LEVC TX So bunt kann Schwarz sein

Im elektrischen "Black Cab" LEVC TX unterwegs, oder "mehr auffallen geht nicht".

Es klopft von außen an die Fensterscheibe. Nicht, dass mich das noch wundern würde. In den letzten Tagen passierte das mehrere Male. Eine junge Frau sucht das Gespräch. Nicht über mich, sondern über das Auto. Sie hat vier Kinder und fährt aktuell einen VW Multivan. Aber „das hier, das ist ja viel cooler. Wie viele Sitze hat der denn?“

Der LEVC TX im Video

Sie meint den Testwagen, ein Auto mit der etwas sperrigen Bezeichnung LEVC TX. Der hat sechs Sitze im Fahrgastraum, von denen drei entgegen der Fahrtrichtung bei Bedarf nach unten geklappt werden können. Der Zugang erfolgt über Portaltüren, die sich im 90-Grad-Winkel öffnen lassen. Das sorgt für einen bequemen Einstieg ins hohe Auto. Außerdem erlaubt dieser Winkel die Integration einer Auffahrrampe für Rollstühle (oder Kinderwagen) und sorgt somit für einen barrierefreien Zugang.

Der Fahrer bleibt für sich

LEVC TX London Taxi Elektro Range Extender 2022

Wichtig im Alltag als Auto für die gewerbliche Personenbeförderung. Genau dafür ist der TX nämlich gemacht. Inklusive fester Trennscheibe zwischen Fahrerplatz und Passagierabteil, immerhin mit Löchlein zum Durchreichen von Bargeld oder Kreditkarte. Für die Kommunikation durch die Abtrennung gibt es eine Gegensprechanlage. Aber leider keinen Beifahrersitz, denn hier ist der Platz fürs Gepäck der Fahrgäste.

Damit ist der TX bei der interessierten Mutter leider raus. Auch dann, also ich ihr sage, dass ein bisschen Abschirmung und Ruhe doch gar nicht verkehrt sein kann.

Die neue Taxi-Generation

Aber es ist klar: Ein klassischer Familien-Van ist der LEVC TX nicht. Damit komme ich mal zum Namen. TX ist die Modellbezeichnung für Taxis der einstigen London Taxi Company. Die saß nicht in London, sondern in der Nähe von Birmingham. Gebaut wurden aber vier Generation von Taxis vornehmlich für den großen Markt in der britischen Hauptstadt.

Um den teils engen Gassen von Soho und Co voranzukommen, durften Taxis einen Wendekreis von nicht mehr auf 7,62 Metern haben. Diese und weitere Zulassungsvorschriften sorgten für ein langes Monopol der London Taxi Company, mittlerweile etwas aufgeweicht durch neuere Regelungen und einen Mitbewerber in Form eines umgebauten Mercedes Vito.

Die London Taxi Company fuhr lange Zeit in wirtschaftlich schwierigen Gewässern, bis der chinesische Geely-Konzern, dem auch Volvo und Polestar gehören, einstieg. Neben einer neuen Produktionsstraße bekam das Unternehmen einen neuen Namen, der die Strategie beschreibt: London Electric Vehicle Company, abgekürzt LEVC.

Mit einem elektrischen Taxi begegneten die Ingenieure auch den Einfahrtbeschränkungen in London für Autos mit lokalen Emissionen. Aufgrund der teils langen Strecken im Speckgürtel der Metropole, auch von und zu den Taxidepots, fiel die Wahl auf einen Range Extender.

Elektroantrieb mit Range Extender

LEVC TX London Taxi Elektro Range Extender 2022

Bei der Antriebstechnik konnte ich LEVC im Konzernregal, genauer bei Volvo, bedienen. Den 110 kW (150 PS) starken Elektromotor, der die Hinterräder antreibt, versorgt ein netto 24,2 kWh (brutto 31 kWh) großer Akku mit Energie. Das reicht laut WLTP-Norm für bis zu 101 Kilometer. Im Alltag konnte ich 80 bis 85 Kilometer elektrische Reichweite erzielen.

Für eine komplette Schicht im Taxibetrieb dürfte das aber nicht ausreichen. Vielleicht findet man unterwegs einen Schnelllader, wo Gleichstrom mit bis zu 50 kW geladen werden kann. Über den Typ-2-Stecker fließt Wechselstrom optional mit bis zu 22 kW, im Test wurden sogar Werte leicht darüber (zumindest laut Anzeige an der städtischen Ladesäule) erreicht. Serienmäßig lädt der TX mit 11 kW. Ein Alleinstellungsmerkmal ist die optionale Chademo-Buchse. Sie ist vor allem den globalen Expansionsplänen von LEVC zu verdanken, ebenso die Linsklenkerversion.

Der Elektroantrieb bringt den über 2,2 Tonnen schweren Brocken überraschend lebendig voran. Die komfortable Federung sorgt auch auf den Sitzen über der Hinterachse für viel Komfort. Der Fahrer freut sich über den mit 8,45 Metern immer noch kompakten Wendekreis. Gefühlt dreht das Taxi auf der Stelle.

Fahrerorientiertes Cockpit

LEVC TX London Taxi Elektro Range Extender 2022

Die digitalen Instrumente sind einfach ablesbar. Im Gegensatz zur Transporterversion LEVC VN5 ist das zentrale Display schräg zum Fahrer orientiert. Die Bedienung des von Volvo entliehenen Hochkant-Touchscreens gelingt so noch einfacher. Darunter gibt es einen Getriebeknubbel, der auch für die Einstellung der Rekuperation genutzt wird, und den Start-Drehknopf, die ebenfalls aus Schweden bekannt sind.

Der LEVC TX fährt also primär elektrisch. Wenn der im Akku gespeicherte Strom zur Neige geht, oder wenn man über das Touchscreen-Menü den „Save“-Modus aktiviert, kommt der Range Extender ins Spiel. Bei ihm handelt es sich um einen Volvo-Dreizylinder-Benziner mit drei Zylindern und 1,5 Litern Hubraum. Er leistet 67 kW (91 PS) und arbeitet im seriellen Hybrid-Modus als Generator. Einen direkten Antrieb der Räder durch den Verbrenner gibt es also nie, er stellt bis zu 60 kW (die restlichen 7 kW „verliert“ man also) elektrische Leistung bereit.

Man hört die Arbeit des Benziners, wenngleich auch wesentlich leiser als im VN5. Insgesamt ist das TX-Modell besser gedämmt und auch hochwertiger verarbeitet. Steile Scheiben und eine hohe Motorhaube sorgen für sehr gute Rundumsicht. Lediglich Spiegelungen in der Trennscheibe stören beim Abbiegen.

Nicht nur Infotainment und Motor kommen von Volvo, auch der Fahrersitz ist bekannt. Wird ein aufpreispflichtiges Komfortpaket bestellt, ist der sehr bequeme Stuhl mit ausziehbarer Oberschenkelauflage elektrisch verstellbar und beheizt.

TX statt Mercedes?

LEVC TX London Taxi Elektro Range Extender 2022

Trotz der Abtrennung bleibt hier auch für große Menschen genug Platz. Leicht erhaben, auf der Höhe von Fahrern in VW T6 oder Mercedes-Benz V-Klassen, nimmt man entspannt den Asphalt unter die Räder. Dass nur 128 km/h Höchstgeschwindigkeit drin sind, zeigt einmal mehr die Auslegung des Nutzfahrzeugs auf Kurz- und Mittelstrecken im urbanen Raum.

Mercedes stellt 2023 die Taxi-Pakete für E-Klasse und B-Klasse ein. Perfekte Bedingungen also für LEVC und den TX? Leider nein. Denn das Preisgefüge sorgt dafür, dass der TX wohl eher als Image-Lokomotive genutzt wird. Hotels dürften damit ihre Kunden zu Flughafen oder Bahnhof bringen, Ride-Hailing-Dienste um Kunden werben.

Die Rechnung, bitte!

LEVC TX London Taxi Elektro Range Extender 2022

Denn mit einem Basispreis von 74.726,05 Euro (netto 62.795 Euro) ist der LEVC TX wahrlich nicht billig. Der Testwagen in der höheren Ausstattungslinie Vista mit einigen Optionen kostet 81.633,69 Euro (netto 68.599,74 Euro). Immerhin das Extra „beleuchtetes Taxischild“ kann sich sparen, das reduziert den Preis aber nur um 107 Euro.

Das moderne „Black Cab“ ist übrigens nicht nur in schwarz zu haben. 13 Lackfarben stehen zur Wahl. Immerhin gehört auch „Taxi Beige“ zu den Gratisfarben. Egal, welchen Ton man wählt. Man fällt auf wie ein bunter Paradiesvogel. Ein Rolls-Royce Phantom mit nachgerüsteter Anhängerkupplung, der einen verglasten Bugatti auf Trailer zieht und aus dem Blasmusik tönt, dürfte kaum mehr Aufmerksamkeit erregen.

Im Falle des TX blickt man aber nur in positiv gelaunte Gesichter, sieht erhobene Daumen und winkende Kinder. Da verwundert es fast, dass ich in den zwei Wochen des Alltagstest nie an den Straßenrand gewunken wurde.

Fazit

LEVC TX London Taxi Elektro Range Extender 2022

So und nicht anders geht Retro-Design in der Moderne. Der LEVC TX bringt die unverwechselbare Idee des „Black Cab“ mit Elektroantrieb samt Range Extender, viel Platz und moderner Bedienung in die Gegenwart. Die Auslegung als Personentransporter für bis zu sechs Fahrgäste ist maximal konsequent umgesetzt. Das hilft der vierfachen Mutter aber leider nicht weiter. Vielleicht sollte ich ihr doch mal sagen, das LEVC auf Basis des etwas längeren VN5 demnächst einen Camper-Van auf den Markt bringt. Der wäre doch sicherlich auch als Familienauto geeignet. Oder, liebes LEVC-Team?

Technische Daten

LEVC TX

Antrieb Hinterradantrieb
Hubraum 1.477 ccm
Anzahl und Bauform Zylinder 3 in Reihe
Maximale Leistung kW / PS 67 kW / 91 PS
Getriebe Eingang-Reduktionsgetriebe
Elektromotor: Maximale Leistung kW 110 kW (150 PS)
Elektromotor: Nennleistung KW 250 Nm
Batterie 24,2 kWh netto (31 kWh brutto), Lithium-Ionen
Maximale Ladeleistung Gleichstrom (DC) 22 kW (optional, Serie: 11 kW)
Ladeleistung Gleichstrom (DC) im Test 22,1 kW
Maximale Ladeleistung Wechselstrom (AC) 50 kW
Ladeleistung Wechselstrom (AC) im Test 46 kW
Tankinhalt 36 Liter
Beschleuningung 0-100 km/h 13,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 128 km/h
Realer Verbrauch im Testzeitraum kWh/100 km ca. 28 kWh
Verbrauch real auf 100km 7,0 Liter im Range-Extender-Modus
Leergewicht 2.305 kg
Länge / Breite / Höhe 4.855 / 1.945 / 1.880 mm
Grundpreis 62.795 Euro netto / 74.726,05 Euro brutto
Testwagenpreis 68.599,74 Euro netto / 81.633,69 Euro brutto (Vista mit Optionen)
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Text: Bernd Conrad
Bilder: Andreas Hof, Bernd Conrad