Am neuen VW Golf 1.5 eTSI überzeugt der Mildhybrid-Antrieb. Aber warum wird nicht gleich weitergedacht?
Es war die erste dunkle Wolkenwand seit einiger Zeit. Sie baute sich genau dann am Himmel auf, als der VW-Golf-Testwagen anrollte, frisch herausgeputzt im glänzenden (und teuren) Oryxweiß Perleffekt.
Das Wetter als Sinnbild für die neueste Generation des Bestsellers aus Wolfsburg? Denn so richtig himmlisch geht es dort am Mittellandkanal gerade nicht zu. Die Verschiebung des Kundeninteresses hin zu SUV ist nicht gemeint, denn auch hier ist VW vorn dabei; der Tiguan ist weltweit schon das meistverkaufte Modell der Marke.
eTSI im Video erklärt
Es ist vielmehr der Spagat, den VW mit dem letzten Modellwechsel beim Golf versuchte – und jetzt kommt er irgendwie nicht mehr richtig hoch. Händler beklagten fehlende Vorführwagen. Wenn dann doch ein Kunde anbiss, hätte der aber gerne mehr Auswahl bei Farben oder Antriebsalternativen gehabt, was der langsame Hochlauf der Produktion verhinderte.
Jetzt kommen die Softwareprobleme beim eCall mit einem Auslieferungsstopp hinzu. Gewitterstimmung also. Aber der Golf kann die Kurve kratzen, nicht erst mit den emotional aufgeladenen GTI- und GTE-Modellen. Womit schon wir mittendrin sind, in der erste Kurve des Alltagstests.
Der VW Golf 8 fuhr als 1.5 eTSI vor. Der kleine Buchstabe verrät beim Benziner mit DSG die Elektrifizierung durch ein Mildhybridsystem. Ein Riemenstartergenerator ersetzt den Anlasser, beim Bremsen entstehende Energie wird in einer kleinen Lithium-Ionen-Batterie unter dem Beifahrersitz gespeichert.
6,3 Liter Testverbrauch
Im Teillastbetrieb wird nicht nur die gewohnt gut funktionierende und aufmerksamkeitsscheue Zylinderabschaltung des Vierzylinders aktiviert, sondern nach Möglichkeit auch der Motor vom Getriebe abgekoppelt und dann ausgeschaltet. Der Drehzahlmesser senkt die digitale Nadel auf „Null“ und das Symbol der Start—Stopp-Automatik erscheint im virtuellen Instrumentenbrett hinter dem Lenkrad.
Sobald der Fahrer das Gaspedal berührt oder wenn Kameras und Navigation eine Steigung voraussagen, springt der TSI fast unbemerkt wieder an. Damit lässt sich im Alltag durchaus Sprit sparen. Der 150 PS starke Fünftürer genehmigte sich im Testalltag 6,3 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Damit war er nochmal sparsamer als der kürzlich getestete Seat Leon 1.5 eTSI , wobei hier schlechteres Wetter herrschte und der Spanier auf größeren Rädern fuhr.
In Verbindung mit dem Travel Assist, ein beim VW Golf Style serienmäßiges Assistenzsystem, zeigt sich das Mildhybridantrieb von seiner besten Seite. Tempolimits, beispielsweise bei einer sich nähernden Ortseinfahrt, werden erkannt und der Fahrer aufgefordert, den Fuß vom Gas zu nehmen. Im meist richtigen Moment aktiviert das System den Verbrenner, schaltet zurück und nutzt die Motorbremse zur effizienten Verzögerung. Regelmäßig gelang es so, ohne Betätigung der Bremse am gelben Ortsschild bei gut 50 km/h angekommen zu sein.
Das Zusammenspiel der Antriebskomponenten mit den künstlichen Augen des VW Golf funktioniert also tadellos und alltagsnäher als die teilweise verschachtelte und vom Verkehr ablenkende Bedienung des „Innovision Cockpit“ mit großem Navigationsmonitor.
Warum kein Vollhybrid?
Über die aufragenden Displays, die für viele Kunden eher wie eine abschreckende Mauer vor der digitalen Welt wirken als eine Einladung zum Eintauchen in ebendiese, ist aber schon viel geschrieben und gesagt worden. Kommen wir zurück zum eTSI. Die Elektrifizierung des Verbrenners ist, vor allem bei einem gut verkauften Auto wie dem VW Golf, ein lobenswerter Schritt. Vor allem die penible Zusammenarbeit der Komponenten gefällt.
Wenn man es sich aber mal gründlich überlegt, wundert der kleine Schritt auf dem Weg der Elektrifizierung. Ja, auch Plug-in-Hybride mit 204 und 245 PS Systemleistung (Golf eHybrid und GTE) wird es geben. Aber: Warum scheut VW, wie die meisten europäischen Hersteller, den Vollhybrid?
Der
Toyota Corolla 2.0 Hybrid
genehmigte ich im AUTONOTIZEN-Alltagstest 6,1 Liter. Mit seiner 1,56 kWh großen Batterie erlaubt er – bei idealen Voraussetzungen – einige hundert Meter elektrisches Fahren. Der VW Golf eTSI bietet dynamischere Fahrleistungen mit dem aufgeladenen Benziner und liegt mit 6,3 Litern nur knapp über dem Vollhybrid aus Japan. Auch dessen Technik funktioniert zuverlässig – fragen Sie mal Taxifahrer in einem Prius!
Stellen wir uns jetzt mal vor, VW (und andere!) würden nicht nur Plug-in-Hybride für die Steuerersparnis von Firmenwagenfahrer entwickeln, sondern auf Basis der bestehenden Verbrenner dem Vollhybriden eine neue Chance geben – ein VW Golf mit 150 PS und Realverbräuchen um 4,8-5,0 Liter (die mit dem Toyota übrigens auch zu schaffen sind) wäre zu realisieren.
So bleibt die Mildhybrid-Technologie, die auch beim koreanischen Mitbewerber Hyundai-Kia im großen Stil ausgerollt wird, ein begrüßenswerter Schritt in die richtige Richtung. Aber eben nur ein kleiner Schritt, der vor allem dem Normverbrauch und den CO2-Emissionswerten zugutekommt.
Fazit
Als 1.5 eTSI gefällt beim VW Golf die gelungene Antriebseinheit. Das Shift-by-Wire-DSG ruckelt nicht mehr beim Anfahren und erlaubt flüssiges Rangieren. Die Zylinderabschaltung funktioniert weiterhin tadellos, was auch für Stopp-und-Start des Verbrenners gilt – vor allem im gekonnten Zusammenspiel mit dem Travel Assist. Wenn sich also jetzt noch die Batterie vergrößern ließe - mit den Display hat es doch auch geklappt!
Technische Daten
VW Golf Style 1.5 eTSI |
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Abgasnorm | Euro 6.2 (6d-Temp-EVAC-ISC) |
Hubraum | 1.498 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 kW / 150 PS |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 1.500 - 3.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Höchstgeschwindigkeit | 224 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,6 - 4,8 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 6,3 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Goodyear Eagle F1 225/45 R17 |
Leergewicht | 1.340 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg, Stützlast 80 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.284 / 1.789/ 1.456 mm |
Grundpreis | 32.480 Euro |
Testwagenpreis | 41.875 Euro |