Der neue Alfa Romeo Tonale als 160 PS starker Mildhybrid-Benziner im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
Das Ehepaar am Straßenrand reckt die Hälse, vergisst sogar die grüne Fußgängerampel. Zwei junge Männer im Auto neben uns zücken die Smartphones, nehmen Bilder und ein Video auf. Nur eine von vielen Szenen, die wir heute erleben. Und die beweist, wie emotional das Thema Auto auch im Jahr 2022 noch sein kann. Zumindest dann, wenn man wie wir mit einem brandneuen Alfa Romeo noch vor dessen Marktstart in Italien, genauer in Como, unterwegs ist.
Der Tonale im Video
Vorschusslorbeeren bekommt der kompakte Alfa Romeo Tonale also. Lange genug mussten Fans der Marke (und dazu gehören scheinbar fast alle Italiener) auf ein ganz neues Modell warten, zuletzt kam 2017 der Stelvio. Wie er hört auch der Tonale auf den Namen eines Bergpasses. Ansonsten will er für die strauchelnden Italiener aber viel frischen Wind bringen.
Der Tonale ist Alfa Romeos erstes Kompakt-SUV. Er tritt gegen etablierte Konkurrenten wie den Audi Q3, den BMW X1 und Jaguar E-Pace an, aber auch gegen neue Shooting Start wie den Cupra Formentor. Außerdem leuchtet er als erstes Modell der Marke mit LED-Scheinwerfern nach vorne, je nach Ausstattungslinie sind auch adaptive Matrix-LED-Lichter zu haben. Ein Quantensprung, Giulia und Stelvio bieten auch heutzutage noch Bi-Xenon-Technologie.
Zuerst als Mildhybrid
Und noch ein erstes Mal: Der Tonale ist der erste elektrifizierte Alfa Romeo. Als Plug-in Hybrid soll er 275 PS Systemleistung bringen. Dieses Topmodell der Baureihe kommt aber erst im Herbst 2022 und damit wohl für viele Kunden in Deutschland, die sich ihren PHEV gerne fördern lassen, zu spät.
Zum Marktstart sollen es Mildhybride richten. Unter der Motorhaube steckt ein 1,5 Liter großer Vierzylinder-Benziner mit 130 oder 160 PS, der Elektroantrieb leistet maximal 15 kW (20 PS). Damit kann der Tonale mehr als andere Mildhybride. Elektrisch rangieren zum Beispiel oder auch einige Zeit im Stopp-and-Go-Verkehr ohne Zutun des Verbrenners unterwegs sein. Beim Anfahren macht der Tonale mit einem Roboter-Sound auf sich aufmerksam, der durchaus sympathisch klingt. Ansonsten gibt es keine Klangerlebnisse. Nachdem Alfa Romeo es sogar schafft, eine Giulia mit Zweiliter-Vierzylinder herzerwärmend klingen zu lassen, überrasch die maximale Zurückhaltung beim Tonale.
Wir verlassen die Stadt und entziehen uns den Blicken der Passanten. Sie sahen ein neues Markengesicht mit sechs LED-Wellen an der Front und am Heck. Spezielle Proportionen weist der Alfa Romeo Tonale aber nicht auf. Denn unter seiner Schale steckt Konzerntechnik, die auch hinter dem Jeep-Emblem stecken kann.
Mit Ausnahme des kommenden Plug-in Hybriden ist der Tonale stets ein Fronttriebler. Ein elektronisches Sperrdifferenzial soll für markentypische Dynamik sorgen. Die versucht der Tonale auch, trotz der Stoßdämpfer mit frequenzselektiver Regelung, mit einer recht harten Fahrwerksabstimmung darzulegen. Das gelingt bei niedrigem Tempo, sobald Querfugen oder Kanten überfahren werden, aber nur bedingt. Je nach Version wird es auch eine elektronische Dämpferregelung geben, die im Testwagen nicht eingebaut war. Wenn die zweite Wahlstufe die Sache aber noch herber macht, dann ist das eine unnötige Option. In weiter Spreizung einstellbare Dämpfer gibt es nicht.
Digitales Cockpit
Am sitzt recht hoch auf bequemen Sitzen und genießt eine gute Rundumsicht. Der 160 PS starke Benziner harmoniert die meiste Zeit gut mit dem Siebengang-Doppelkupplungstriebe. Spürbare Rucke empfehlen ab und zu aber Nacharbeiten bei der Feinabstimmung. Auch die Lenkung versprüht wenig Alfa-Romeo-Flair. Dafür ist sie schlicht und einfach zu leichtgängig, vermittelt zudem besonders um die Mittellage herum wenig Rückmeldung.
Fahrdynamisch ist der Tonale also vor allem ein kompaktes SUV, das vielen Kunden gefallen will. Dafür bringt er auch eine Inneneinrichtung mit, die aktuellen Ansprüchen folgt. Erstmals bauen die Italiener ein volldigitales Kombiinstrument hinter dem traditionelle Rundlenkrad ein. Die klassischen Tuben werden von der Einfassung zitiert.
Auflösung und Reaktionsgeschwindigkeit auf Wünsche zum Ändern der Anzeige über das Multifunktionslenkrad sind auf hohem Niveau. Auch das Infotainmentdisplay bietet eine gute Darstellung aller Inhalte von der Navigation bis hin zu den Fahrassistenten. Einige Menüpunkte, der der Finger auf dem Touchscreen treffen muss, sind aber arg klein geraten. Die wichtigsten Klimafunktionen lassen sich über gut erreichbare Kippschalter unterhalb der Lüftungsdüsen ansteuern, außerdem gibt es in der Mittelkonsole eine Drehwalze für die Audiolautstärke. Bei der Bedienung geht das „einer-für-alle-Konzept“ also auf.
Preise ab 35.500 Euro
Ob das auch für die Preise gilt? Der Alfa Romeo Tonale startet mit 130 PS in der Ausstattungslinie Super bei 35.500 Euro. Damit liegt er auf dem Niveau des Basis-X1, der einen Dreizylinder-Benziner unter der Haube hat. Unser Testwagen ist ein Tonale TI, der mit dem 160 PS starken Mildhybrid-Benziner ab 42.000 Euro kosten wird. Darüber rangiert der sportlicher auftretende Veloce für 44.500 Euro.
Fazit
Es darf mal wieder nicht weniger sein als ein Neuanfang für Alfa Romeo. Unter dem Deckmantel des Stellantis-Konzerns und mit neuem CEO plant die Marke eine elektrische Zukunft. Vorher soll der Tonale nochmal im großen Marktsegment der Kompakt-SUV mitmischen.
Dabei vergisst er ein Stück weit viele Eigenheiten, die den Geist der Marke Alfa Romeo auch heute noch bestimmen. Was Alfisti aufregt, dürfte Otto-Normalkunde nicht stören und ihm somit eine Alternative beim Autokauf bescheren. Platzangebot und Ausstattung gehen in Ordnung, aber Lenkung und Fahrwerksabstimmung dürfen gerne nochmal überarbeitet werden. Aber das sieht man ja auf den Handyfotos vom Straßenrand nicht.
Technische Daten
Alfa Romeo Tonale TI |
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Antrieb | Frontantrieb |
Hubraum | 1.469 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 118 kW / 160 PS bei 5.750 U/min |
Max. Drehmoment | 240 Nm bei 1.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 15 kW (20 PS) |
Tankinhalt | 55 Liter |
Beschleuningung 0-100 km/h | 8,8 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 210 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,7 - 6,2 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 8,2 Liter (lt. Bordcomputer) |
Leergewicht | 1.600 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.500 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.528 / 1.835 / 1.601 mm |
Grundpreis | 42.000 Euro |