Fast and Furious zwischen Flensburg und Füssen: Der Honda Civic Type R im Alltagstest mit Video-Review.
Im ansonsten durchgängig elektrifizierten Honda-Programm für den europäischen Markt, das aus Hybriden mit und ohne Stecker sowie einem Elektroauto besteht, blieb ein reiner Verbrenner übrig. Und was für einer: Der Honda Civic Type R bildet auch weiterhin emotionale Speerspitze. Wie lange noch? Beim Facelift der Baureihe, in den USA bereits vorgestellt, ist vom leistungsstarken Topmodell noch nichts zu sehen. Bevor es zu spät ist, muss der Civic Type R also dringend nochmal zum Test anrollen.
Kann der Type R Alltag?
Diese Wiederholungstat dient natürlich der Erkenntnisgewinnung. Zum Marktstart konnten wir den Very-Hot-Hatch einen Tag auf Landstraßen und auf der Rennstrecke fordern. Aber wie schlägt er sich im Alltag? Egal, ob vor der Garage, an einer roten Ampel oder auf dem Parkplatz eines Supermarkts: Der Civic Type R trägt optisch dick auf. Die dreiflutige Abgasanlage und der große Heckflügel fallen sofort ins Auge. Es lohnt sich aber, näher hinzusehen. Die 265 Millimeter breiten Reifen stecken in verbreiterten Radhäusern mit präzisen Bügelfalten im Blech, Schürzen und Seitenschweller machen Aerodynamik optisch erlebbar.
Der Test im Video
Das üppige Format der Theke auf der Kunststoff-Heckklappe bringt nicht nur bis zu 58 Kilogramm zusätzlichen Anpressdruck bei Tempo 200, sondern auch eine uneingeschränkte Rundumsicht. Beim Blick durch den Innenspiegel steht der Spoiler nicht im Weg. Ein erster Hinweis auf dem unkomplizierten Umgang mit dem Civic Type R im Alltag.
Die Sportsitze bieten tollen Seitenhalt, trotzdem kommt man über ihre Wangen gut in das Auto hinein und wieder heraus. Wie im Civic Hybrid gefällt das logisch aufgebaute Cockpit mit einer intuitiven Bedienstruktur über viele Tasten und Knöpfe. Die Materialqualität ist auf gutem Niveau, fällt im Vergleich zu vielen Mitbewerbern wie dem Cupra Leon jedoch ab. Das Infotainment-Display und die digitalen Instrumente hinter dem Lenkrad zeigen auf Wunsch vielfältige Fahrzeuginformationen bis hin zum Ladedruck des Turboladers und der Öltemperatur an, außerdem kann man Rundenzeiten stoppen und vergleichen. Der Schaltknauf des manuellen Sechsganggetriebes aus Aluminium schmeichelt er rechten Fahrer-Hand. Die zweifarbige Inneneinrichtung ist nach wie vor gewöhnungsbedürftig. Teppiche und Vordersitze tragen knallig-rotes Mikrofasermaterial, die Rücksitzbank schwarz.
Dreh mich, Baby

Auf Knopfdruck erwacht der zwei Liter große Vierzylinder-Turbo zum Leben. Der Benziner bringt es auf eine Leistung von 242 kW / 329 PS und ein üppiges Drehmoment von 420 Newtonmetern, das zwischen 2.200 und 4.000 U/min anliegt. Also Turbo-Wumms von unten heraus? Nein!
Sobald er ordentlich warmgefahren wurde, verlangt der Honda-Motor nach Drehzahlen. Dann entfaltet der Civic Type R sein Wesen. Der Klang bleibt dabei dezent genug, um weder Fahrer noch Umgebung zu nerven. Feingeister lauschen dem Turbo-Zischen und der Drehzahl. Mit ihr steigt die Freude des Civic an der Beschleunigung, die ultrakurzen Schaltwege machen den Wechsel der Übersetzung zum Kinderspiel. Erst bei 7.000 U/min beginnt der rote Bereich es Drehzahlmessers. Wie im Rennwagen mahnt spätestens jetzt nicht nur ein Ton, sondern auch die LED-Warnlampenleiste in Gelb und Rot zum Hochschalten. Fußtritt, Klick – und der nächste Gang ist drin. Im Type R musst Du stets den Tacho im Blick haben, man ist schnell zu schnell. Auch ohne Klappen-Gebrabbel in der Abgasanlage. Die reinen Daten sprechen für sich: In 5,4 Sekunden geht es aus dem Stand auf 100 km/h, der Vortrieb endet erst bei 275 km/h.
Die präzise Lenkung macht jede Landstraßenkurve zum Erlebnis, das straffe Fahrwerk bietet lieber Rückmeldung von der Asphaltoberfläche als Langstreckenkomfort. Die mechanische Torsen-Quersperre unterstützt die Fahrkünste von Pilot und Auto, zumindest bei trockenem Wetter liegt der Civic Type R wie das oft zitierte Brett auf der Straße. Es gehört schon Übermut dazu, ein Untersteuern zu erzwingen. Mit gekonnter Interaktion zwischen Händen am Lenkrad und Fuß am Gaspedal schiebst du den Japaner und sein mitlenkendes Hinterteil sanft um den Scheitelpunkt der Kurve. Suchtpotenzial? Sehr hoch!
Auf der Autobahn ist der Civic Type R nicht zuhause. Über 200 km/h nehmen die Windgeräusche um Außenspiegel und A-Säulen massiv zu, die Leichtbau-Motorhaube bewegt sich im Fahrtwind (selbstredend bei stets sicherer Verankerung). Trotzdem ist es kein Problem, mit dem Type R auf eigener Achse zum Track Day auch auf einer weiter entfernten Rennstrecke anzureisen.
Verbrauch und Kosten

Ab und zu muss man dabei zum Boxenstopp halten, um den 47 Liter großen Tank aufzufüllen. Der Testverbrauch im Alltag liegt bei 10,3 Litern je 100 Kilometer, auf schnellen Autobahnetappen steigt er deutlich an. Am besten schmeckt dem Civic Type R Flüssignahrung mit 98 Oktan (Super Plus). Außerdem schadet es nicht, sich mit dem Nachfüllen von Motoröl anzufreunden. Das macht aber auch der Honda-Händler regelmäßig – das Wechselintervall ist mit sechs Monaten oder 10.000 Kilometern arg kurzgehalten.
Nicht nur die Unterhaltskosten für Service und Versicherung sind hoch, auch beim Kauf ist der Honda Civic Type R kein Schnäppchen. 58.900 Euro kostet der Japan-Racer. Aus Sicht des Autors muss er unbedingt in „Championship White“ lackiert daherkommen, macht 1.100 Euro zusätzlich. Extras gibt es ab Werk sonst keine. Schade: Auch optional wird kein BOSE-Soundsystem wie im Civic Hybrid angeboten. Der dürre Klang aus dem Serien-Boxen ist dem Type R nicht würdig.
Teuer ist der heiße Honda also. Ein VW Golf GTI Clubsport mit 300 PS kommt, annähernd gleich ausgestattet, auf einen Listenpreis von 52.440 Euro, ein Cupra Leon VZ Extreme mit ebenfalls 300 Pferdchen und Frontantrieb ist für 56.155 Euro zu haben. Auch keine schlechten Autos, aber mal ganz ehrlich: Im Vergleich zum Civic Type R, der zudem mit einem üppigen Platzangebot in beiden Reihen und seinem großen Kofferraum punkten kann, sind sie doch eher seelenlose Geister-Kompakte.
Fazit

Wer den Honda Civic Type R auf einer Rennstrecke ans Limit (meist das eigene, weniger das des Autos) bringen konnte, der weiß: Im Alltag ist der sportliche Japaner zu jederzeit massiv unterfordert. Aber auch kleinste Alltagsfluchten mit dem präzisen Sportler reichen, um dir den Tag zu versüßen. Trotzdem gibt sich der Type R lammfromm und stresst bei der Fahrt zur Arbeit oder anderen Pflichtübungen nicht mit vorlauter Abgasanlage oder bissiger Abstimmung. Der Hot Hatch hat also zwei Gesichter. Dem Glück auf vier Rädern stehen aber nicht nur der hohe Anschaffungspreis, sondern auch die Wartungsintensität und hohe Unterhaltskosten im Weg. Irgendwas ist immer…
Technische Daten
Honda Civic Type R
- Antriebsart
- Benziner
- Antrieb
- Frontantrieb
- Abgasnorm
- Euro 6e
- Hubraum
- 1.996 ccm
- Anzahl und Bauform Zylinder
- 4 in Reihe
- Maximale Leistung kW / PS
- 242 kW / 329 PS bei 6.500 U/min
- Max. Drehmoment
- 420 Nm bei 2.600 - 4.000 U/min
- Getriebe
- Sechsgang-Schaltgetriebe
- Tankinhalt
- 47 Liter
- Beschleunigung 0-100 km/h
- 5,4 Sekunden
- Höchstgeschwindigkeit
- 275 km/h
- Norm-Verbrauch auf 100km
- 8,2 Liter
- Verbrauch real auf 100km
- 10,4 Liter
- Kofferraumvolumen
- 410 - 1.212 Liter
- Reifenmarke und –format des Testwagens
- Michelin Pilot Sport 4S 265/30 R19
- Leergewicht
- 1.480 kg
- Länge / Breite / Höhe
- 4.594 / 1.890 / 1.401 mm
- Grundpreis
- 58.900 Euro
- Testwagenpreis
- 60.000 Euro