Der elektrische Honda e:Ny1 im ersten Fahrbericht mit Video-Review.
So richtig kompliziert ist eigentlich nur der Name des neuen Elektro-SUV von Honda, der ganze Rest des Autos zeigt sich selbsterklärend. Dazu gleich mehr. Beginnen wir mit dem kleinen silbernen Typschild an der Heckklappe: „e:Ny1“ steht dort.
Der Elektro-Honda im Video
Nach CR-V, HR-V und zuletzt ZR-V ein neues Kürzel. Dessen Bedeutung erschließt ich, so die Honda-Strategen, folgendermaßen: „Exciting, New, You, One“. Also mal aufgedröselt: Ein mitreißendes oder spannendes Auto (e), das neu ist (N) und für dich als Kunden (y) konzipiert wurde und das erste seiner Art (1) ist.“ Wichtiger als dieses Nerd-Wissen ist die Information, dass der japanische Hersteller mit dem e:Ny1 die eigene Elektrifizierungsstrategie beschleunigen und in den kommenden Jahren eine ganze Palette an neuen Elektroautos vorstellen will.
Auf der Straße sorgt der Honda e:Ny1 nicht für verdrehte Köpfe, offene Münder und staunende Gesichter. Selbst einigermaßen autointeressierte Passanten dürften das vorbeifahrende SUV im Gehirn als Honda HR-V abspeichern. Auch der leise Antrieb ist nicht ungewöhnlich – der Japaner fährt wohl gerne im EV-Modus seines Hybridantriebs vorbei.
Evolution im Design
Tatsächlich hat der Honda e:Ny1 mit dem HR-V zwar die Optik und damit einen Großteil der Karosseriebleche gemeinsam, soll darunter aber eine Neuentwicklung sein. Erstmals setzt der Hersteller eine neue E-Auto-Plattform ein, in dieser Ausprägung für Fahrzeuge mit Frontantrieb.
4,39 Meter misst die Karosserie des Neulings, der damit um fünf Zentimeter länger ausfällt als der HR-V. Der Zuwachs geht auf das Konto der neuen Schürzen an Front und Heck. Vorne steckt der Ladeanschluss mittig in der geschlossenen Frontmaske, die auf Tastendruck (außen oder im Cockpit) nach oben schwenkt.
Wechselstrom fließt über drei Phasen mit bis zu 11 kW in den Akku, am Schnelllader soll sich die Ladeleistung bei 78 kWh begrenzen. Dieser Wert, sagt Honda, soll aber über einen langen Zeitraum anliegen. Der Ladezustand ist so in 45 Minuten von 10 auf 80 Prozent zu steigern. Strom für 100 Kilometer Strecke sind in elf Minuten Standzeit gebunkert. Das probieren wir in einem späteren Test aus.
68,8 kWh fasst der im Fahrzeugboden untergebrachte Lithium-Ionen-Akku, von denen 61,9 kWh netto nutzbar sind. Bestromt wird damit eine permanenterregte Synchronmaschine mit bis zu 150 kW (204 PS), angetrieben werden die Vorderräder. Der größte Motorenbauer der Welt (wenn man Motorräder, Boote und Gartengeräte mitzählt), bezieht den E-Antrieb vom Zulieferer Vitesco Technologies, einer ehemaligen Continental-Tochter.
Flott, aber nicht stürmisch
Nach dem Druck auf den Startknopf und Druck auf die „D“-Taste fährt der e:Ny1 los. Auch bei schwerem Fuß auf dem Fahrpedal bleibt der Tritt in den Rücken aus. Die bis zu 310 Newtonmeter Drehmoment werden, ganz bewusst, mit minimaler Verzögerung befreit. Wer mit Reisekrankheit zu kämpfen hat, dürfte den Ingenieuren dafür dankbar sein, das Anfahrverhalten des Elektroautos wirkt damit weniger ungestüm.
Flotter als der HR-V mit Hybridantrieb ist der e:Ny1 als Elektroauto unterwegs, lädt aber dennoch zum Mitschwimmen im Verkehr ein. Das bedeutet am Tag der Testfahrten, die in der norwegischen Hauptstadt Oslo starten: Auf der Autobahn sind maximal 110 Sachen drin, auf Landstraßen durch endlose Nadelwälder zwischen 60 und 80 km/h.
Das Fahrwerk nimmt es mit Bodenwellen und Querfugen locker auf, komfortabel gleiten die Insassen dahin. Auch die üppig gepolsterten Sitze tragen zum flauschigen Gesamteindruck bei. Deren Lehnen sollen den Rücken sanft umschließen. Bei großen oder breiteren Menschen wirken die Lehnen vorne aber etwas schmal.
Honda-Fahrgefühl ohne Motorgeräusch
Vor allem in Kurven bereitet die Lenkung des Honda e:Ny1 Freude. Mit spürbarem Widerstand vermittelt sie eine Direktheit, ohne dass man zu viel Kraft am Lenkrad aufwenden muss. Das Fahrgefühl vom Elektro-Honda hat somit einen Reiz, der dem der Hybrid-Modelle entspricht. Das Auto wirkt sportlich und dynamisch, ohne dass es zur Kurvenhatz auffordert. Eine gute Mischung. Interessant: Im Gegensatz zu anderen E-Autos arbeitet der Antrieb im Honda e:Ny1 nicht lautlos, man hört die Maschine leise. Ein bewusst gelenktes Geräusch, um dem Fahrer mehr Rückmeldung vom Auto zu geben?
Auf der Autobahn lassen sich per Tastendruck am Lenkrad die adaptive Geschwindigkeitsregelanlage und der aktive Spurhalteassistent mit Lenkeingriff aktivieren. Das System regelt sanft, bremst beim Annähern an ein langsamer fahrendes Fahrzeug nicht ruckartig ab. Das wachsame Auge der Verkehrszeichenerkennung quittiert zu schnelles Fahren mit einem Warnton, der dezenter ausfällt als in aktuellen Hyundai-Modellen wie dem neuen Kona oder dem Ioniq 6.
Laut Bordcomputer genehmigt sich der e:Ny1 im streng tempolimitierten (und überwachten) Norwegen rund 16,5 kWh Strom auf 100 Kilometer. Das liegt, bei Außentemperaturen um 20 Grad, sogar unter dem WLTP-Normwert von 18,2 Kilowattstunden. Die Normreichweite von 412 Kilometern lässt sich laut Anzeigen im digitalen Kombiinstrument aber dennoch nicht realisieren, es dürften rund 370 Kilometer werden.
Logische Bedienung im Cockpit
Die fahrrelevanten Informationen versammeln sich auf einem Display hinter dem Lenkrad, dessen Schaltwippen die Steuerung der Energie-Rekuperation erlauben. Die Mittelkonsole wird von einem hochkant angeordneten 15,1-Zoll-Touchscreen dominiert. Dessen Anzeige ist dreigeteilt. Das obere Drittel ist für Navigation und die Smartphone-Integration (Apple CarPlay, Android Auto) reserviert, das untere Drittel für die Steuerung der Klimaautomatik und Sitzheizung.
Das Feld dazwischen entspricht der bekannten Bedienstruktur aktueller Hybrid-Hondas, hier kann man u.a. auch die Energieflussanzeige aufrufen. Mit dieser Anordnung ist der große Bildschirm gut genutzt. Fahrer und Beifahrer müssen weniger lange durch Menüs drücken, zudem bleibt die Navigationskarte immer im Blickfeld.
Vom HR-V übernimmt der Honda e:Ny1 die Lüftungssteuerung mit hochwertigen Drehreglern an den beiden Enden des Armaturenbretts, die auch eine diffuse Luftverteilung erlauben. Zugempfindliche Menschen dürften diese Einstellung bevorzugt benutzen.
Das kostet der Elektro-Honda
Honda bietet sein neues Elektro-SUV für 47.590 Euro an. Damit liegt der Netto-Listenpreis knapp unter der für die aktuelle Förderung von E-Autos wichtigen 40.000-Euro-Marke. Auch Mitbewerber wie der Kia Niro EV in der Ausstattungslinie Inspiration hat diesen „marktgemachten“ Preis, ebenso der SsangYong Korando e-Motion Platinum.
Zur Serienausstattung des Honda gehören Navigationssystem, Rückfahrkamera, Sitzheizung für Fahrer und Beifahrer sowie ein elektrisch einstellbarer Fahrersitz. Leider ist der manuell justierbare Sessel für den Ko-Piloten nicht in der Höhe verstellbar.
Für 3.900 Euro Aufpreis gibt es ein optionales Advance-Paket. Hier sind ein feststehendes Panorama-Glasdach, Parklenkassistent, 360-Grad-Rundumsichtkameras, ein dunkler Dachhimmel, elektrische Heckklappe und Lenkradheizung enthalten. Einzelne Extras gibt es, bis auf Farben, nicht. Schwarz ist gratis, drei weitere Töne kosten je 790 Euro. Das „Aqua Topaz Metallic“ des Testwagens ist mit 1.090 Euro extra zu entlöhnen.
Fazit
Der kleine Honda e war für viele Kunden zu klein, die Reichweite zu gering. Mit dem zweiten Elektroauto namens e:Ny1 geht die Marke auf Nummer sicher und stellt sich im populären Segment der kompakten SUV auf.
Platzangebot und Bedienkonzept können, bis auf die flache Rücksitzbank, überzeugen. Der Elektroantrieb bietet durchschnittliche Leistungswerte, was in den Alltag der Kunden passt. Ein wirklich günstiges Angebot ist der Honda e:Ny1 mit Preisen ab 47.590 Euro leider nicht.
Technische Daten
Honda e:Ny1 |
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Antrieb | Frontantrieb |
Getriebe | Eingang-Reduktionsgetriebe |
Elektromotor: Maximale Leistung kW | 150 kW (204 PS) |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 310 Nm |
Batterie | 68,8 kWh Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,6 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 160 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 18,2 kWh, Reichweite 412 km |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 16,5 kWh (lt. Bordcomputer) |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Continental Ultra Contact UC6 225/50 R18 |
Leergewicht | 1.730 kg |
Länge / Breite / Höhe | 4.387 / 2.028 / 1.584 mm |
Grundpreis | 47.590 Euro |
Testwagenpreis | 48.680 Euro |