Die nächste Sau wird durchs Dorf getrieben. Diesmal: Pick-ups.
Es ist ja eigentlich so sicher wie das Amen in der Kirche: Wenn sich ein neues Fahrzeugsegment durchgesetzt hat, tummeln sich mehr und mehr Autohersteller darin – und irgendwann auch einmal VW. So war es bei den Kompaktvans: 1996 machte der Renault Mégane Scénic (Der hieß zu Beginn so) Familien mobil, VW stellte den Touran erst 2003 in die Reihenhausgaragen.
1994 hat Toyota mit dem RAV4 das SUV-Segment erfunden, VW brachte den Tiguan 2007. Da gab es schon haufenweise SUV, auch im Premiumsegment.
Noch heute lassen sich mehr und mehr Kunden einreden, dass sie unbedingt ein Auto brauchen, das optisch auf Geländewagen macht und dessen hohe Sitzposition mitbringt, aber nicht unbedingt mehr Platz bietet als ein Kombi, durch die größere Stirnfläche mehr verbraucht und oftmals unnötigerweise einen Allradantrieb zum Kindergarten oder ins Büro schleppt. Das Argument mit der besseren Übersicht hat auch bald ausgedient – wenn nämlich bald alle SUV fahren, sieht man auch nicht mehr über die anderen hinweg.
Wir Konsumenten werden von der Autoindustrie gerade für einen neu konstruierten Trend zurechtgelegt: Pick-ups. Hier ist VW übrigens nicht der Lumpensammler, den Amarok gibt es bereits seit 2010.
Mit viel Medientamtam hat Mercedes-Benz jetzt die Studie seines ersten Pick-up vorgestellt. Und alle finden den Vorstoss plötzlich ganz prima. Das Modell, dass im kommenden Jahr in Serie geht, wird X-Klasse heißen. Das X als Synonym für Crossover? Oder als Platzhalter, weil einem beim Namen wie auch beim Auto nichts mehr einfällt?
Es wird spannend, wie schnell sich die Kunden die pseudopraktischen Vorteile eines Pick-up schönreden lassen. In den Doppelkabinen haben zwar Familien Platz, auf den Rücksitzen dieser Autos geht es vor der steilen Blechwand aber oftmals wenig komfortabel zu.
Statt mit Auslegeware verkleideter Laderäume in Zukunft also Blechladeflächen? Die wasserdichten Regensäcke für Hartschalenkoffer und Co. gibt es dann als Option? Oder wir machen dann alle das Kreuzchen beim Hardtop – diese Kunststoffdächer, mit denen ein Pick-up auf SUV macht, die also die Idee des Autos an sich ad absurdum führen – so wie es gerade auch die frontgetriebenen, tiefergelegten City-SUV vormachen.
Die Motivation der Fahrzeughersteller ist nachvollziehbar. Primär als Nutzfahrzeug konstruierte Pick-ups sind weniger aufwendig in Konstruktion und Fertigung. Als „Abenteuer-Autos“ mit Chromrohren über der Ladefläche, Zusatzscheinwerfern und Trittbrettern ausgerüstet, kann man für den Privatkunden nochmal ein paar Tausend Euro mehr verlangen, die Marge steigt.
Vor allem, wenn man dem Braten noch nicht ganz traut und sich eine Eigenentwicklung spart. So wie Mercedes-Benz. Die Stuttgarter nutzen für die X-Klasse ihre Allianz mit Renault-Nissan. Womit sie Recht haben, denn genau für so etwas sind Kooperationen da. So basiert der Schwaben-Truck auf dem Nissan Navara, baugleich ist auch der Renault Alaskan.
Aus dem Renault Kangoo / Mercedes Citan – Desaster scheint man aber gelernt zu haben. Die X-Klasse wird eigene Dieselmotoren mit vier und sechs Zylindern erhalten. Das Leiterrahmen-Fahrwerk übernimmt sie von Navara und Alaskan, bekommt aber gewiss eine Markenspezifische Anstimmung. Produziert werden soll der Pick-up in Argentinien und Spanien.
Mit dem Einstieg der Premiummarke Mercedes-Benz wird das Pick-up Segment sicherlich wachsen. Auch wenn Ford Ranger, VW Amarok, Mitsubishi L200 und Co. schon sehr PKW-mäßig auftreten, findet sich an ihnen doch noch oft das Firmenschild des Gartenbauers oder einer Schreinerei.
Wann nach X220d und X350d wohl ein X63 AMG nachgeschoben wird? Spätestens, wenn die Pick-up-Sau durchs Dorf getrieben wurde und auch dieses Segment neuen Schwung braucht. Für die dann Ewiggestrigen. Die Hipster von Übermorgen fahren dann bestimmt Sprinter und Crafter – von wegen höher Sitzen und so…