"Vollstrom" mit dem Audi e-tron 55 Quattro. Ist das Elektro-SUV eine Alternative zur klasssischen Oberklasselimousine?
Wären die Autobahnen dieser Tage stark befahren, dürfte der ein oder andere Verkehrsteilnehmer eilig versuchen, eine Rettungsgasse zu bilden. Auch an Kreuzungen könnte es passieren, dass ohne Rücksicht auf die Lichtsignalanlage oder Regelungen Vorfahrt gewährt wird. Der Grund liegt in der auffälligen Lackierung des Testwagens: Catalunyarot Metallic. Aufpreis: 1.000 Euro. Aufmerksamkeitswert: Unbezahlbar, weil knapp hinter einem Notarztwagen.
Sie ist auf den Audi e-tron 55 Quattro aufgesprüht. Dem elektrisch angetriebene SUV der Ingolstädter Marke wird ja oft nachgesagt, als „Tesla-Killer“ angetreten zu sein. Einen direkten Vergleich des Tesla Model X gegen den Audi e-tron konnte zumindest AUTONOTIZEN bislang nicht durchführen, was vornehmlich an der kaum existenten PR-Arbeit des amerikanischen Disruptors liegt.
Das Video-Review zum Audi e-tron
Die Rolle als Antwort auf das Model X wäre dem Audi e-tron aber auch zu wenig. Vielmehr dürfte er die Kaufgewohnheiten typischer Oberklassekunden ordentlich durcheinanderwirbeln. Denn seien wir mal ehrlich: Die meisten Audi A8, BMW 7er, Mercedes S-Klassen oder große SUV vom Schlage eines Q7 oder GLE fahren doch meist im Pendelverkehr zwischen der Vorstadtvilla und der Kanzlei / Praxis hin und her.
Es werden Kilometerleistungen erzielt, die der Audi e-tron 55 Quattro mit seinem (brutto) 95 kWh großen Lithium-Ionen-Akku locker wegsteckt. Nach dem jüngsten Update können 85,6 kWh davon genutzt werden, man spricht hier von der Netto-Kapazität. Bis zu 436 Kilometer Reichweite soll der Audi e-tron nach Norm schaffen.
26 kWh / 100 km Testverbrauch
Im Testalltag ist der Verbrauch von 26 kWh je 100 Kilometer (ohne Messung von Ladeverlusten) direkt im Spektrum des Laborwerts, der nach WLTP-Norm zwischen 22,6 und 26,2 kWh / 100 km liegt.
Mit der automatischen Rekuperation vor Tempolimits oder auf Anregung der Frontüberwachung hilft der e-tron unaufgeregt beim Stromsparen. Greift der Fahrer selbst ein, kann er dies über die Paddels am Lenkrad ebenso wie über das Bremspedal, der Rekuperationseffekt ist der gleiche.
Aber es geht auch anders. Denn wenn wir mal ehrlich sind: Der Fahrspaßfaktor geht in Marketing und PR für Elektroautos stets unter. Warum eigentlich?
Über „Drive Select“ wird der Dynamic-Modus angewählt und der Fahrwählschalter (nennen wir ihn mal so) in die Position „S“ gefingert. Jetzt stehen 300 kW (408 PS) Systemleistung aus den beiden Elektromotoren und 664 Nm Drehmoment für maximal acht Sekunden zur Verfügung. Das ist lange genug, um sich mit schwerem Fuß auf dem Fahrpedal immer schneller in Richtung Horizont zu beamen. Bei 200 km/h wird der Audi e-tron elektronisch abgeregelt. Bis dahin lässt er in Sachen Längsdynamik aber sofort die Erinnerung an über 2,6 Tonnen SUV unter dem Hintern vergessen.
Selbst im „Efficency“ Fahrmodus ist die Beschleunigung noch jenseits von „wow“. Klar: Der genannte Stromverbrauch ist dann nicht realisierbar, man kann der Anzeige des Ladezustands förmlich beim Abfallen zusehen.
Gut, aber sehr teuer
Genug ausgetobt, aber das mit einem Grund. Denn die Leistungsbereitschaft zeigt sie Souveränität des Antriebs. Die passt zum Rest des Autos. Wind- oder Abrollgeräusche bleiben außen vor, der Audi e-tron ist fein gedämmt. So gut, dass das manchmal knackende Armaturenbrett im Testwagen für Schreckmomente sorgt.
Wer von einem mit Verbrennungsmotor angetriebenen Oberklassemodell in den Audi e-tron umsteigt, dürfte nicht auf Cent und Euro schauen. Also dürfte man gewillt sein, zusätzlich zum stattlichen Preis ab 80.900 Euro aufwärts (der Testwagen steht mit 106.915 Euro im Datenblatt) auch noch 2.250 Euro für den – nach Meinung des Autors – schöneren Abschluss in Form des Audi e-tron Sportback zu investieren.
Fazit zum Audi e-tron
Unabhängig vom Elektroantrieb ist der Audi e-tron ein durchdachtes und hochwertiges Oberklassefahrzeug. Das hat natürlich seinen Preis. Wer die grüne Weste an der Garderobe hängen ließ, kann es mit dem bis zu 300 kW starken Antrieb auch mal ordentlich fliegen lassen. Den dafür nötigen Expresszuschlag kennt man auch vom zuvor bewegten Verbrenner.
Technische Daten
Audi e-tron 55 Quattro |
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Elektromotor vorn: Maximale Leistung kW | 135 kW (184 PS) (acht Sekunden, Boost) |
Elektromotor hinten: Nennleistung KW | 165 kW (224 PS) (acht Sekunden, Boost) |
Systemleistung: kW / PS | 300 kW / 408 PS und 664 Nm (acht Sekunden, Boost) |
Batterie | Lithium-Ionen, 95 kWh (brutto) |
Beschleuningung 0-100 km/h | 5,7 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 22,6 - 26,2 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 26 kWh |
Leergewicht | 2.565 kg |
Anhängelast (gebremst) | 1.800 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.901 / 1.935 / 1.629 mm |
Grundpreis | 80.900 Euro |
Testwagenpreis | 106.915 Euro |