Cupra Leon Dauertest Was kann der spanische GTI?

Was kann der sportliche Kompakte im Alltag? Der Cupra Leon im AUTONOTIZEN-Dauertest.

Muss es immer SUV sein? Wenn man sich in den Statistiken und vor allem im Straßenbild so umsieht, kann die Antwort auf diese Frage für viele Autofahrer nur „ja“ lauten. Dabei gibt es auch weiterhin Alternativen, zumal man mit einem automobilen Hochsitz dieser Tage ja nicht mehr wirklich eine Form der Individualität ausstrahlt.

Vor der SUV-Schwemme galt der „Hot Hatch“ als erhoffte Zielerreichung vieler junger Menschen. Mit dem ersten Job und Ersparnissen kamen Golf GTI und Co. in erreichbare Nähe. Dazu passt das Rezept: Der Platz im Innen- und Kofferraum reicht auch für junge Familien, der Fahrkomfort passt im Alltag. Trotzdem kann man – im Rahmen der Straßenverkehrsordnung – auch mal Spaß am Lenkrad haben.

Cupra Leon im Video

Schneller, stärker, teurer: Dieser Trend sorgt auch für eine neue Klasse über den klassischen Hot Hatches: Mit 300 PS und mehr gibt es Modelle wie den VW Golf R, Audi RS3 und Honda Civic Type R. Das Hot-Hatch-Destillat lässt sich aber auch dieser Tage anders definieren: Leistung um 250 PS, eine Antriebsachse (meist vorne), Sportfahrwerk und dynamische Optik.

Beispiele gefällig: Neben dem Hundai i30 N, der jetzt leider aus dem Programm der Koreaner flog, gilt der VW Golf GTI als Kern der Klasse, dazu kommt sein Konzernbruder Cupra Leon. Im Zuge der Markenerweiterung kann man den Leon auch mit kupferfarbenem Markenlogo mittlerweile in einer Vielzahl von Varianten ordern, von der 150-PS-Basis als Benziner und Diesel bis hin zum Allrad-Kombi mit 310 PS. Mittendrin: Der Leon 2.0 TSI mit 180 kW / 245 PS, der „GTI-Konfiguration“. Und damit ganz nah im Zentrum des Hot-Hatch-Gedankens. Ein solcher Cupra Leon trat im Dezember 2023 zum AUTONOTIZEN-Dauertest an. Der kompakte Fünftürer sollte zeigen, wie er sich im Alltag schlägt. Reicht das Platzangebot? Was verbraucht der Benziner? Und wie schlägt ich die Fahrwerksabstimmung mit dem serienmäßigen Adaptiv-Fahrwerk DCC?

Facelift mit weniger Auswahl

Cupra Leon TSI Dauer Test Video Review Preis Facelift Lob Kritik 2024

Mittlerweile haben die Spanier das umfangreiche Facelift der Leon-Familie vorgestellt. Mit dem Modellwechsel flog auch der 2.0 TSI, der in VW Golf GTI und Skoda Octavia RS jetzt 265 PS leistet, aus dem Angebot. Konfigurator und Preisliste des Leon laden also zum großen Sprung von 150 PS bei 1.5 TSI und 2.0 TDI bis zum 300 PS starken Benziner ein. Dazwischen parkt der neue Plug-in Hybrid mit 272 PS Systemleistung und gut 100 Kilometern elektrischer Reichweite.

Dieser Langzeit-Test des Vor-Facelift-Modells lässt nicht nur Rückschlüsse auf den neuen Leon zu, bei dem sich in Sachen Fahrwerk nichts geändert hat, sondern soll auch eine Entscheidungshilfe für Käufer von Tageszulassungen auf dem Hof des Händlers oder von Gebrauchtwagen sein. Auch das Format des Spaniers hat sich mit der Überarbeitung nicht geändert.

Mehr Platz als im Golf GTI

Der 4,40 Meter lange Cupra Leon überzeugt einmal mehr mit seinem Platzangebot. Der Radstand von 2,68 Metern entspricht dem des Skoda Octavia und des VW Golf Variant – im Vergleich zum Golf GTI (und den anderen Fünftürern der Baureihe) stehen die Achsen also um fünf Zentimeter weiter auseinander.

Insbesondere im Fond zeigt sich dieser Vorteil in einer Raumfülle, die auch für größere Passagiere Langstrecken in der zweiten Reihe zur angenehmen Erfahrung machen. Vorne bieten die Sportsitze mit integrierten Kopfstützen einen guten Seitenhalt und gleichzeitig viel Komfort. Dazu passt die serienmäßige Stoff-Innenausstattung. Die Bezüge liegen bei Optik und Haptik auf hohem Niveau. Ihre griffige Oberfläche verhindert zudem ein rutschiges Gefühl in schnellen Kurvenpassagen.

Gutes Ambiente im Innenraum

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Die Materialauswahl im Innenraum erfüllt nicht ganz den Qualitätseindruck von Skoda und VW, die Oberflächenstrukturen und geschickt eingesetzte Details im Marken-Farbton Kupfer lassen aber keine Sparmobil-Gefühle aufkommen. Oft genug beschrieben und kritisiert wurde die teils verworrene Menüführung im Infotainmentsystem, oft durch den langsam reagierenden Touchscreen-Monitor weiter dramatisiert. Auch der bei Dunkelheit unbeleuchtete Slider unter dem Display nervt. Vor allem im lichtarmen Winter verstellt man beim Wunsch nach Sitzheizung oft die Audiolautstärke. Alternativ zum Doppelfinger-Klick auf den Slider bleibt bei Wärmebedarf nur das Treffen der kleinen Icons am oberen Bildschirmrand. Auch das lenkt während der Fahrt (zu) stark ab.

Die Auflösung der Anzeigen und die Reaktionsschnelligkeit des Touchscreens sind von durchschnittlicher Qualität. Vor allem bei der Anzeige von Album-Coverbildern im Apple CarPlay-Menü sieht man, dass die Hardware im Leon schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Zumindest dann, wenn die Smartphone-Integration funktioniert. Zumindest mit neueren iPhones (15, 15 Pro) versagte das Infotainmentsystem manchmal nach dem Motorstart die erneute Kopplung.

GTI auf Spanisch

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Die im Testwagen konfigurierte Ausbaustufe des intern EA888 genannten Vierzylinder-Benziners mit Turboaufladung und einem bei 370 Newtonmetern angesiedelten Drehmoment-Plateau gefällt mit gutem Durchzug und ordentlichen Manieren. Je nach Fahrmodus sorgt der Soundgenerator im Innenraum für zurückhaltende oder freche Klänge, außen bollert die zweiflutige Abgasanlage dezent. In 6,4 Sekunden beschleunigt der 2.0 TSI aus dem Stand auf 200 Sekunden, ist damit 0,7 Sekunden langsamer als die Variante mit 300 PS – nicht spür-, sondern nur messbar. Die Höchstgeschwindigkeit ist in beiden Leistungsstufen bei 250 km/h erreicht.

8,3 Liter Testverbrauch

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Die elektronisch geregelte Differenzialsperre an der angetriebenen Vorderachse (XDS) sorgt in den meisten Fällen für volle Traktion im Scheitelpunkt einer Kehre oder am Kurvenausgang. Nur auf nasser Straße muss manchmal die Elektronik eingreifen. Schnell bekommt man aber die Balance aus Lenkwinkel und Gaspedaldruck ins Blut und kann den Leon entsprechend dirigieren.

Im Alltag gibt sich der Spanier lammfromm, vor allem in der Komfort-Einstellung des DCC-Fahrwerks. Entspannte Naturen am Volant dürften auch den Testverbrauch von 8,3 Litern auf 100 Kilometer weiter in Richtung des WLTP-Normwerts bringen, der bei 7,1 bis 7,3 Litern liegt. Bei schnellen Autobahnetappen wird der 2.0 TSI aber durstiger, auf freier Strecke in Deutschland (ohne Tempolimit) erreicht man auch ohne Hektik am Gaspedal zweistellige Verbrauchswerte. Entsprechend früher muss der Leon-Fahrer dann zum Boxenstopp, um den 60 Liter großen Tank nachzufüllen.

Defekte und Kritik

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Neben der sporadischen Weigerung des Infotainment-Systems, sich mit dem iPhone zu verbinden, stellte auch die Rückfahrkamera zeitweise ihre Dienste ein. Nachdem das Display beim Einlegen des Rückwärtsgangs zwei Monate lang nur einen schwarzen Bildschirmausschnitt zeigte, kam das Kamerbild plötzlich zurück - um dann einige Tage später wieder dauerhaft zu verschwinden. Ein Besuch in der Werktstatt dürfte wahrscheinlich einen Wackelkontakt als Ursache aufzeigen.

Fachmnännisch kontrolliert wurden dagegen bereits die trampelnden Geräusche an der Hinterachse, jedoch ohne Ergebnis. Immerhin brachte der Wechsel von Winter- auf Sommerreifen (Marken und Modelle in der Tabelle mit den technischen Daten) etwas Besserung - aber keine vollständige Linderung.

Pflege und Zuneigung benötigen Schweller sowie Ladekante. Zumindest dann, wenn man den Lack des Leon über einen längere Zeitraum frischhalten will - die optionale Farbe Nevada Weiß hätte es verdient. Hinter dem rechten Vorderrad und an den Seiten der Heckklappen-Innenverkleidung läuft Hohlraumversiegelung über den Lack und hinterlässt einen Schmierfilm. Ältere Leser dürften sich an den VW Golf II erinnert fühlen. Bei manchen Exemplaren dieses Modells lief die Holhraumversiegelung beidseitig unter der Heckklappe über das Abschlussblech, oftmals konnten die Spuren nicht mehr rückstandslos entfernt werden. Immerhin: Damit zeigt der Cupra Leon, dass mit dem Schutzmittel gegen Rost nicht gespart wurde.

Video: Leon Facelift 2024

Die Eingangsfrage lässt sich nach rund 10.000 Kilometern mit dem Cupra Leon beantworten: Nein, es muss nicht immer SUV sein. Der geräumige Kompakte bietet viel Platz und bringt dich als Fahrer nicht nur aufgrund der Sitzhöhe näher an die Straße. Auch der Kofferraum ist mit 380 Litern Volumen (bei aufgestellter Lehne der Rücksitzbank) für die meisten Fälle groß genug – alternativ gibt es den Cupra Leon auch als Kombi namens Sportstourer mit über 600 Liter Volumen im Heck.

Was kostet(e) der Spaß?

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Wie beschrieben ist der Cupra Leon 2.0 TSI mit 245 PS aktuell nicht als Neuwagen bestellbar. Der letzte Listenpreis des Spanien-GTI lag bei 41.980 Euro. Ein fairer Tarif – aber auch nur überschaubare 1.820 Euro unter der Variante mit 300 PS (43.800 Euro).

Der Testwagen bringt neben der Lackierung in „Nevada Weiß“ und adaptiven Matrix-LED-Scheinwerfern viele weitere Extras mit, darunter das Beats-Soundsystem, Parklenkassistent, ein Fahrassistenzpaket, elektrisch verstellbaren Fahrersitz mit Memory-Funktion und ein Panorama-Glasschiebedach. Zusammen mit „Cupra Seitenschwellern“ (für 520 Euro eher verzichtbar), Lenkrad mit Cupra-Taste für die Fahrmoduswahl und weiteren Optionen kletterte der Listenpreis auf 51.280 Euro.

Fazit

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Fern. Schnell. Gut. Das einstige Fernfahrer-Motto passt gut zum potenten Leon. Der 245 PS starke Cupra macht auf leeren Landstraßen Spaß, bietet, trotz der straffen Grundnote, ausreichenden Komfort auf der Autobahn-Langstrecke und fühlt sich mit seinem Format auch im urbanen Raum nicht deplatziert. Der Benzinverbrauch bleibt mit 8,3 Litern je 100 Kilometer über die Distanz des Langzeit-Tests im Rahmen.

Defizite bei Hard- und Software im Infotainment-Bereich dürfte das zwischenzeitliche Facelift der Baureihe ausgemerzt haben. Ob wir mit dieser Vermutung richtig liegen, wird selbstverständlich baldmöglichst getestet.

Technische Daten

Cupra Leon 2.0 TSI

Antriebsart Benziner
Antrieb Frontantrieb
Abgasnorm Euro 6 AP
Hubraum 1.984 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 4 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 180 kW / 245 PS
Max. Drehmoment 370 Nm bei 1.600 - 4.300 U/min
Getriebe Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe
Tankinhalt 50 Liter
Beschleuningung 0-100 km/h 6,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Norm-Verbrauch auf 100km 7,1 - 7,2 Liter
Verbrauch real auf 100km 8,3 Liter
Kofferraumvolumen 380 Liter
Reifenmarke und –format des Testwagens Pirelli Sottozero 3 Winter 235/35 R19 + Hankook Ventus S1 Evo3 235/35 R19
Leergewicht 1.485 kg
Länge / Breite / Höhe 4.398 / 1.799 / 1.442 mm
Grundpreis 41.980 Euro (Stand November 2023)
Testwagenpreis 51.280 Euro
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Text: Bernd Conrad
Bilder: M. Gill, A. Hof, B. Conrad