Der große Kombi aus Korea im AUTONOTIZEN-Alltagstest
Einmal den Kopf nach oben recken, nach links drehen und dann nach rechts. Das lockert einen starren Nacken ungemein; eine oft gesehene Übung, wenn man mit dem Kia Optima Sportswagon an einer zumeist männlichen Zielgruppe im berufstätigen Alter vorbeifährt. Das Design des speziell für Europa entwickelten Mittelklasse-Kombis kommt also an. Wie kommt man mit dem Auto an sich an, zum Beispiel an seinem Ziel?
Im Sommer 2016 hat Kia dem im gleichen Jahr erneuerten Optima den schicken, im deutschen Designstudio gestalteten, Sportswagen zur Seite gestellt. Während die Limousine mit dem Modellwechsel optisch nicht unbedingt gewonnen hat, ist der Mannschaft um Chefdesigner Peter Schreyer mit dem Kombimodell ein wahrer Glücksgriff gelungen. Die vor der D-Säule markant ansteigende Fensterlinie und die breiten Rückleuchten als Einfassung einer ruhigen Blechfläche in der Heckklappe zeigen ein geschultes Auge und Können. Ein bisschen erinnert der Kia hinten an den aktuellen Audi A6 Avant, sicherlich nicht die schlechteste Referenz.
Nachdem im vergangenen Jahr der Kia Optima Sportswagon 2.0 T-GDI GT zum Fahrbericht bereitstand, trat jetzt der 1.7 CRDI zum AUTONOTIZEN-Alltagstest an. Der Selbstzünder stellt, allen aktuellen Diskussionen um den Diesel zum Trotz, die massentauglichste Antriebsoption des Kia Optima dar, daneben gibt es ihn außer als starken und durstigen Turbo auch noch mit einem Zweiliter-Saugbenziner und (Tipp für private Kurzstreckenfahrer) als Plug-in Hybrid.
Mit 141 PS aus 1,7 Litern Hubraum führt der Kia Optima beim Firmenwagenkunden nicht unbedingt die Gefühlswallung fort, die sein Design ausgelöst hat. Und so könnte die meist kurze Probefahrt vor der Entscheidung zur Unterschrift unter einem Kauf- oder Leasingvertrag auch der Flaschenhals sein. Denn nach dem Anlassen und auf den ersten Kilometern im Stadtgebiet rumort der Turbodiesel vor sich hin, wirkt angestrengt und brummig. Dazu kommt die für viele Kombis mit großem Laderaum typische stramme Abstimmung, die innerorts für unbeholfene Federungsartistik sorgt.
Sein wahres Gesicht zeigt der Kia Optima Sportwagon 1.7 CRDI erst auf der Langstrecke. Während zwar adaptive, aber nicht einstellbare Fahrwerk als Teil des Technikpaketes (nicht für die Version mit Handschaltung) auf der Autobahn den idealen Kompromiss zwischen sanft wiegendem Komfort und ausreichend Rückmeldung von der Fahrbahnoberfläche findet, findet der Diesel im Geschwindigkeitsbereich über 120 km/h, wenn das recht hohe Leergewicht von über 1,7 Tonnen den Widerstand gegen den Vorwärtsdrang des Diesels aufgegeben hat, seine Ruhe und der Optima wandelt sich zum entspannten Kilometerfresser.
Die etwas hoch montierten, aber bequemen Sportsitze mit schwarzer Lederausstattung samt roten Kontrastnähten zwicken auch nach ein paar hundert Kilometern am Stück nicht und das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe bemüht sich, den Diesel meist im Drehzahlbereich des maximalen Drehmoments zu halten. Das beträgt 340 Nm (zwischen 1.750 und 2.500 Umdrehungen pro Minute) und entspricht damit dem des auf der linken Autobahnspur oft anzutreffenden 150 PS-TDI des Volkswagen-Konzerns in den Außendienstler-Passat und Superb.
Mit denen kann der Kia Optima Sportswagon nicht nur auf der Strecke mithalten, auch die Qualitätsanmutung im Innenraum liegt auf einem hohen Niveau. Selbst die quer über das Armaturenbrett laufende Naht im Kunststoff wirkt nicht aufgesetzt, sondern durchaus schick. Die Bedienung gelingt nach einer kurzen Eingewöhnung gut und setzt sich aus Direktwahltasten in der Mittelkonsole, einem - im Konkurrenzumfeld mit sieben Zoll Diagonale eher kleinen - Touchscreen und dem Multifunktionslenkrad zusammen.
Das Navigationssystem bedient sich wie in anderen Kia-Modellen von einer SD-Karte, wer deswegen aber eine langsame Routenberechnung erwartet, liegt falsch. Da stört schon eher die ungenaue Verkehrsdatenerfassung via TMC.
Ob auf großer Fahrt oder im Stau: Auch im Fond genießen die Passagiere eine bequeme Sitzbank und ein fürstliches Raumangebot. Der Knieraum liegt gar annähernd auf dem Niveau des Skoda Superb, der hiermit also nicht mehr wirklich konkurrenzlos ist. Das spricht für eine geschickte Raumausnutzung der Kia-Ingenieure, denn der Radstand des Optima Sportswagon liegt vier Zentimeter unter dem des Skoda. Was auch den im Vergleich zum Mitbewerber kleineren Kofferraum erklärt. Während der Skoda üppige 660 Liter schluckt, belässt es der Koreaner bei 552 Litern mit aufgestellter Rücksitzbank. Deutlich weniger aber für sich genommen immer noch ausreichend, zudem ist der Laderaum hochwertig ausgeschlagen und kommt ab Werk mit einer Netztrennwand und einer sinnvollen Teleskopstange auf Schienen zur Arretierung der Ladung – ein nettes Detail, das Skoda „simply clever“ (?) beim letzten Superb-Modellwechsel eingespart hat.
Sparen kann man mit dem Kia übrigens auch: Mit 5,9 Litern Diesel pro 100 Kilometern im erfahrenen Durchschnitt bleibt der Durst des Kia Optima Sportswagon, vor allem aufgrund langer Autobahnetappen, erstaunlich niedrig. Hier ist der 1.7 CRDI der Gegenpol zum im letzten Jahr gefahrenen 2.0 T-GDI-Benziner und scheint fast um Wiedergutmachung bemüht.
Der geringe Abstand zum NEFZ-Verbrauch (kombiniert 4,6 Liter auf 100 km) ist umso bemerkenswerter, weil man den kleinen Diesel im großen Kombi subjektiv zumindest auf den ersten Kilometern ja doch ganz schön fordert, damit er in die Gänge kommt. Aber es zeigt sich, dass es der Antrieb den Bordstein-Beobachtern gleichtut: Er macht sich dann doch mal locker.
Ist noch was? Ja, der Kassensturz. Auch hier darf der Skoda Superb zum Vergleich herangezogen werden. Kia bietet den Optima Sportwagon 1.7 CRDI GT Line ab 39.090 Euro an. Ein vergleichbarer Skoda Superb Combi Sportsline mit dem 150 PS starken TDI und DSG kostet mit 40.750 Euro annähernd gleich viel. Das ändert sich, wenn man sich den Kia-Testwagen vorknöpft. Der bringt aus der überschaubaren Aufpreisliste das Technikpaket (u.a. mit Rundumsichtkamera, Spurwechselassistent, adaptivem Fahrwerk und Geschwindigkeitsregelanlage mit Abstandsradar), kühl- und elektrisch einstellbare Sitze, das große Panoramadach und Metalliclackierung mit.
Diese volle Hütte kostet bei Kia 43.310 Euro. Der auf ein vergleichbares Ausstattungsniveau konfigurierte Skoda ist mit 47.385 Euro über 4.000 Euro teurer. Ein bisschen Retro gibt es beim Optima sogar noch mit dazu. Denn wer sich für den koreanischen Kombi entscheidet, muss sich am Stammtisch oder bei den Kollegen in der Firmenkantine wegen der Entscheidung für die Marke gewiss oftmals rechtfertigen – so wie es für den Skodafahrer vor einigen Jahren auch noch an der Tagesordnung war. Auch hier hilft: locker bleiben! Und sich über die vertrauenserweckende Kia Garantie freuen, die stolze sieben (!) Jahre gilt.
Einen, in der aktuellen Diskussion unschlagbaren, Vorteil hat der Tscheche gegenüber dem Kia: Er kommt mit AdBlue-Tank und SCR-Katalysator. Bitte dringend nachlegen, Kia!
Das Video zum Kia Optima Sportswagen 1.7 CRDI findet Ihr unter der Bildergalerie!
Technische Daten
Kia Optima Sportswagon 1.7 CRDI GT Line |
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Hubraum | 1.685 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 104 kW / 141 PS bei 4.000 U/min |
Max. Drehmoment | 340 Nm bei 1.750 - 2.500 U/min |
Getriebe | 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe |
Beschleuningung 0-100 km/h | 11,1 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 200 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 4,6 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 5,9 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Sport Pilot 3 235/45 ZR18 |
Leergewicht | 1.635 - 1.770 kg ( je nach Ausstattung) |
Länge / Breite / Höhe | 4.855 / 1.860 / 1.470 mm |
Grundpreis | 39.090 Euro |
Testwagenpreis | 43.310 Euro |