Erste Fahrt im neuen Ford Focus. Was kann das neue Modell?
Wird ein neues Kompaktmodell vorgestellt, fallen oft Sätze wie „neuer Angriff auf den Golf“. Einer solchen Rhetorik hat sich der Ford Focus längst entledigt. In Deutschland ist er durchaus erfolgreich, europa- und weltweit aber mehr als das. Die Baureihe zählt zu den meistverkauften Autos des Planeten. Wenn im September 2018 die vierte Generation des Ford Focus zu den Händlern rollt, muss der Aufschlag also sitzen. Passend zur sportlich beplankten ST-Line, mit der ein neuer Focus als Testwagen für die erste Fahrt zur Verfügung stand, jetzt der Spoiler-Alarm: Das wird gelingen.
Schon bei der Vorstellung im April 2018 konnte der neue Ford Focus mit einem geschickt weiterentwickelten Design punkten. Er setzt nicht nur den Charakter des Vorgängers zeitgemäß in Szene, sondern zeigt sich auch als großer Bruder des ebenfalls noch frischen Ford Fiesta. Mit den ausgestellten Backen in Höhe der Radhäuser und den breiten, jetzt geteilten, Rückleuchten betont der Focus vor allem die Breite. Obwohl auf dem Niveau des Vorgängers (1,83 Meter) wirkt er deutlich aufgeplustert. Nebeneffekt: Für eine anständige Optik muss der Kunde in optionale Rad-/Reifen-Kombinationen investieren, was die Kaufleute in Köln gewiss nicht ärgert.
Als Focus ST-Line auf 215 Millimeter breiten 17-Zöllern an, der Testwagen mit optional erhältlichen 18ern. Oftmals warnen Freunde des Fahrkomforts ja vor größeren Rädern. Diese Vorsicht ist beim neuen kompakten Ford, der wieder in Saarlouis gebaut wird, unangebracht. Erneut schaffen es die Ingenieure, ein straffes und dynamisches, aber dennoch schluckfreudiges Fahrwerk unter einen Fors zu schnallen. Auch Abrollgeräusche dringen nicht aus den Radhäusern an die Ohren von Fahrer und Passagieren.
Der Geräuschkomfort schien eh ein großes Kapitel im Lastenheft des neuen Focus gewesen zu sein. Der zurecht vielfach gelobte Einliter-Dreizylinder, der im Testwagen in der 92 kW / 125 PS starken Ausbaustufe mit manuellem Sechsganggetriebe verbaut war, erledigt seine Arbeit im Stillen. Auch wenn der Focus im Teillastbetrieb per mechanischem Eingriff einen der drei Töpfe stilllegt, ändert sich das nicht. Kein bauartbedingtes Rasseln, kein lautes Aufmupfen bei höheren Drehzahlen – hier können sich ebenfalls dreitöpfige Mitbewerber durchaus eine Scheibe abschneiden.
Das Getriebe sortiert die sechs Vorwärtsgänge präzise und mit kurzen Wegen ein, einzig der Rückwärtsgang liegt sehr weit hinten links, gefühlt auf der Rücksitzbank. Geht es aber in Richtung Nase, lässt der kleine Motor im normalen Fahralltag kaum Wünsche übrig. Für 170 Newtonmeter maximales Drehmoment ist der Durchzug ordentlich, wenn man nicht gerade mit 80 km/h im sechsten Gang aufs Gas drückt. Am Ende einer Ortsdurchfahrt ist der Focus 1.0 EcoBoost aber keineswegs ein Verkehrshindernis. Auch auf der Autobahn schwimmt er mehr als gut mit. Bis Tempo 160 ist der Vortrieb durchaus motiviert, erst danach geht dem kleinen Dreizylinder merkbar die Kondition flöten.
Was uns an ein Musikinstrument denken lässt und wieder zum Thema Geräusch überleitet. Das maximal 550 Euro (mit DAB) teure Soundsystem von B&O mit 675 Watt Ausgangsleistung, zehn Lautsprechern und Subwoofer unter dem dann nicht mehr verstellbaren Kofferraumboden sorgt für einen guten, ausgewogenen Klang auch vom Smartphone. Das lässt sich entweder über Bluetooth – mit gelungener Sprachassistenz des Sync-Systems, oder via Android Auto und Apple CarPlay mit dem Focus verbinden. Dann ist aber leider der Zugriff zum Navigationssystem des Autos verwehrt. Schade, denn Routenführung und Kartendarstellung gefallen ebenso wie der schön weit oben platzierte Monitor.
Auch die Hardware außen herum gefällt. Tasten für die direkte Anwahl der Klangeinstellung und Skippen von Musikstücken oder Radiosendern zeigen, dass das komplett knopflose Cockpit nicht wirklich ein erstrebenswertes Ziel ist. Die darum verbauten Kunststoffe sehen hübsch aus und sind an der oberen Hälfte der Armaturentafel und in den vorderen Türen weich unterschäumt. Hier war Wolfsburg ein Vorbild, auch im Ford tragen die Fondtüren nämlich härteres Plastik.
Während man vorne auf großen Sitzen, die in der ST-Line durchaus mehr Seitenhalt vertragen dürften, gemütlich lümmeln kann, wird es in der zweiten Reihe knapp. Große Mitfahrer haben wenig Kniefreiheit, bei der Wahl des aufpreispflichtigen Panoramadachs findet der Kopf zudem keinen Platz. Lieber die Luke weglassen.
Noch weiter hinten zeigt sich der Focus wieder geizig. 341 Kofferraumvolumen stellt der Fünftürer bereit. Das ist wenig für die Klasse, selbst die Kleinwagen VW Polo (351 Liter) und Seat Ibiza (355 Liter) bieten mehr. Wer als oft und gerne lädt, sollte zum kurz nach dem Fünftürer startenden Ford Focus Turnier (Kombi) greifen.
Egal, welche Karosserie der Focus trägt, eines ist gewiss: Mit der vierten Generation ist Ford ein Auto gelungen, dass viele alte und neue Kunden erobern wird. Da wirken die schon zum Marktstart auf der Hersteller-Website ausgelobten Preisnachlässe fast schon zu wenig selbstsicher.
Die technischen Daten findet Ihr unter der Bildergalerie.
Technische Daten
Ford Focus 1.0 EcoBoost ST-Line |
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Hubraum | 998 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 3 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 92 kW / 125 PS bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 170 Nm bei 1.400 - 4.500 U/min |
Getriebe | Sechsgang-Schaltgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 10,0 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 5,8 Liter (nach NEFZ) |
Verbrauch real auf 100km | 8,2 Liter (laut Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 2 235/40 ZR18 |
Leergewicht | 1.322 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.387 / 1.825 / 1.452 mm |
Grundpreis | 25.200 Euro |