Sollen die anderen doch abends an der Bar herumstehen und glotzen. Ich entführe Giulia lieber tagsüber in die verschneiten Alpen. Erste Fahrt mit der Alfa Romeo Giulia Veloce TI Modelljahr 2020.
Eine Szene aus einem beliebigen Gastronomiebetrieb. Die Herren gucken, raunen sich zu, tuscheln. Alle Blicke sind auf die Schönheit an der Bar gerichtet. Aber die Herren der Runde, sonst gerne das starke, jagende Geschlecht, trauen sich nicht so richtig. Keiner geht hin, versucht ein Kennenlernen. Egal ob für eine kurze Stürmigkeit (Probefahrt), eine Beziehung auf Zeit (Leasing) oder etwas richtig Festes (Kauf).
Nennen wir sie Giulia. Seit 2016 macht sie der Welt schöne Augen. Betört mit ihren Proportionen. Den schmalen Augen, der wohl proportionierten Nase. Reden wir gar nicht erst vom Hintern. Und jetzt wartet sie hier auf allen Vieren im Schnee. Aus. Ende. Das Kopfkino schließt, denn wir beschäftigen uns hier ja mit einem Automobil. Der Alfa Romeo Giulia eben. Alles, was in den Zeilen zuvor geschrieben wurde, stimmt.
Video-Review zur Alfa Romeo Giulia
Als Giulia Veloce Q4 steht die Mittelklasselimousine mit Allradantrieb zu Probefahrten in den verschneiten Alpen zur Probefahrt bereit. Unter der Haube steckt dieses Mal der 210 PS starke Dieselmotor. Warum? Weil es einen Fahrbericht der Giulia Veloce TI mit 280-PS-Benziner erst vor einigen Monaten zu lesen und im Video zu sehen gab. Der eigentliche Grund der neuen Dates hat aber etwas mit Berührungen zu tun. Denn im Gegensatz zu früher lässt sich Giulia im Modelljahr 2020 mehr anfassen. Das hat mit dem neuen Infotainmentsystem im leicht modifizierten Innenraum zu tun.
Das Display misst jetzt immer 8,8 Zoll in der Diagonale, die kleine Version fliegt aus dem Programm. Neu ist die Touchscreen-Funktion, mit der sich das von Magneti Marelli zugelieferte System auch direkt ansteuern lässt. Den Home-Bildschirm kann man sich mit verschiedenen Kacheln, Alfa Romeo sagt Widgets, frei konfigurieren, zudem lassen sich virtuelle Favoritentasten programmieren.
Die Auflösung der Anzeigen ist wesentlich besser als zuvor, hält aber immer noch Respektabstand zu den Darstellungen von Mitbewerbern wie BMW. Das Navigationssystem mit TomTom-Daten berechnet zügig die Routen und lässt sich intuitiver bedienen als zuvor. Optional kann der Alfa jetzt auch als Wlan-Hotsport herhalten.
Wer nicht so gerne auf dem Bildschirm herumdrückt, kann sich weiterhin über den praktischen Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole durchs Menü klicken. Die Befehle aus der rechten Hand werden direkt umgesetzt, alles gelingt flüssiger als zuvor. Daneben gibt es auch weiterhin einen extra Knopf für das Audiosystem.
Eingebettet sind die beiden Bedienungselemente in eine hübscher gestaltete Mittelkonsole mit neuen Oberflächen und einer italienischen Flagge am Fuße des hochwertiger gestalteten Wählhebels. Der gehört zum serienmäßigen Achtgang-Automatikgetriebe von ZF, serienmäßig in jeder Giulia. Die Schaltbox harmoniert gut mit dem kräftigen Dieselmotor, der ein maximales Drehmoment von 470 Nm auf die vier angetriebenen Räder loslässt. Die 19-Zöller haben stets gute Traktion, das Fahrwerk mit adaptiven Dämpfern sorgt für hervorragende Rückmeldung von der Straße und gleichzeitig guten Komfort. Der Diesel wirkt allerdings behäbiger als der Benziner. Wer ein leichtfüßiges und agiles Auto sucht, dem sei die 280-PS-Variante ans Herz gelegt.
Neuer Stauassistent
Hinter dem leicht geänderten und nach wie vor haptisch sehr ansprechenden Multifunktionslenkrad blickt man zwischen den Rundinstrumenten auf ein mit neuen Grafiken versehendes 7-Zoll-Display. Auch lassen sich hier die Fahrassistenten einstellen und verwalten. Je nach Ausstattung kann Giulia im Modelljahr 2020 nicht nur den Abstand zum Vordermann und die Mitte der Fahrspur halten, sondern im Stau auch bis zum Stillstand abbremsen und wieder anfahren. Auch der Totwinkelassistent greift ins Lenkrad ein, wenn man beim Spurwechsel einen anderen Verkehrsteilnehmer übersieht.
Fahraktive Sportlimousine
Auf den Bergstraßen am Kühtaisattel in Tirol bleiben die elektronischen Helferlein arbeitslos. Mit voller Konzentration lässt sich die Giulia über Asphalt und Schnee jagen, der elektrisch einstellbare Sportsitz gibt den dafür passenden Seitenhalt. Unabhängig von der Connectivity und neuen Displays bleibt der Alfa ein fahraktives Auto und damit ein Geheimtipp für ambitionierte Piloten.
Die Sonne wandert langsam hinter den Bergkamm. In der Dämmerung heißt es dann noch „auf die Knie!“. Nicht für Giulia, sondern für den Autor. Aber nur für das Titelfoto des Video-Reviews. Es bleibt ein kurzer Flirt mit der im gar nicht mehr so sauberen Misano Blue lackierten Giulia. Zuhause wartet neben der Eherfrau nämlich auch ein Familienkombi. Was wäre denn, wenn man den vielen Stauraum nicht mehr braucht…
Fazit zur Alfa Romeo Giulia 2020
Auch fast vier Jahre nach dem Debüt ist die Giulia noch immer ein begehrenswertes Automobil. Ob die Baureihe nach der Fusion von FCA mit PSA als letzter echter Alfa auf einer Hinterradantriebs-Plattform in die Geschichte eingehen wird, bleibt abzuwarten.
Im Modelljahr 2020 gewinnen Giulia und der SUV-Bruder Stelvio mit dem neuen Infotainmentsystem und erweiterten Fahrassistenten an Relevanz, bleiben aber – wohl auch mit weiterhin selbstbewussten Preisen – Alternativen für selbstbewusste Individualisten. Traut Euch!
Technische Daten
Alfa Romeo Giulia Veloce TI 2.2 Diesel |
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Abgasnorm | Euro 6d-Temp |
Hubraum | 2.143 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 154 kW / 210 PS bei 3.500 U/min |
Max. Drehmoment | 470 Nm bei 1.750 U/min |
Getriebe | Achtgang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 6,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 235 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 6,1 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 9,6 Liter (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Pirelli Winter Sottozero 225/40 R19 v. / 255/35 R19 h. |
Leergewicht | 1.615 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.600 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.643 / 1.860 / 1.438 mm |
Grundpreis | noch nicht bekannt |