten allerdings erst dann abgestellt werden, wenn der Passagier seine Füße unterbracht hat.
Das leichte Gepäck auf dem Boden hindert dann auch nicht den Blick nach schräg unten. Hier helfen weitere Glaselemente in den Türen unter der Gürtellinie bei der Übersicht, machen millimetergenaues Einparken am Randstein möglich. Umso mehr fällt die schlechte Übersicht nach hinten auf, trotz optionaler Einparksensoren (300 Euro Aufpreis) stochert man beim Rangieren im Dunkeln. Ein digitaler Innenspiegel wäre eine feine Sache. Auch das vordere Ende des Duo sieht man nicht. Nach einer halben Stunde kann man aber ruhigen Gewissens darauf vertrauen, dass das Gefährt gut abschätzbare 30 Zentimeter vor dem unteren Ende der Windschutzscheibe sein vorderes Ende findet.
Alles da im Cockpit
Das Cockpit, im Orange der Karosserie beklebt, ist reduziert und damit logisch aufgebaut. Ein gut einsehbares Display hinter dem, aus Renault-Modellen bekannten, Lenkrad mit serienmäßigem Airbag liefert alle nötigen Informationen zu Geschwindigkeit, Reichweite und Akku-Füllstand. Dazu gibt es einen Startknopf und drei Tasten für Sitz- und Windschutzscheibenheizung (Serie im Duo 80 Evo) sowie die Lüftung. Sie lässt sich über ein drehbares Element vor dem Cockpit einstellen, eine Klimaanlage ist für 1.000 Euro Aufpreis zu haben.
Fürs Infotainment ist das Smartphone zuständig, das per USB-C-Anschluss geladen wird. Die Musik wird über einen Schallwandler im Innenraum verstärkt. Die Position der Telefon-Halterung rechts im Lenkrad erlaubt einen guten Blick auf die Karte der Navigations-App. Leider fehlen Becherhalter im Cockpit.
Der Fahreindruck
Beim Fahren zeigt der Mobilize Duo, dass der Renault-Konzern mit dem Twizy seit 2011 Erfahrungen auf dem Gebiet der elektrischen Leichtfahrzeuge sammeln konnte. Die Federung ist spür- und damit brauchbar, die Lenkung gibt ein gutes Gefühl für die eingeschlagene Richtung.
Das Drehmoment des Elektromotors, der aus dem Mildhybrid-System des Kompakt-SUV Renault Austral übernommen wurde, erlaubt einen zügigen Start zum Einfädeln in den Verkehr, wo man entspannt mitschwimmt. Die oben erwähnten Mitbewerber ringen ihrem Fahrer mehr Zugeständnisse ab. Auch der Geräuschkomfort passt im Duo, ein Sirren des Antriebs ist kaum zu hören.
Bei einem Normverbrauch von 8,8 kWh je 100 Kilometer soll der Strom aus dem 10,3 kWh großen NMC-Akku für eine Reichweite von 161 Kilometern beim Duo und 149 Kilometern beim Bento sorgen. Im Winter sind, so der Hersteller, auch immer noch „über 100 Kilometer“ möglich. Rekuperiert wird über das Bremspedal, eine Einstellmöglichkeit für die Energie-Rückgewinnung gibt es nicht. Unser Testwagen zeigt beim Start mit vollständig geladenem Akku eine mögliche Reichweite von 152 Kilometern an.
Das Ladekabel bringt er mit
Geladen wird an der Haushaltssteckdose. Das Kabel mit Schuko-Stecker steckt im vorderen Stoßfänger. Rund fünf Stunden dürfte eine vollständige Ladung dauern. In einer Stunde, beispielsweise der Mittagspause einer Pflegekraft oder eines Lieferanten, soll Strom für 25 Kilometer Strecke gebunkert werden können. Als Option wird es ein Typ-2-Kabel geben. Nicht für wesentlich schnelleres Laden, sondern für eine gesteigerte Praktikabilität. Damit lässt sich auch an öffentlichen Säulen oder einer Wallbox im Betriebshof laden.
Leichtfahrzeuge müssen keine so harten Zulassungsvorschriften erfüllen wie Pkw. Crashtest, Fahrassistenz, ABS? Nicht vorgesehen. Auch kein Airbag, den Duo und Bento aber mitbringen. Der mehrmalige Bremstest auf einem leeren Parkplatz zeigt: Die vier Scheibenbremsen packen gut zu und lassen einen schnellen Stopp zu, zumindest auf trockenem Asphalt ohne Blockieren der Räder. Im Fall der Fälle werden Fahrer und Passagier zusätzlich durch Gurtkraftbegrenzer geschützt.
Umstieg in den Bento
Auch das Kastenwagen-Derivat Mobilize Bento steht zur Testfahrt bereit. Keine Überraschung: Der Kunststoffaufbau ändert das Fahrgefühl in keiner Weise, auch die ohnehin schlechte Übersicht nach hinten wird nicht geschmälert. Mit einer möglichen Zuladung von überschaubaren 60 Kilogramm im Koffer-Aufbau empfiehlt sich der Bento nicht für jedes Gewerbe. Beim Transport von Medikamenten zu Apotheken, als Service-Fahrzeug im Bereich der Telekommunikation und anderen Bereichen wird er aber zum legitimen Nachfolger des Dreirads Ape von Piaggio.
Preise ab 9.990 Euro
Ein Gegenargument für Leichtfahrzeuge ist in den meisten Fällen der Preis. Vor allem auf dem deutschen Markt, wo man L7e-Versionen wie einen normalen Kleinwagen zulassen muss und auch die Führerscheinklasse B (oder 3) benötigt.
Hier wollen die Franzosen punkten. In Frankreich ist der Duo schon bestellbar. 9.990 Euro kostet der Basis-Duo in der L63-Ausstattung, 12.500 Euro werden für das 80 km/h schnelle Modell mit der besseren Serienausstattung fällig. Der Bento ist noch nicht konfigurierbar.
Die orangenen Sticker kann man für 100 Euro in Blau oder Grau austauschen lassen. Dazu kommen 1.000 Euro für die Klimaanlage und 300 Euro für die Einparksensoren am Heck. Der Testwagen (mit Serien-Stickern) kommt also auf einen Listenpreis von 13.800 Euro.
Günstiger als die Konkurrenz
Damit liegt der Duo deutlich unter Silence S04 (mit zwei Akkus rund 17.000 Euro teuer) und Microlino (mit 177 Kilometer Reichweite ohne Klimaanlage für 21.490 Euro). De XEV Yoyo ist mit 15.995 Euro. Auch teurer, bringt aber ein erwachsenes Infotainment-Display für Apple CarPlay und Android Auto mit.
Die Mobilize-Leichtfahrzeuge werden über Renault-Händler vertrieben und sollen dort auch zur Wartung und für Reparaturen vorbeischauen. Voraussichtlich 2025 startet der Verkauf auch bei uns in Deutschland, die Preise sollen sich an den Tarifen für Frankreich orientieren.
Fazit
Renault hängt die Latte mit der Marke Mobilize und den Modellen Duo / Bento höher. Im Vergleich zur Leichtfahrzeug-Konkurrenz punkten beide mit einer gesteigerten Praktikabilität, mehr Sicherheit durch Airbag und Scheibenbremsen sowie einer spürbar robusten Karosserie. Außerdem unterbieten die Preise (in Frankreich) nicht nur Silence, Microlino und XEV, sondern auch die zuletzt aufgerufenen Tarife für den Renault Twizy.
Als Ersatz für einen Roller im Pendlerverkehr taugt der Mobilize Duo also. Auch in der Stadt ist er in seinem Element – wenngleich man in den Zentren mit öffentlichen Nahverkehrsangeboten oder einem Fahrrad gewiss kaum weniger schnell und stressfreier unterwegs ist.
Technische Daten
Mobilie Duo L7e |
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Antriebsart | Elektro |
Antrieb | Heckantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 12 kW (16 PS) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 7,4 kW (10 PS) |
Batterie | 10,3 kWh |
Batterie: Typ | NMC (Nickel, Mangan, Cobalt) |
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) | ca. 2 kW |
Höchstgeschwindigkeit | 80 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 8,8 kWh |
Reichweite nach Norm | 161 km |
Kofferraumvolumen | 300 Liter Ablagemöglichkeiten |
Leergewicht | 450 kg (ohne Akku) |
Länge / Breite / Höhe | 2,43 / 1,30 / 1,46 Meter |
Basispreis Baureihe | 9.990 Euro (L6e-Variante) in Frankreich |
Basispreis Modellvariante | 12.500 Euro (L7e Evo) in Frankreich |
Testwagenpreis | 13.800 Euro in Frankreich |