Der neue Porsche Taycan mit Heckantrieb im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Eine beeindruckende Zahl, auch wenn man die marken- und technikbegeisterten „First Mover“ abzieht: Über 20.000 Taycan hat Porsche im Jahr 2020 verkauft. Ein fast fünf Meter langes Elektroauto, dass bislang mindestens 106.487 Euro kostete. Dafür bekommt man den Taycan 4S, der auf die leistungsstärkeren (und teureren) Varianten Turbo und Turbo S folgte.
Der Taycan im Video
Nach der Kür die Pflicht? Jetzt, im Frühjahr 2021, schiebt Porsche eine neue Einstiegsvariante des Taycan nach. In China ist der Porsche Taycan ohne jegliche Zusatzbezeichnung schon erhältlich. Bei uns soll er den Kundenkreis nicht nur weiter vergrößern. Vielmehr stellt er auch die Fortsetzung der klassischen Porsche-Lehre in eine elektrische Zukunft dar: Antrieb hinten, Motor hinten – reiner Heckantrieb eben. Ob es Kunden gibt, die auch beim Elektroauto diesen Purismus bewusst wählen?
Basis-Taycan mit Heckantrieb
Wir starten zu ersten Probefahrten mit dem neuen Porsche Taycan. Würde nicht der Schriftzug unter der durchgehenden Lichtband am Heck kleben, wäre die vierte Modellvariante von den stärkeren Brüdern nicht zu unterscheiden. Farben, Felgengrößen und -designs oder optischer Zierrat wie die „Sport Design Bugverkleidung“. Auch der „kleinste“ Taycan lässt sich ordentlich aufrüschen. Der einzige Unterschied zu 4S, Turbo und Turbo S: Die Keramik-Bremsanlage PCCB wird es für ihn nicht als Sonderausstattung geben. Vertretbar, zumal man doch beim Elektroantrieb die Rekuperationsleistung nutzen kann. Das besorgt der Taycan mit maximal 265 kW – dem Wert der übrigen Varianten.
Ein Zeichen für das ingeniöse Hirnschmalz, das im neuen Einstiegsmodell steckt. Der Porsche Taycan ist also nicht einfach nur ein 4S, dem man den vorderen Elektromotor und den Allradantrieb geraubt hat. Auch der einmotorige Viertürer hat das Zweigang-Getriebe an der Hinterachse. Und ausreichend Leistung?
Für sich gesprochen, ja. Es gibt zwei Taycan-Versionen. Mit „Performance Batterie“ und 79,2 kWh Speicherkapazität (brutto) stehen bei Overboost 300 kW (408 PS) an. Als Nennleistung gibt der Hersteller 240 kW (326 PS) an. Der Testwagen fuhr mit der 93,4 kWh großen „Performance-Batterie-Plus“ vor. Dann leistet der Synchronmotor während des Overboost bis zu 350 kW (476 PS), die Nennleistung liegt bei 280 kW (380 PS).
Elektronik sorgt für Traktion
Unsere Probefahrten schlängelten sich durch den Schwarzwald. Das im Vergleich zum 4S um etwa 100 Kilogramm geringere Leergewicht ist angesichts von über zwei Tonnen bewegter Masse nur für sensible Naturen spürbar. Auch der Basis-Taycan erlaubt perfektes Anpeilen von Kurven und Kehren über die Erhebungen der vorderen Haube. Er lenkt gierig ein und krallt sich kompetent in den Asphalt. Traktionsverlust oder Grip-Probleme an den Hinterrädern? Bleiben selbst auf nassen Winterboden aus, den sauber abgestimmten Regelsystemen sei Dank.
Trotzdem ist nicht „alles wie immer“ (der Autor dieser Zeilen konnte bislang den Taycan 4S und den Turbo fahren). Denn am Kurvenausgang beschleunigt der Taycan sportwagenmäßig auf die Gerade. Aber es fehlt der imaginäre Tritt in den Rücken. 357 Newtonmeter maximales Drehmoment (bei Launch Control) sind halt doch spürbar weniger als derer 650 beim Taycan 4S – reden wir erst gar nicht von 850 oder gar 1.050 (!) Newtonmetern bei Turbo und Turbo S.
Genau diese etwas kürzere Leine dürfte für manche Kunden aber ein Grund sein, sich bewusst für den Porsche Taycan mit Heckantrieb zu entscheiden. Beim täglichen Pendeln von der Vorstadtvilla in die eigene Praxis oder Kanzlei möchte man vielleicht nicht immer schier unbändige Kräfte bändigen, sondern einfach bequem, zügig und stilsicher reisen.
484 Kilometer Norm-Reichweite
Das gelingt im Basis-Taycan gewohnt gut. Die Sitze bieten guten Seitenhalt und bequeme Auflagen für Beine und Rücken. Das Curved Display hinter dem Lenkrad erlaub den blendfreien Blick auf alle nötigen Informationen. Das PCM (Porsche Communication Management) genannte Infotainmentsystem ist aus anderen Modellen bekannt. Die Informationsfülle und die Rechengeschwindigkeit ist gut, die Menüführung sollten sich Markenneulinge in einer ruhigen Minute mal zu Gemüte führen. Dann sitzen alle Schritte.
Bleibt der Blick auf die Zahlen. Laut WLTP-Norm genehmigt sich der Porsche Taycan mit Performance-Plus-Batterie 25,4 kWh Strom auf 100 Kilometer. Der Bordcomputer zeigte nach dem Testtag Werte um 28 kWh / 100 km an. Damit liegt der Basis-Taycan ganz leicht unter dem 4S, was sich auch in der Reichweite zeit: Bis zu 484 Kilometer sind nach Norm möglich, beim Taycan 4S 464 Kilometer.
Preis-Vergleich mit dem Taycan 4S
Wenn sich zwei statt vier Räder bei aktivierter Launch Control in den Asphalt krallen, macht sich beim Wert für die Beschleunigung von null auf 100 km/h bemerkbar: 5,4 Sekunden vergehen beim Taycan, immerhin 1,4 Sekunden mehr als beim 4S. Im Alltag verkraftbar, ebenso die Höchstgeschwindigkeit von 230 statt 250 km/h.
83.520 Euro kostet der neue Porsche Taycan. Damit trennen ihn 22.967 Euro oder ein Basis-Golf mit einigen Optionen vom Taycan 4S. Der bringt aber u.a. das Luftfahrwerk serienmäßig mit, während das Basismodell mit Stahlfahrwerk vorfährt. Wie sich das beim Fahren bemerkbar macht, konnte nicht getestet werden. Denn die Luftfederung mit adaptiver Steuerung steckte in S-GO 388 E – man kann sich, wie gesagt, auch in der Preisliste des schwächeren Taycan ordentlich austoben.
Fazit
Ob Puristen oder 911er-Fan wegen dem Heckantrieb bewusst zum Basis-Taycan greifen werden, bleibt abzuwarten. Auch mit nur einem Elektromotor ist der große Porsche ein schnelles, edles Auto, das für eine Menge Fahrspaß sorgt. Eine „Heckschleuder“ muss man nicht befürchten.
Der Preisvorteil im Vergleich zum Taycan 4S sinkt ausstattungsbereinigt auf gut 10.000 Euro. Auch das dürfte aber dennoch manche Budgetkalkulation für den Firmenwagen eines Managers oder Freiberuflers einfacher machen.
Technische Daten
Porsche Taycan |
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Getriebe | Zweigang-Getriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 350 kW (476 PS) |
Elektromotor: Nennleistung KW | 280 kW (380 PS) |
Elektromotor vorn: Maximales Drehmoment | 357 Nm (bei Launch Control) |
Batterie | 93,4 kWh (83,7 kWh netto) Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 230 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 21,5 - 25,4 kWh |
Verbrauch real auf 100km | 28 kWh (lt. Bordcomputer) |
Leergewicht | 2.130 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.963 / 1.966 / 1.394 mm |
Grundpreis | 83.520 Euro |
Testwagenpreis | 138.319,50 Euro |