Der neue Seat Leon im AUTONOTIZEN-Alltagstest. Passen das neue Format und die Digitalisierung zum dynamischen Anspruch?
Familientreffen am Mittellandkanal. Der Golf lädt seine Brüder ein. Der Audi A3 kommt „Smart Casual“, etwas edler gekleidet und in den Augen mancher Betrachter vielleicht etwas distanziert im Auftritt. Die Verwandtschaft aus Tschechien, der Skoda Octavia , war gerade unterwegs. Sie schleppt den großen Reiserucksack mit. Unter dem Ärmel der Multifunktionsjacke blitzt die Smart Watch hervor – auch er ist als trotz der praktischen Veranlagung im digitalen Jetzt unterwegs.
Der Leon im Video-Review
Während der Gastgeber, wie immer unauffällig und zurückhaltend, gerade die Kekse akkurat an die Filterkaffeetassen drapiert, klingelt es ein wenig stürmischer als nötig. Der Seat Leon ist da, im frisch gebügelter Streetwear.
„Wie hast Du Dich verändert“? Könnte die Gesellschaft fragen, „Bist Du gewachsen?“. Ja ist er. Der Spanier, von dem in den letzten drei Modellgenerationen immerhin zwei Millionen Autos gebaut und verkauft wurden, erfindet sich ein Stück weit neu.
Der MQB-Dynamiker
Schon die ersten Kilometer im Testwagen, einem Seat Leon FR 1.5 eTSI mit optionalen 18-Zoll-Felgen, zeigen das. Im Vergleich zum VW Golf 8 markiert er mehr den Dynamiker, aber in Maßen. Die Lenkung gibt direkte Rückmeldung, das Sportlenkrad mit perforierten Griffmulden schmeichelt der Hand. Trotz dem jetzt auch hier weit gespreizt einstellbaren DCC (adaptive Dämpfer) in Richtung „Komfort“ liegt der Leon angenehm straff auf dem Asphalt, gibt Feedback ohne zu poltern ohne auszuschlagen.
Die dynamischere Rolle spielte der Leon bisher auch, jetzt kommt aber auch die praktische Seite hinzu. In Spanien haben sie sich nämlich dazu entschieden, für die neue Generation den um sieben Zentimeter längeren Radstand des MQB-Evo-Regals zu nutzen, der auch unter den Skoda Octavia geschnallt wird.
Das Resultat ist ein überaus geräumiger Fond hinter den haltstarken Sportsitzen für Fahrer und Beifahrer. Vor allem als Kombi mit dem Namen Sportstourer dürfte der neue Seat Leon damit noch mehr junge Familien ansprechen, denen ein Skoda Octavia weiterhin zu brav erscheint. Auch im hier getesteten Fünftürer gefällt das Platzangebot, zu dem auch eine ausreichende Kopffreiheit aufgrund des steilen Hecks gehört.
Beim Kofferraum ging den Entwicklern dann aber der Tatendrang verloren. Er hat mit 380 Litern genau das Volumen des Vorgängers (Ladefreunden sei erneut der Sportstourer empfohlen), außerdem gibt es zumindest aktuell noch keinen doppelten Ladeboden zur Verringerung der hohen Innenkante.
Weiter vorne zeigt sich ein flach bauender Armaturenträger mit angenehmen Materialen im Rahmen der Budgetmöglichkeiten. Wie heutzutage nicht anders erwartet wird, steht der Monitor frei im Raum.
Knopflos? Nein, nur anders
MQB Evo heißt auch MIB3. Leute, wie viele Abkürzungen denn noch? Ich verspreche: Das war die letzte. Hinter diesem Kürzel versteckt sich der Modulare Infotainmentbaukasten der dritten Generation. Heißt: Mit dem optionalen Navigationssystem und zehn Zoll großem Display ist der Seat Leon (wenn man das überfrachtete Multifunktionslenkrad mit 14 Tasten mal außer Acht lässt), weitgehend knopflos unterwegs.
Der große Touchscreen erfordert, wie auch der nachts leider unbeleuchtete „Slider“ direkt darunter, aufgrund kleiner Symbole oftmals mehr Aufmerksamkeit als nötig. Die Aktivierung der Sitzheizung ließe sich zum Beispiel über den klassischen Taster einfacher aktivieren als der Zweifingertipp auf den Slider oder das Anvisieren der kleinen Fläche auf dem Touchscreen.
Wirkungsvolle Assistenzsysteme
Auch hinter dem Lenkrad zeigt sich die digitale Welt, da Virtual Cockpit mit 10,25 Zoll-Display lässt sich vielfach konfigurieren und erfreut bei der Verwendung der Fahrassistenten mit klaren Anzeigen. Das im Seat Leon nicht lieferbare Head-Up-Display wird nicht vermisst.
Wenn man im Konfigurator und dann auch hier im Menü alle Häkchen setzt, hält der Seat Leon nicht nur Spur, Geschwindigkeit und Abstand zum Vordermann. Er beobachtet auch die Tempolimits und die Topographiedaten des Navigationssystems, gibt Hinweise zum Lupfen des Gaspedals und verlangsamt dann auch ziemlich gekonnt am Ortseingang auf 50 km/h. Dazu nutzt er die Motorbremse und lässt das „Shift-by-Wire“ 7-Gang-DSG zurückschalten.
6,7 Liter Testverbrauch
Ein schönes Zusammenspiel, vor allem, wenn der mit dem 48V-Mildhybridsystem elektrifizierte Seat Leon davor selbst auf Landstraßentempo zuerst zwei der vier Zylinder des 150 PS starken 1.5 TSI abgeknipst und danach den Motor komplett ausgeschaltet hat. Das geschieht ziemlich häufig und resultiert in einem Testverbrauch von 6,7 Litern auf 100 Kilometer.
Mit einem maximalen Drehmoment von 250 Newtonmetern, das bereits ab 1.500 U/min anliegt, setzt der TSI auch Beschleunigungsbefehle recht fidel um. Bei höheren Drehzahlen erhebt der Benziner aber seine Stimme. Alles in allem beweist der 1.5 TSI aber sein umfassendes Talent. Wer nicht nur Kilometer sammelt oder mit Anhänger mehr Drehmoment braucht, kann auf dem ebenfalls 150 PS starken TDI mit Twindosing (doppelte Abgasreinigung) verzichten. Mal sehen, was der später hinzukommende 2.0 TSI mit 190 PS im Vergleich bietet – der Zweiliter kommt aber ohne Mildhybridtechnik.
Abgerechnet wird zum Schluss. Die Preisliste für den neuen Seat Leon beginnt mit dem Basismodell Reference als 90 PS starker 1.0 TSI bei 20.820 Euro. Dann übrigens mit schwächeren LED-Scheinwerfern und ohne das stark beworbene LED-Lichtband am Heck (das im Video in Aktion zu sehen ist). Der dynamisch auftretende FR 1.5 eTSI kostet 29.050 Euro. Mit den größeren Felgen, DCC, Fahrassistenzpaket und weitere Extras liegt der Testwagen bei knapp über 36.000 Euro.
Leon oder Golf?
Einen wirklichen Preisabstand zum VW Golf gibt es nicht mehr. Viel mehr will der Seat Leon neben seiner dynamischen Ausprägung mit dem neu gewonnenen Platz im Fond punkten. Wer den nicht braucht, sollte sich viel Zeit zum Studium der beiden Preislisten nehmen, oder einfach den persönlichen Geschmack entscheiden lassen.
Fazit zum Seat Leon
Die vierte Generation des Seat Leon ist ein gut gelungener Kompakter. Der gewachsene Raum im Fond spendiert dem Spanier eine neue Rolle im Vergleich zu seinen Brüdern, gleichzeitig bleibt er der agile Sportler. Mit dem neuen Selbstbewusstsein steigen nicht nur die technischen Möglichkeiten in der Optionsliste, sondern auch die Preise. Außer dem wenig variablen Kofferraum und der vertrackten Multimediabedienung lässt sich dem Leon kaum etwas vorwerfen. Ein Profi eben, der seinen Auftrag, die Konkurrenz auszuschalten, ohne zu zögern annimmt.
Technische Daten
Seat Leon FR 1.5 eTSI |
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Hubraum | 1.498 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 110 kW / 150 PS bei 5.000 - 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 250 Nm bei 1.500 - 3.500 U/min |
Getriebe | Siebengang-Doppelkupplung |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,4 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 221 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,6 - 6,4 Liter (WLTP) |
Verbrauch real auf 100km | 6,7 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Bridgestone Turanza 225/40 R18 |
Leergewicht | 1.361 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.368 / 1.800 / 1.456 mm |
Grundpreis | 29.050 Euro |
Testwagenpreis | 36.520 Euro |