Der Frühsommer im 453 PS starken V8-Cabrio.
Und nochmal, mit Gefühl. Tempo 35, über die Schaltwippen ist manuell der zweite Gang eingelegt und der Fuß hebt sich langsam und nicht zu weit vom Gaspedal. Bollern, Rumoren, Verschlucken. Alles mit viel Bass. Die Klappenabgasanlage auf dem akustischen Höhepunkt ihrer Selbstverständlichkeit. Und dabei sind wir gleich mittendrin in „Monsterzähmen, leicht gemacht“.
Der Chevrolet Camaro V8 kann nämlich auch ganz anders. Dann, wenn der Fuß schwer ist und dem 6,2 Liter großen, freisaugenden V8 im Finale das maximale Drehmoment von 617 Newtonmetern aus den Brennräumen kickt. Das wird bei 4.600 Umdrehungen gefeiert, Sauger eben. Aber schon vorher brüllen die vier Endrohre ihren Schlachtruf. Der Chevy stürmt voran.
Ganz nah an den Urgewalten der Mechanik sitzt man natürlich im offenen Auto, weswegen das Camaro Cabrio eine mehr als willkommene Alternative zum Coupé ist. Das darf mit Blechdach zwar bis 290 km/h schnell sein, aber die 250 Sachen, die der Kapuze des Cabrios maximal zugemutet werden, reichen selbstredend auch. Denn die Top Speed sind ein schöner Stammtischwert, die 4,6 Sekunden für die Beschleunigung auf 100 km/h viel mehr ein Erlebnis.
Was auch für die direkte Abstimmung des hinterradgetriebenen Sportwagens gilt. Der Camaro folgt willig auch kleinsten Lenkbefehlen, die Leistung lässt sich trotz der Fülle gut mit dem Gaspedal dosieren und das Magnetic Ride-Fahrwerk mit sich anpassenden Dämpfern sorgt für Komfort, stets im Rahmen dessen, was die mächtigen 20-Zöller eben noch zulassen. Trotz aller Alltagsqualitäten ist und bleibt der Camaro vor allem ein Sportwagen.
Aber einer mit überraschend viel Platz für Fahrer und Beifahrer. Die sitzen im Testwagen auf hervorragend konturierten, optionalen Recaro-Sitzen vor einem intuitiv bedienbaren und gut verarbeiteten Cockpit. Die Sitzschalen im Fond sind zwar anwesend, was aber nicht für jede Form von Beinraum gilt. Also dienen sie vor allem als zusätzliche Ablage zum bei offenem Dach nur 70 Liter (ca. eine Sporttasche) großen Kofferraum. Ist die Haube oben, kann man 208 Liter einladen. Auch nicht üppig.
Einstellbare Fahrmodi passen Gasananhme und Soundverhalten an, wobei sich Tour und Sport für jeden Einsatzzweck empfehlen. Der Track-Modus sollte auch nur dort hingehören, denn trotz zwei Mal 275 Millimeter breiten Auftrittsflächen flirten die Hinterräder dann doch zu sehr mit der Querbeschleunigung. Schnell wird klar. Der Camaro unserer Zeit kann mehr als nur geradeaus über den Highway in Richtung Horizont bollern. Er ist eine High-Tech-Fahrmaschine. Der gar nicht mehr so kleine Bruder der Corvette?
Wer sich lange genug ausgetobt hat, fängt dann doch mal an, am Infotainment des Camaro herumzufummeln. Dessen Touchscreen ist geneigt platziert, was Spiegelungen minimiert, außerdem kann man die Hand zur Bedienung gut auf dem Wählhebel der Automatik ablegen. Smartphones lassen sich integrieren oder per Bluetooth verbinden. Da stört es nicht mehr, dass der Camaro auch noch OnStar mitbringt, den GM eigenen Onlinedienst, der in Europa bald abgeschaltet wird.
Wie die Klimaanlage erkennt das famose BOSE-Soundsystem, ob das Dach geschlossen oder offen ist. Dementsprechend wird die Klangverteilung – und eben der Luftstrom – angepasst. Auch hier gibt sich der Camaro wieder ganz handsam.
Fazit zum Chevrolet Camaro Cabrio V8
Zwei Plätze im Format einer ausgewachsenen Mittelklasselimousine. Ein laut bollernder 6,2 Liter-Motor. Acht Zylinder. Über 15 Liter Benzin auf 100 Kilometer. Ja, man könnte meinen, der Chevrolet Camaro sei aus der Zeit gefallen. Ob er den Anlauf schafft, die Euro 6d-Temp-Hürde mit dem Facelift zu nehmen, ist dem Autor noch nicht bekannt. Aktuell werden V8-Camaros jedenfalls mit Preisnachlässen von bis zu 6.500 Euro abverkauft.
Und empfehlen sich damit nochmal mehr als Schnäppchen auf hohem Preisniveau für echte Männer (und Frauen), die mit den Urgewalten umgehen können.
Wo sonst gibt es 453 PS für 57.600 Euro Listenpreis beim Cabrio. Da fällt einem natürlich der Ford Mustang ein. Aber dann muss man lange nachdenken. So lange, dass sogar die Sabberfädchen in den Mundwinkeln trocknen. Also lieber wieder schnell hinein in den Camaro.
Technische Daten
Chevrolet Camaro Cabrio V8 Sport |
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Hubraum | 6.162 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | V8 |
Maximale Leistung kW / PS | 333 kW / 453 PS bei 5.700 U/min |
Max. Drehmoment | 617 Nm bei 4.600 U/min |
Getriebe | Achtgang |
Beschleuningung 0-100 km/h | 4,6 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 250 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 11,5 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 16,2 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Goodyear Eagle 245/40 ZR20 v. / 275/40 ZR20 h. |
Leergewicht | 1.769 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.784 / 1.897 / 1.340 mm |
Grundpreis | 57.600 Euro |
Testwagenpreis | 59.500 Euro |