Ein Auto, das vor vor allem praktisch sein will: Der Fiat Tipo Kombi im Test.
Die Marke Fiat hat ihre bewegten Zeiten noch nicht mal hinter sich, sie steckt mittendrin. Im FCA-Konzerngeflecht wurde sie in den letzten Jahren scheinbar ausgeblutet, außer dem seit zehn Jahren erfolgreichen Glücksgriff 500 und dem dort angedockten kleinen SUV 500X ist es ruhig um den einstigen Vollsortimenter. Der Kleinwagen Fiat Punto läuft nach 12 Jahren demnächst ersatzlos aus, der Panda hält sich im italienischen Heimatmarkt wackerer als bei uns.
Diese Einordnung ist nötig, um den Fiat Tipo vorzustellen. Denn die Kompaktwagenfamilie, bestehend aus fünftürigem Hachback, Limousine und dem getesteten Kombi, trägt den alten Namen nicht auf, sondern soll an hoffungsvollere Zeiten erinnern. 1988 kam der erste Tipo als Nachfolger des Fiat Ritmo auf den Markt. Mit modernem Design, verzinkten Blechen und optionalen Digitalinstrumenten. Danach wirkten die kompakten Fiat erst inspirationslos (Brava/Bravo/Marea), dann zu gewollt gründlich-deutsch (Stilo) und zuletzt halbgar (Bravo).
Der aktuelle Fiat Tipo, der 2016 auf den Markt kam, versucht sich weder an Extravaganzen noch eifert er Mitbewerbern nach. Er macht viel mehr das, was Fiat früher so gut konnte: Er möchte viel Auto für relativ wenig Geld bieten. Für die Entwicklung und Produktion hat sich Fiat mit dem türkischen Partner Tofas zusammengetan. Dort spielt vor allem der Tipo Stufenheck eine wichtige Rolle, bei uns sind es natürlich mehr die Varianten mit steiler Klappe.
Zum AUTONOTIZEN-Alltagstest ist der Fiat Tipo Kombi angetreten. Mit 4,57 Metern Länge und 550 Litern Kofferraumvolumen verkörpert er einen ausgewachsenen Kompakt-Lademeister, der ganz nebenbei wunderbar auf dem Teppich bleibt. Denn während um ihn herum alle Mitbewerber so gerne doch irgendwie Premium wären, will der Tipo ein unaufgeregtes Auto für alle Lebenslagen bleiben.
Das zeigt er im Innenraum leider zu deutlich. Nachdem sich das Auge am gepflegten Äußeren mit der geschickt eingesetzten Prise Chrom, dem freundlichen Gesicht und dem schlanken Kombiheck sattgesehen hat, erschrickt es beim ersten Anblick des Innenraums ein wenig.
Haptischen Hochgenuss erwartet beim fair eingepreisten Fiat Tipo niemand, aber das ungelenk genarbte Hartplastik an den Türverkleidungen und dem Armaturenbrett ist schon hart an der Grenze.
Wenn einen der Fiat Tipo Kombi in Richtung der nächsten Landesgrenze kutschiert, ist der erste Fummelschreck aber schnell vergessen – wenn nicht gar verziehen. Der nach dem Kaltstart und bei niedrigen Geschwindigkeiten knurrige 1,6 Liter Diesel mit 120 PS erweist sich auf der Langstrecke als überraschend ruhiger und durchzugskräftiger Geselle. Die 320 Nm maximales Drehmoment haben mit den knapp 1,4 Tonnen schweren Kombi leichtes Spiel und sorgen für hohe Reiseschnitte.
Der Fahrersitz sorgt dabei für ausreichenden Komfort, nur die rutschige Lederausstattung stört auf Dauer – und lässt ganz einfach die Empfehlung zu, diese Option nicht mit anzukreuzen. Beruhigt kann auch sein, wer sich die 1.800 Euro Aufpreis für das Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe sparen will. Das im Testwagen verbaute manuelle Getriebe harmoniert gut mit dem Motor, die langen Schaltwege passen zum unaufgeregten Charakter des Tipo Kombi. Nur beim Abstand zwischen den Schaltgassen ist er recht kleinlich, wer sich nicht konzentriert, landet nach dem fünften schon mal zurück im vierten Gang statt im sechsten.
Dort bleibt der Schalthebel die meiste Zeit, denn bei sämtlichen Geschwindigkeiten ab dem Ortsausgang hat der Diesel genügend Power von unten heraus. Bis knapp über 200 laut Tacho lässt er sich treiben.
Das Infotainment im Tipo entspricht dem aktuellen Fiat-Standard und genügt damit normalen Bedürfnissen. Die TomTom-Navigation führt mit Echtzeitdaten um Staus herum und mit der Zeit gewöhnst Du Dich als Fahrer an die kleinteilige Anzeigengrafik auf dem zentralen Display genauso wie an den satten Klang aus dem serienmäßigen Lautsprechersystem.
Der mit diversen Ausstattungspaketen gespickte Test-Tipo bietet sogar eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage, die ohne hektische Bremsmanöver den Abstand zum Vordermann hält. Auch eine Rückfahrkamera ist an Bord. Das deren Bild eher an Röhrenfernseher aus den späten 1990er Jahren erinnert, macht objektiv nachgedacht nichts – denn sie erfüllt ihren Zweck.
Die nur einstufige Sitzheizung, die zudem beim nächsten Motorstart wieder losbollert und die schlecht erreichbaren Isofix-Verankerungen an der Rücksitzbank wirken ebenso wie Relikte vorheriger Autogenerationen. Auch die Nichtverfügbarkeit von Xenon- oder LED-Scheinwerfern ist dieser Tage eigentümlich.
Nach einigen Tagen auf Tour im komfortabel gefederten Fiat Tipo Kombi rückt dieser Verzicht aber mehr und mehr in den Hintergrund. Die praktische Seite des Autos drängt sich ins Rampenlicht: Der harte Kunststoff lässt sich nach dem Kontakt mit schmutzigen Kinderschuhen und -händen prima reinigen, der stabile doppelte Kofferraumboden lässt sich in hochgeklappter Stellung stabil arretieren und mit gemessenen 6,0 Litern Durchschnittsverbrauch schont der Fiat Tipo 1.6 MultiJet auch die Haushaltskasse.
Das schafft er auch beim Kaufpreis: Den Fiat Tipo Kombi mit dem stärksten Diesel der Palette gibt es ab 20.650 Euro (Version Easy), der Testwagen mit allen Optionen der kurzen Aufpreisliste kommt auf 25.720 Euro. Weder für Geld noch für gute Worte gibt es jedoch einen SCR-Katalysator mit AdBlue-Tank.
Das Video und die technischen Daten zum Fiat Tipo Kombi 1.6 MultiJet findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Fiat Tipo Kombi 1.6 MultiJet Lounge |
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Hubraum | 1.598 cm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 88 kW / 120 PS bei 3.750 U/min |
Max. Drehmoment | 320 Nm bei 1.750 U/min |
Getriebe | 6-Gang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 10,1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 3,7 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 6,0 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental Eco Contact 225/45 R17 |
Leergewicht | 1.395 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.571 / 1.752 / 1.512 mm |
Grundpreis | 21.650 Euro |
Testwagenpreis | 25.720 Euro |