Was der Kia Optima Sportswagon mit einem Apfel zu tun hat.
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Und weil dies ein persönlicher Blog ist, kann ich gleich zu Beginn eine Meinung in den Ring werfen.
Mit dem Optima Sportswagon stellt Kia seinen Händlern Ende September einen ziemlich hübschen Kombi in die Verkaufsräume. Die Limousine, bislang einzige Karosserievariante der Baureihe, hat in meinen Augen mit dem Modellwechsel Anfang 2016 nicht unbedingt gewonnen, wirkt austauschbarer als der Vorgänger. Der erste Optima Kombi jedoch geht seinen eigenen Weg, und zwar mit Stolz geschwelltem Hinterteil.
Die ansteigende Fensterlinie gipfelt, dem berühmten Nike-Markenzeichen „Swoosh“ ähnelnd, in einer extrem breiten und dominanten D-Säule. Am Heck zitieren die Rückleuchten ganz kurz den Audi A6 Avant, bevor das Auge des Betrachters wieder eigenständige Linien vorfindet. In der Realität sieht das Auto übrigens noch ein bisschen besser aus als auf Fotos.
Es ist bemerkenswert, mit welcher Konsequenz Kia die Lücken im Modellprogramm schließt. 2015 wurden weltweit knapp 300.000 Kia Optima Limousinen verkauft, davon aber nur ein paar Hundert in Deutschland, der Kombi-Nation schlechthin. Mutig wurde daher speziell für Europa, und hier vor allem für uns Deutsche, der Sportswagon entwickelt. Dabei haben die Ingenieure sich nicht nur die Mitbewerber genau angesehen, sondern in den Pausen wohl auch reichlich vom Baum der Erkenntnis genascht.
Denn Kombisein, das kann der Optima richtig gut. Schon in der Limousine begeistert das Raumangebot auf den Vordersitzen und vor allem im Fond, das die Mitfahrer irgendwo zwischen VW Passat und Skoda Superb zum räkeln einlädt. Der durch die Dachreling im Vergleich zum Stufenheckmodell 5 Millimeter höhere Kombi bietet dazu nun die passende Kopffreiheit.
Hinter der, beim GT-Line und GT serienmäßigen, elektrischen Heckklappe wartet ein Laderaum, der mit 552 bis 1686 Litern Volumen trotz Respektabstand zu den genannten Mitbewerbern für sämtliche Lebenslagen ausreichen sollte.
Außerdem gibt es ein praktisches System zur Ladungssicherung mit einer Teleskopstange und Verzurrösen. Eine Netztrennwand ist auch dabei, während Fächer unter dem doppelten Ladeboden und hinter den Radkästen Kleinkram aufnehmen.
Genug geglotzt, lasst uns fahren. Dafür empfiehlt sich natürlich das neue Topmodell der Baureihe, der Optima GT mit seinem Zweiliter-Turbomotor und 245 PS Leistung.
Klingt doch gut. Also, auf dem Papier. Und auch im hohen Gang beim entspannten Cruisen um 60 bis 70 Stundenkilometer. Da bollert es unter der Motorhaube gar achtzylindrig. Ein freundlicher Gruß der Sounddesigner. Der aber schnell vergessen wird, wenn man den dynamischen Auftritt des Sportswagon in Vortrieb übersetzen will.
Denn das mit der Übersetzung ist nicht die Paradedisziplin des Optima GT. Die Kombination aus Vierzylinder-Benziner mit Sechsgang-Automatik ist, unpassend zur Modellbezeichnung, nicht ganz optimal. Trotz des maximalen Drehmoments von 350 Nm, das schon bei 1.350 Umdrehungen pro Minute anliegt, vermisst man Punch im Antrieb. Wenn der Turbobenziner dann bei 6.000 Umdrehungen seine maximale Leistung aufgebaut hat, kruschtelt das Drehmoment schon wieder in niedrigeren Werten herum.
Was bedeutet das beim Fahren? Einmal auf Touren, geht es zügig voran, auf der Autobahn schaffte der Testwagen trotz fast jungfräulicher 1.800 Kilometer auf der Uhr 240 km/h laut Tacho (232 km/h stehen im Datenblatt). Aber wehe, man bremst oder fällt zurück und möchte wieder Geschwindigkeit aufbauen. Unter der Haube erhebt sich mahnender Groll, die Automatik schaltet ungelenk hin und her. Das Ganze fühlt sich nicht nach 245 PS Nennleistung an. Ein Skoda Superb Combi mit 220 PS (den Alltagstest dazu könnt Ihr hier lesen) ist gefühlt deutlich fixer. Was nicht unbedingt an den reinen Zahlenwerten für Beschleunigung und Spitzengeschwindigkeit liegt, sondern vor allem daran, dass die Drehmomentwelle des Tschechen fast bis zum maximalen Leistungsaufbau reicht.
Der erste Tagesausflug mit einem neuen Auto ist für den Verbrauch natürlich nicht repräsentativ, aber es sollte dennoch erwähnt werden, dass der Bordcomputer am Ende der Etappe, die auch entspannt über Landstraßen und durch Ortschaften führte), immerhin 11,9 Liter auf 100 km anzeigte.
Nehmen wir den Optima Sportswagon GT also beim Wort, und zwar als Grand Turismo, als Wagen für die große Tour.
Wenn Dir der Wagen das mit der übertriebenen Längsdynamik erfolgreich ausgeredet hat, freut man sich über die bequemen Sportsitze des GT-Modells und das intuitiv bedienbare Cockpit. An die kombinierte Infotainment-Bedienung aus Tastenleiste und Touchscreen hat man sich schnell gewöhnt, dann gefällt das Navigationsmodul trotz SD-Speicherkarte mit fixer Routenberechnung und guter Kartendarstellung, während das serienmäßige Harmon/Kardon Soundsystem mit Subwoofer und externer Endstufe lässig den Lieblingssound aus den acht Boxen drückt. Dabei wird übrigens die neue ClariFi-Technologie des Zulieferers genutzt, die komprimierte Musikdateien in Echtzeit wieder aufrüscht und damit für ein fast vergessenes Klangerlebnis wie von CD oder Schallplatte sorgt.
Auch das Fahrwerk denkt mit, es ist im Optima GT adaptiv und passt das Ansprechverhalten der Dämpfer an. Je nachdem, ob der Fahrer über die Taste in der Mittelkonsole das sportliche, oder das normale Fahrprogramm gewählt hat. Dazu gibt es noch den „Eco“-Modus, der den Antrieb träger reagieren lässt und mit der erzwungenen Entschleunigung sicherlich ein paar Tropfen Sprit sparen hilft.
Was an der Ampel nicht funktioniert, eine Start/Stopp-Automatik hat Kia dem brandneuen Kia Optima GT nicht mitgegeben. Die gibt es nur für den Diesel.
Den konnte ich im Anschluss kurz fahren. Vor allem beim direkten Umstieg vom Optima GT in den 1,7 Liter CRDI mit 141 PS Leistung setzt der Selbstzünder eher rationale als emotionale Duftmarken.
Das zeigt das Dilemma, das mir der Kia Optima Sportswagon bereitet. Das – ich wiederhole mich gerne – sehr gelungene Äußere wird durch das doppelte Endrohr und die prägnanten Karosseriedetails des GT-Modells und der gleich aussehenden GT-Line Ausstattung für den Diesel weiter angeschärft. So mimt der den Sportler für Menschen mit Platzbedarf, aber kann dieses Versprechen leider nicht einlösen.
Der Kombi, übrigens keineswegs wie so oft geschrieben Kias erster Mittelklasse-Ladefreund (es gab von 1998 bis 2001 den Clarus Kombi auf Basis des Mazda 626) ist eine schöne Bereicherung auf dem Markt. Als Außendienst-Auto für Flottenkunden ist er auf jeden Fall mehr als gut gelungen und private Abonnenten von „Schöner Wohnen“ sollten sich das Auto zumindest mal testweise in den Reihenhaus-Carport stellen.
Dann muss man wohl in den sauren Apfel beißen. Womit wir endlich zur Auflösung der Überschrift kommen! Laut Kia ist nach wie vor keine stärkere Ausbaustufe des Diesels geplant. Entweder arrangiert man sich also mit dem gedämpften Temperament des kopflastigen 1,7 CRDI und freut sich dabei zumindest am optional erhältlichen Doppelkupplungsgetriebe, oder man entscheidet sich für ein attraktives Bonuspunkte-System bei der örtlichen Tankstelle. Dann nimmt man den Optima Sportswagon GT.
Selten hat ein saurer Apfel also besser geschmeckt, und zumindest an der Kasse stimmt Kia uns fröhlich. Den GT gibt es ab 41.790 Euro. Ein entsprechend ausgestatteter Skoda Superb Combi Style mit 220 PS – ja meist die Benchmark im Preis-Wert-Gefühl - kommt mit ähnlicher Ausstattung auf 43.420 Euro. Zum Preisvorteil packt der Kia dann noch sieben Jahre Garantie mit ins Täschchen.
Wenn man dann schon so viel Geld in die Hand nimmt und es zudem im wahrsten Sinne des Wortes ruhiger angehen lassen kann, wartet man einfach bis Mitte 2017. Dann kommt auch der Optima Sportswagon als Plug-in Hybrid. Wie der aussehen wird und wie die Limousine mit dem doppelten Antrieb fährt, könnt ihr hier nachlesen.
Interessant zu wissen:
Natürlich möchte Kia mit dem Optima, und hier vor allem mit dem Sportswagon, den wichtigen Markt der Gewerbekunden erobern. Dafür gibt es in Verbindung mit dem 1,7 CRDI zwei Ausführungen speziell für Firmen und Gewerbetreibende. Sie heißen Business und Business Supreme und sind mit guter Ausstattung ab 26.290 Euro bzw. 30.290 Euro zusätzlich zu den regulären Ausstattungsvarianten Edition 7, Vision, Spirit, GT-Line und GT erhältlich.
Technische Daten
Kia Optima Sportswagon GT |
|
---|---|
Hubraum | 1.984 ccm |
Anzahl und Bauform Zylinder | 4 in Reihe |
Maximale Leistung kW / PS | 180 / 245 bei 6.000 U/min |
Max. Drehmoment | 350 Nm bei 1.350 - 4.000 U/min |
Getriebe | Sechsgang-Automatik |
Beschleuningung 0-100 km/h | 7,6 Sekunden |
Höchstgeschwindigkeit | 232 km/h |
Norm-Verbrauch auf 100km | 8,2 Liter |
Verbrauch real auf 100km | 11,9 Liter |
Reifenmarke und –format des Testwagens | Michelin Pilot Sport 3, 235/45 ZR 18 98Y |
Leergewicht | 1.680 - 1.795 kg, je nach Ausstattung |
Länge / Breite / Höhe | 4.855 mm / 2.120 mm (mit Außenspiegeln) / 1.470 mm |
Grundpreis | 41.790 Euro |
Testwagenpreis | 44.530 Euro |