Die junge Automarke VinFast startet 2022 mit Elektroautos in Europa und damit auch in Deutschland. Erster Check mit Sitzprobe, auch als Video-Review.
Die automobile Landkarte hat neue Grenzen. Seit 2020 gibt es die erste vietnamesische Automarke. VinFast, im Jahr 2017 wurde die Marke vom größten Unternehmen in Vietnam gegründet. Die VinGroup ist in der Produktion von Lebensmitteln, dem Einzelhandel sowie im Immobiliengeschäft und als Hotelbetreiber aktiv. Pham Nhat Vuong, der die VinGroup im Jahr 1993 gründete, gilt als reichster Mann des Landes.
Der VinFast VFe35 im Video
Auf dem Pariser Autosalon 2018 zeigte VinFast mit den Modellen Lux A 2.0 und Lux SA 2.0 eine Limousine und ein SUV, die beide Antriebstechnologie von BMW nutzen. Ein riesiges Werksgelände wurde auf einer 335 Hektar großen Fläche aus dem Boden gestampft. 2020 begann dort die Produktion der beiden Verbrenner-PKW und von elektrisch angetriebenen Motorrollern. Die installierte Kapazität liegt bei 250.000 Auto und 500.000 Rollern.
Diese Zahl macht klar, dass VinFast seine Autos nicht nur auf dem Heimatmarkt verkaufen will. Neuer Vorstandsvorsitzender von VinFast ist der deutsche Michael Lohscheller, zuletzt CEO von Opel.
Europastart im Jahr 2022
Unter der Leitung der Managerin Bich Tran, zu deren Karriere Positionen bei Toyota und dem Mischkonzern Thales gehören, wurde bereits eine Europa-Organisation mit Büros in den Niederlanden (Amsterdam), Frankreich (Paris) und Deutschland (Frankfurt) aufgebaut.
Diese drei Märkte sollen ab 2022 den ersten Schritt der internationalen Expansion von VinFast, gefolgt von weiteren europäischen Märkten und Nordamerika, darstellen. Das Managementteam von VinFast Europe hat mit Tesla, Apple und Nissan schillernde Namen in den Lebensläufen.
Zwei Elektro-SUV mit den kryptischen Bezeichnungen VF e35 und VF e36 sollen VinFast hierzulande bekanntmachen. Noch bevor beide Autos ab Mitte 2022 vorbestellbar sind, soll eine größere Palette an Elektroautos vorgesellt werden.
Vertrieb über Showrooms und online
VinFast plant einen Direktvertrieb der Fahrzeuge über Onlinekanäle und über eigene Niederlassungen mit Showrooms und angeschlossenen Werkstätten. Die Zusammenarbeit mit Importeuren oder Handelsgruppen ist im ersten Schritt nicht geplant.
Die Konzentration auf nur wenige Flagshipstores bedeutet dies aber nicht. „Kein Kunde soll einen weiten Weg zu VinFast haben“, stellte das Unternehmen bei der Strategiepräsentation im italienischen Turin in Aussicht. Chef Michael Lohscheller führte aus: „Dies ist ein wichtiger Tag für uns, denn wir schreiben Geschichte. Der europäische Markt ist für uns sehr wichtig.“
Der Ort der Veranstaltung war nicht ohne Grund gewählt. Das Designstudio Pininfarina mit Sitz in Turin ist einer der strategischen Partner von VinFast. Unter der Leitung von Chief Creative Officer Kevin Rice, der zuvor bei Chery und Mazda kreativ war, entsteht dort nach dem VinFast-Logo (das an vietnamesische Reisfelder erinnern soll) auch das Design aller Autos der Marke.
Außerdem arbeitet VinFast mit etablierten Zulieferern wie AVL, Aptive, Bosch, EDAG und ZF zusammen. Mit ProLogium aus Taiwan arbeiten die Vietnamesen am Thema Feststoffbatterie, mit dem chinesischen Unternehmen Gotion High-Tech an Lithium-Eisenphosphat-Akkus. Software, künstliche Intelligenz und Big Data, auch zur Fütterung von Systemen für das automatisierte Fahren, werden im eigenen Haus entwickelt. Hierbei dürfte auch die Erfahrung der VinGroup als Handyhersteller helfen.
Zur Markenpositionierung von VinFast in Europa wurden noch keine Angaben gemacht, die genauen technischen Daten und Preise der Elektroautos VF e35 und VF e36 bleiben noch unter Verschluss. Immerhin wird die Speicherkapatzität des Lithium-Ionen-Akkus verraten: 90 kWh sollen für bis zu 500 Kilometer Reichweite sorgen. Neben dem Modell mit einem Motor zum Antrieb der Vorderräder ist auch ein Allradmodell mit zweiter Maschine hinten geplant.
Der VFe35 im ersten Check
Das erste Kennenlernen mit dem VinFast VFe35 fand, vor der Premiere und somit streng von der Öffentlichkeit abgeschirmt, bei Pininfarina in Turin statt. Viele gefällige Elemente an Front und Heck summieren sich beim SUV mit schräger Heckscheibe zu einem Auto, dass Kunden auf der ganzen Welt gefallen soll.
Beim Einstieg fallen die breiten Seitenschweller in Form von Trittbrettern auf. Ob da die Hosenbeine immer sauber bleiben? Im Cockpit dominiert ein großes Infotainment-Display, Instrumente hinter dem Lenkrad gibt es nicht. Alle fahrrelevanten Informationen werden über ein Head-up-Display auf die Windschutzscheibe gespiegelt. Große Tasten zum Einlegen der Fahrstufe erinnern an Supersportwagen.
Ausreichende Platzverhältnisse
Der Innenraum bietet viel Platz. Auch im Fond hat der 1,92 Meter große Autor dieser Zeilen ausreichend Beinraum. Die im Fahrzeugboden eingebaute Traktionsbatterie sorgt aber dafür, dass die Beine recht stark angewinkelt werden müssen. Über die Materialauswahl und Verarbeitungsqualität kann man im handgeschnitzen Prototypen noch kein Urteil fällen. Das holen wir 2022 mit einem Serienauto nach!