Der elektrische Kia e-Soul im Alltagstest. Über ein gutes Elektroauto und ein Drama an der Ladesäule.
Man darf oft lesen, wie sich Menschen selbst auf die Schulter klopfen. Irgendwas richtig gemacht. Deswegen jetzt hier mal: „Klatsch!“ Die Ohrfeige auf die eigene Wange. Warum? Das ist die Geschichte:
Das Ladedrama mit e.ON und Plugsurfing
Mit dem Kia e-Soul vor dem Haus und der Plugsurfing-Ladekarte (ein Roaminganbieter) in der Brieftasche wird gar nicht lange überlegt. Im Ort steht eine Ladesäule, aufgestellt und betrieben von e.ON. Da wird der Kia morgens angestöpselt. Nach zwei Stunden mal ein Kontrollblick. Da lädt nichts mehr. Ob das Auto oder die Säule keine Lust mehr hatten, ist nicht nachvollziehbar. Also wird erneut gestartet.
Nach vier Stunden die naive Erkenntnis – wer vorher prüft, ist klar im Vorteil. Selbst an der 22 kW-Ladesäule lädt der Kia e-Soul (und auch sein Bruder e-Niro) nur einphasig mit einer Leistung von 7,4 kW. In den vier Stunden sind, mit der Pause, also Elektronen für knapp 100 Kilometer Fahrstrecke laut Anzeige im Bordcomputer ins Auto gewandert. E.ON verlangt pro Sitzung an der Säule 7,95 Euro. Plugsurfing macht daraus mal eben 16,36 Euro. Durch den Abbruch und Neustart waren zwei Sitzungen im Protokoll und Plugsurfing schickte eine Rechnung über 32,72 Euro. Für 19 kWh Strom. Was die Apotheker einer gewissen Bertha Benz wohl damals für Benzin in Fläschchen abgeknöpft haben? Egal, der menschliche Faktor hat im Hier und Jetzt für ein Störfeuer gesorgt.
Dritte Kia-Soul-Generation
Kommen wir vom Hosenherunterlassen über die eigene Naivität nun zum Auto an sich. In dritter Modellgeneration polarisiert der Kia Soul noch immer mit seinem klaren Bekenntnis zur Kistenform. LED-Technologie macht dabei schmale Scheinwerfer möglich, was dem Soul ein futuristisches Gesicht zaubert. Aber noch immer gilt: Man mag ihn, oder man mag ihn nicht.
In Europa fährt der Kia e-Soul seit Frühsommer 2019 nur noch als Elektroauto zu den Händlern und Kunden. Wie sein etwas größerer Bruder Kia e-Niro kommt er mit zwei verschiedenen Batteriegrößen mit 39,2 und 64 kWh Speicherkapazität. Der kleinere Akku ist an einen 100 kW (136 PS) Elektromotor gekoppelt. Der Testwagen fuhr mit maximal 150 kW (204 PS) Leistung und dem größeren Stromspeicher vor. Die Eckdaten entsprechen also denen des Kia e-Niro. Warum dann überhaupt beide Autos?
Besser verfügbar als der Kia e-Niro
Zumindest ganz leicht kann der Kia e-Soul den Frust vieler Kunden wegen langer Lieferzeiten oder gar stornierter Bestellungen des e-Niro abfedern. Der wurde im Zeitraum Januar bis Oktober 2019 nur 361-mal in Deutschland zugelassen. Dem gegenüber stehen immerhin 1.389 Kia e-Soul in den ersten zehn Monaten. Hintergrund: LG Chem, Zulieferer für die Batteriezellen beim e-Niro, kann wohl höhere Stückzahlen liefern als SK Innovation, der Partner für den e-Niro.
Genug Theorie. Mit vollem Akku (und nachdem sich die rote Wange wieder verzogen hat) wird der Startknopf gedrückt und das Fahrpedal betätigt. Der Kia e-Soul fährt los. Punkt. An den direkt einsetzenden Punch eines Elektroantriebs gewöhnt man sich als einer der glücklichen Menschen, die Autos testen dürfen, Leser langweilt diese Information vielleicht bei jedem Mal. Deswegen wird es jetzt hier nicht erwähnt (ach so, äh… ach, liest eh keiner…).
Gut dosierbar gibt der Kia e-Soul seine Kraft ab, mit den drei einstellbaren Fahrmodi Sport, Normal und Eco lässt sich der Charakter des Autos deutlich ändern. Außerdem kann man noch in „Eco+“ wechseln, dann gibt sich der Kia voll und ganz der Energieeffizienz hin.
Verbrauch? 19 kWh auf 100 km
Meist im Normalmodus gefahren verbrauchte der e-Soul im Testzeitraum gut 19 kWh auf 100 Kilometer bei herbstlichen Temperaturen. Das entspricht einer Reichweite von 336 Kilometern. Weniger, als der Hersteller mit 452 Kilometern verspricht, aber zu 90 Prozent auf Landstraßen oder Ortsdurchfahrten und kürzeren Autobahnetappen erzielt. Wer öfter in der Stadt unterwegs ist, kann den Verbrauch deutlich senken und dürfte mit ein wenig Übung in den Fingern auf Werte unter 15 kWh/100 km kommen.
Übung in den Fingern? Mit den Schaltpaddels am Lenkrad lässt sich die Rekuperationsstufe in drei verschiedenen Stärken einstellen, dazu gibt es eine „Null“-Stellung (z.B. für Landstraße und Autobahn) und eine Automatikfunktion. Die bezieht auch Daten der Frontsensors mit ein. Wird – auch ohne aktivierte Geschwindigkeitsregelanlage – mit leichtem Geschwindigkeitsüberschuss auf vorausfahrenden Verkehr aufgeschlossen, aktiviert das System die Rekuperation und schont somit die Bremsen.
Moderne Connectivity
Das UVO Connect-Infotainmentsystem mit 10,25 Zoll großem Touchscreen, aber der zweiten von drei Ausstattungslinien serienmäßig, passt zum intelligenten Antrieb. Mit eingebauter e-SIM ist der e-Soul immer online, nutzt Echtzeitverkehrsdaten für die Routenplanung und kennt Ladesäulen in der Umgebung. Auch die mittlerweile allbekannte App-Konnektivität zum Start einer Route am Küchentisch und dem Auffinden des Autos sowie zur Steuerung des Lademanagements ist Teil der Software. Der hoch angeordnete Touchscreen gefällt, wie das digitale Kombiinstrument, mit guter Ablesbarkeit und feiner Auflösung. Mit physischen Tasten für das Hauptmenü und griffsympathischen Drehreglern gibt sich der e-Soul keinesfalls einer oftmals fragwürdigen, vollständigen Digitalisierung hin.
Das olle Head-up-Display, dass seine Informationen auf eine kleine Kunststoffscheibe über dem Kombiinstrument spiegelt und deswegen gerne deaktiviert bleibt, und der Glow-Modus der Ambientebeleuchtung mit zur Musik pulsierendem Licht verzeiht man dem Kia e-Soul gerne, weil er sich ansonsten so lammfromm und alltagstauglich gibt.
Das extravagante Design ist also die einzige Hürde, die er bei manchen potenziellen Kunden nehmen muss. Die bekommen dann ein Crossoverauto, das auf 4,20 Metern ein gutes Raumangebot auf zwei Sitzreihen und ein eher bescheidenes Kofferraumvolumen von 315 Litern bietet. Ja, der e-Niro hat mehr Platz für Menschen und Ladung – ist aber halt kaum lieferbar.
Fazit zum Kia e-Soul 64 kWh
Der Kia e-Soul bleibt dem Charakter seiner Vorfahren treu. Die Entscheidung der Produktplaner, ihn bei uns nur noch elektrisch anzubieten, passt gut zum Anspruch des eckigen Querkopfs. Die Antriebstechnik wirkt ausgereift und alltagstauglich. Nur der schwache Onboard-Lader sollte dringend ersetzt werden. Am Schnelllader besorgt sich der e-Soul den Strom übrigens mit 100 kW.
Mit seinem kompakten Format passt der Kia e-Soul in alle Garagen und den Alltag vieler Menschen. Die müssen sich den Einstieg in die Elektromobilität (ab 33.990 Euro, immerhin 1.300 Euro unter dem e-Niro) natürlich leisten wollen. Und Zeit zum Laden haben.
Hier im Vorort haben sie jetzt vier neue öffentliche Ladepunkte installiert, wo der Autor gerade einen Kia e-Niro angeschlossen hat. Die Säulen bieten nur 11 kW Ladeleistung, was egal ist. Denn auch der größere Koreaner kann hier nur einphasig mit 7,4 kWh laden. Immerhin wird nach Strommenge abgerechnet. Mit 29 Cent pro Kilowattstunde auch sehr günstig. Bei Nutzung der Plugsurfing-Karte: 52 Cent pro Kilowattsunde. Zumindest habe ich dieses Mal vorher nachgesehen.
Technische Daten
Kia e-Soul 204 Spirit |
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Elektromotor: Maximale Leistung kW | 150 kW (204 PS) bei 3.800 - 8.000 U/min |
Elektromotor: Maximales Drehmoment | 395 Nm bei 0-3.600 U/min |
Batterie | 64 kWh (brutto) Lithium-Ionen |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,9 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit elektrisch | 167 km/h |
Norm-Verbrauch kWh / 100 km | 15,7 kWh |
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km | 19,1 kWh |
Leergewicht | 1.833 kg |
Anhängelast (gebremst) | n/a |
Länge / Breite / Höhe | 4.195 / 1.800 / 1.605 mm |
Grundpreis | 39.390 Euro |
Testwagenpreis | 40.883 Euro |